Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung eines Erbbaurechts; keine Weiterveräußerung des Grundstücks
Leitsatz (NV)
Die Bestellung eines Erbbaurechts an einem Grundstück zugunsten eines Dritten ist nicht als Weiterveräußerung des Grundstücks im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr.6 Buchst. d GrEStG Berlin anzusehen.
Normenkette
GrEStG Berlin § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d
Verfahrensgang
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 10. März 1982 erwarb die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - damals noch unter einer anderen Firma - ein unbebautes Grundstück.
Das beklagte Finanzamt (FA) nahm diesen Erwerbsvorgang zunächst antragsgemäß nach § 6 Abs. 1 Nr.9 des damals geltenden Berliner Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) von der Besteuerung aus.
Durch Vertrag vom 30. November 1983 sowie Änderungsvertrag vom 14. März 1983 bestellte die Klägerin zugunsten der A-KG ein Erbbaurecht an dem Grundstück. Das Erbbaurecht sollte am 31. Dezember 2077 enden. Als Entgelt für die Bestellung des Erbbaurechts wurde ein einmaliger Betrag von . . . DM gewährt. Die Erbbauberechtigte verpflichtete sich, auf dem Erbbaugrundstück Wohngebäude mit Wohnungen im sozialen Wohnungsbau zu errichten.
Durch Bescheid vom 31. August 1983 erhob das FA die Grunderwerbsteuer für den Erwerbsvorgang nach und setzte gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Mit dem dagegen erhobenen Einspruch machte die Klägerin nunmehr Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Nr.6 Buchst. d GrEStG geltend. Sie habe das Grundstück als freies Wohnungsunternehmen an einen Erwerber, der auf dem Grundstück Wohngebäude errichte, ohne Gewinn weiterveräußert. Die Bestellung eines Erbbaurechts komme einer Grundstücksveräußerung im Sinne des Gesetzes gleich.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, daß sie nach ihrer tatsächlichen Tätigkeit ein freies Wohnungsunternehmen sei. Zudem könne in der Bestellung des Erbbaurechts keine Weiterveräußerung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr.6 Buchst. d GrEStG gesehen werden.
Hiergegen richtete sich die Klage, mit der die Klägerin weiterhin Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Nr.6 Buchst. d GrEStG anstrebt.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Da die Klägerin ein Erbbaurecht an dem Grundstück bestellt und damit die Absicht der planungsgemäßen Bebauung aufgegeben habe, habe das FA die Grunderwerbsteuer einschließlich Aufgeld zutreffend festgesetzt. Die Klägerin könne sich im Ergebnis auch nicht mit Erfolg auf die Befreiungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Nr.6 Buchst. d GrEStG berufen. Die Klägerin erfülle schon deshalb nicht die Voraussetzungen als freies Wohnungsunternehmen, weil sie im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs nicht im Handelsregister eingetragen gewesen sei.Das FG sei allerdings entgegen dem FA der Auffassung, daß eine begünstigte Weiterveräußerung eines Grundstücks auch durch Bestellung eines Erbbaurechts erfolgen könne.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Mit dieser wird Verletzung des § 6 Abs. 1 Nr.6 Buchst. d und des § 8 Abs. 9 GrEStG gerügt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Zutreffend hat das FG die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids bejaht.
Der Kaufvertrag über das Grundstück vom 10. März 1982 ist ein Rechtsvorgang, der nach § 1 Abs. 1 Nr.1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt. Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung liegen nicht vor.
Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Nr.9 GrEStG scheitert daran, daß die Klägerin ihre ursprünglich (möglicherweise) bestehende Absicht zur planungsgemäßen Bebauung durch Bestellung des Erbbaurechts am unbebauten Grundstück zugunsten eines (grunderwerbsteuerrechtlich) Dritten aufgegeben hat.
Die von der Klägerin nunmehr begehrte Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Nr.6 Buchst. d GrEStG kommt - entgegen der Auffassung des FG - bereits deswegen nicht in Betracht, weil die Bestellung eines Erbbaurechts an einem Grundstück zugunsten eines Dritten nicht als ,,Weiterveräußerung" des Grundstücks im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann (so bereits das Senatsurteil vom 29. Juli 1992 II R 106/88, BFH/NV 1993, 125). Die Steuerbefreiung setzt Identität des erworbenen und des weiterveräußerten Gegenstands voraus, denn von der Besteuerung wird ausgenommen ,,der Erwerb eines Grundstücks . . . zur Weiterveräußerung ohneGewinn an einen Erwerber, der auf
dem Grundstück . . . ein Wohngebäude errichtet . . .".
Diese Identität ist nicht gewahrt, wenn nicht das Grundstück, sondern das an dem Grundstück bestellte Erbbaurecht veräußert wird, auch wenn das Erbbaurecht nach § 2 Abs. 2 Nr.1 GrEStG den Grundstücken gleichgestellt ist. Denn das Grundstück und das an ihm bestellte Erbbaurecht stehen im Verhältnis des belasteten zum belastenden Gegenstand. Das Erbbaurecht ist ein dingliches Recht an einer fremden Sache, nämlich am Grundstück, das im Eigentum des Bestellers des Erbbaurechts verbleibt (§ 1 Abs. 1 der Verordnung über das Erbbaurecht - ErbbauV -). Dementsprechend gilt das aufgrund des Erbbaurechts errichtete Bauwerk als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts (§ 12 Abs. 1 ErbbauV); die Bestandteile des Erbbaurechts sind nicht zugleich Bestandteile des Grundstücks (§ 12 Abs. 2 ErbbauV). Der Regelung des § 92 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) läßt sich kein allgemeiner Rechtsgedanke entnehmen, der dem durch Auslegung des damaligen Landesrechts Berlin gewonnenen Entscheidungsergebnis entgegenstünde. Mit der Bestellung des Erbbaurechts hat daher die Klägerin (auch) den begünstigten Zweck i.S. des § 6 Abs. 1 Nr.6 Buchst. d GrEStG aufgegeben. Anhaltspunkte, daß dieser begünstigte Zweck innerhalb noch laufender Verwendungsfrist von der Klägerin wieder aufgenommen wurde, liegen im Streitfall nicht vor.
Da der Klägerin die Steuerbefreiung schon deswegen nicht zu gewähren ist, kommt es im Ergebnis nicht mehr darauf an, ob (auch) die subjektiven Voraussetzungen - worauf das FG seine Entscheidung stützt - für die Steuerbefreiung fehlen.
Fundstellen
Haufe-Index 418880 |
BFH/NV 1993, 493 |