Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Rechtsmittelbelehrung des FG, zur auswärtigen Beschäftigung einer ledigen Arbeitnehmerin und zur steuerlichen Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers
Leitsatz (NV)
1. Keine ordnungsmäßige Rechtsmittelbelehrung im FG-Urteil bei fehlendem Hinweis auf den Lauf der Revisionsfrist nach Zulassung der Revision durch den BFH (Anschluß an BFH-Zwischenurteil vom 18. Juli 1989 VIII R 30/89, BFHE 158, 107, BStBl II 1989, 1020).
2. Keine Beschäftigung am auswärtigen Beschäftigungsort von verhältnismäßig kurzer Dauer i. S. des Abschnitts 27 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a LStR 1981 bei zeitlich unbefristetem Arbeitsvertrag, dem eine Ausbildung für vier Jahre zugrunde liegt.
3. Eine nach objektiven Maßstäben angemessene Wohnung i. S. des Abschnitts 27 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b LStR 1981 wird erlangt beim Bezug einer neuen 75 qm großen und mit eigenen Möbeln eingerichteten Wohnung durch eine ledige Arbeitnehmerin.
4. Für die Beibehaltung des bisherigen Lebensmittelpunkts kann sprechen, daß die Arbeitnehmerin am neuen Wohnort noch keinen neuen Bekanntenkreis erworben hat.
5. Die steuerliche Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers kann vom FG nicht schon deshalb verneint werden, weil es von einer nur geringen Nutzung des Raumes für berufliche Zwecke ausgeht. Die Klin. kann nicht darauf verwiesen werden, sie könne die Arbeiten auch ebensogut im Dienstgebäude oder im Wohnzimmer erledigen.
Normenkette
FGO § 55 Abs. 1, § 115 Abs. 5 S. 4, § 120 Abs. 1 S. 1; EStG 1980 § 9 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die ledige Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist von Beruf Ärztin. Sie befand sich im Streitjahr 1981 in der - insgesamt vier Jahre dauernden und inzwischen abgeschlossenen - Weiterbildung zur Fachärztin für . . . Da sie die Ausbildung nicht in der Nähe ihres Heimatortes absolvieren konnte, hat sie einen nicht befristeten Dienstvertrag mit einem Krankenhaus in A abgeschlossen und ihre Tätigkeit dort am 1. Juli 1980 aufgenommen. Zum 1. September 1980 hatte sie einen Mietvertrag über eine rd. 75 qm große Wohnung in A bis zum 31. August 1983 abgeschlossen (mit stillschweigender Verlängerung bei Nichtkündigung). Diese Wohnung stattete sie mit eigenen Möbeln aus.
Mit dem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1981 machte die Klägerin Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Dies wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) in der Einspruchsentscheidung nicht anerkannt.
Mit der Klage, mit der sie nunmehr auch den Abzug von Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in ihrer Wohnung in A als Werbungskosten begehrte, hatte sie keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u. a. aus:
1. Da die Klägerin ledig sei, könnten Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes 1980 (EStG) nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden. Nach Abschn. 27 Abs. 5 der Lohnsteuer-Richtlinien 1981 (LStR) könnten zwar bei ledigen Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen Mehraufwendungen, die durch die Tätigkeit an einem neuen Beschäftigungsort entständen, als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abgezogen werden. Die Voraussetzungen des Abschn. 27 Abs. 5 LStR lägen im Streitfall jedoch ebenfalls nicht vor. Bei der vier Jahre dauernden Weiterbildung zur Fachärztin habe es sich nicht um eine auswärtige Beschäftigung ,,von verhältnismäßig kurzer Dauer" i. S. des Abschn. 27 Abs. 5 LStR gehandelt. Die Klägerin habe zudem dadurch, daß sie mit ihren Möbeln eine Drei-Zimmer-Wohnung in A zum 1. September 1980 bezogen habe, ihren Lebensmittelpunkt dorthin verlegt. Diese Wohnung sei als angemessen zu werten.
2. Die Klage könne auch insoweit keinen Erfolg haben, als die Klägerin Werbungskosten für die Unterhaltung eines häuslichen Arbeitszimmers geltend mache. Ein häusliches Arbeitszimmer könne steuerlich nur berücksichtigt werden, wenn eine private Mitbenutzung ausgeschlossen oder nur von ganz untergeordneter Bedeutung sei. Im Streitfall habe die Klägerin das Arbeitszimmer nicht ausschließlich oder weit überwiegend beruflich genutzt. Dies ergebe sich aus folgenden Umständen:
Die Klägerin sei ganztägig im Krankenhaus beschäftigt gewesen. Für eine häusliche Berufstätigkeit kämen also nur die Abendstunden und ein Teil der Wochenenden in Betracht. Könne aber ein Zimmer schon aus zeitlichen Gründen wenig beruflich genutzt werden, fiele eine geringfügige private Mitbenutzung ins Gewicht. Hinzu komme, daß die von der Klägerin behauptete Erstellung fachärztlicher Gutachten kaum in Betracht gekommen sein dürfte, da sie erst am Beginn ihrer Ausbildung zur Fachärztin gestanden habe. Sollte die Klägerin allgemeinärztliche Gutachten erstellt haben - vorgetragen habe sie hierüber nichts -, so hätte sie diese im Krankenhaus oder in ihrem Wohnzimmer anfertigen können. Ein häusliches Arbeitszimmer sei hierfür nicht erforderlich gewesen. Das gelte erst recht für die Fortbildung der Klägerin. Für die Berücksichtigung von Werbungskosten komme es allerdings grundsätzlich nicht darauf an, ob diese notwendig gewesen seien; denn es genüge ein beruflicher Anlaß. Die berufliche Notwendigkeit könne aber ein wichtiges Indiz für die berufliche Veranlassung sein. So verhalte es sich im Streitfall.
Der Senat hat durch Beschluß nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 30. April 1987 VI B 190/86 die Revision zugelassen. Der Zulassungsbeschluß wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 15. Mai 1987 durch Postzustellungsurkunde zugestellt.
Die Klägerin legte gegen das Urteil des FG mit Schriftsatz vom 15. Juli 1987, beim FG eingegangen am 17. Juli 1987, Revision ein. Sie rügt sinngemäß die unzutreffende Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Sie bringt u. a. vor:
1. Das FG habe die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung zu Unrecht nicht als Werbungskosten anerkannt. Nach Abschn. 27 Abs. 5 LStR könnten bei ledigen Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen Mehraufwendungen, die durch die Tätigkeit an einem neuen Beschäftigungsort entstünden, als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt werden, wenn es sich um eine auswärtige Beschäftigung ,,von verhältnismäßig kurzer Dauer" handle. Das Merkmal ,,von verhältnismäßig kurzer Dauer" sei nicht so zu verstehen, daß die maximal anzuerkennende Zeitspanne höchstens zwei Jahre betragen dürfe. Unter diesen Begriff fielen vielmehr auch Zeitspannen für Fortbildungsmaßnahmen, selbst wenn sie zwecks Weiterbildung zur Fachärztin vier Jahre betrügen.
Sie, die Klägerin, habe an ihrem Heimatort Z weiterhin den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen beibehalten, da sie dort nahezu jedes Wochenende verbracht habe, um ihren Eltern, die beide berufstätig seien und eine Arztpraxis führten, zu helfen sowie Kontakte mit den Patienten der Eltern und mit dem eigenen Freundeskreis zu pflegen. Im übrigen sei sie nach Beendigung ihrer Weiterbildung in A nach Z zurückgekehrt und habe in der Nähe ihres Heimatortes eine Stelle in einem Krankenhaus angetreten. Es könne bei einer doppelten Haushaltsführung nicht gefordert werden, daß die Wohnung am Ort der Arbeitsstelle nur eine Notunterkunft sein müsse und karg eingerichtet sei.
2. Bezüglich ihres häuslichen Arbeitszimmers sei das FG vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. April 1985 VI R 68/82 (BFHE 144, 31, BStBl II 1985, 467) abgewichen.
Mit Schriftsatz vom 15. Juli 1987, ebenfalls eingegangen am 17. Juli 1987, beantragt die Klägerin ferner, ihr zur Einlegung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist zu gewähren.
Sie weist darauf hin, daß der Beschluß des BFH zur Zulassung der Revision vom 30. April 1987 VI B 190/86 ihr am 15. Mai 1987 bekanntgemacht worden sei. Dieser Beschluß habe jedoch keine Rechtsmittelbelehrung enthalten. Auch das Urteil des FG weise keine Rechtsmittelbelehrung für den Fall auf, daß aufgrund einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision die Revision zugelassen werde. Sie, die Klägerin, habe erst durch Mitteilung des BFH vom 8. Juli 1987 im Verfahren VI B 190/86 feststellen können, daß die Revisionsfrist am 15. Mai 1987 zu laufen begonnen habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig.
Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision beim FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils oder nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 5 FGO) schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Ist - wie im Streitfall - die Revision erst dadurch zulässig geworden, daß der BFH sie durch Beschluß zugelassen hat, so beginnt nach § 115 Abs. 5 Satz 4 FGO mit der Zustellung des Beschwerdebescheids der Lauf der vorgenannten Revisionsfrist.
Nach § 55 Abs. 1 FGO beginnt die Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels gegen eine gerichtliche Entscheidung aber nur dann zu laufen, wenn der Berechtigte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist.
Im Streitfall hat die Klägerin Revision gegen das Urteil des FG erst einlegen können, nachdem der Senat die Revision durch Beschluß vom 30. April 1987 VI B 190/86 zugelassen hat. Da der Klägerin dieser Beschluß durch Postzustellungsurkunde am 15. Mai 1987 zugestellt worden war, hätte sie an sich nach § 120 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 115 Abs. 5 Satz 4 FGO die Revision bis zum 15. Juni 1987 beim FG einlegen müssen. Die Revisionsschrift der Klägerin vom 15. Juli 1987 ging erst am 17. Juli 1987 beim FG ein.
Die Klägerin hat gleichwohl die Revisionseinlegungsfrist nicht versäumt, da diese mangels Rechtsmittelbelehrung nach § 55 Abs. 1 FGO nicht zu laufen begonnen hatte. Es ist insoweit nicht rechtserheblich, daß der Zulassungsbeschluß des Senats vom 30. April 1987 VI B 190/86 keine Rechtsmittelbelehrung enthielt. Denn dies war nicht erforderlich, da gegen diesen Beschluß ein Rechtsmittel nicht gegeben ist. Eine Rechtsmittelbelehrung bezüglich der Frist zur Einlegung der Revision nach Zustellung des vorgenannten Beschlusses entsprechend § 120 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 115 Abs. 5 Satz 4 FGO hätte jedoch das finanzgerichtliche Urteil enthalten müssen (BFH-Urteil vom 26. Juni 1969 VI R 125/68, BFHE 97, 103, BStBl II 1970, 7). Die dem angefochtenen Urteil des FG beigefügte Rechtsmittelbelehrung enthielt hierzu jedoch keine Angaben. Sie ist daher unvollständig mit der Folge, daß die Revisionsfrist mangels Rechtsmittelbelehrung nicht zu laufen begann (BFH-Zwischenurteil vom 18. Juli 1989 VIII R 30/89, BFHE 158, 107, BStBl II 1989, 1020). Die von der Klägerin eingelegte Revision ist folglich nicht verspätet eingelegt worden und somit zulässig.
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG.
1. Die Revision der Klägerin ist allerdings unbegründet, soweit sich die Klägerin dagegen wehrt, daß die von ihr geltend gemachten Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nicht als Werbungskosten zum Abzug zugelassen worden sind.
a) Nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1980 sind Werbungskosten die notwendigen Aufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. Urteil des Senats vom 19. November 1971 VI R 132/69, BFHE 103, 533, BStBl II 1972, 155) können ledige Arbeitnehmer jedoch grundsätzlich keinen doppelten Haushalt i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG führen. Sie können nicht gleichzeitig zwei Haushalte an verschiedenen Orten unterhalten, da sie nicht zur selben Zeit an verschiedenen Orten anwesend sein können. Während der beruflich bedingten Abwesenheit des ledigen Arbeitnehmers wird der Erstaufenthalt von ihm nicht ,,geführt", sondern er ruht während der Zeit der Abwesenheit.
Erfüllt ein lediger Arbeitnehmer insoweit nicht die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG, hat er jedoch unter Beibehaltung der bisherigen Wohnung wegen einer auswärtigen Tätigkeit am neuen Beschäftigungsort einen Haushalt eingrichtet, so können nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. Urteil vom 3. Dezember 1974 VI R 159/74, BFHE 114, 428, BStBl II 1975, 356, m. w. N.) die notwendigen Aufwendungen, die durch die Tätigkeit am neuen Beschäftigungsort entstehen, als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt werden, und zwar für die ersten zwei Wochen der Tätigkeit am Beschäftigungsort in allen Fällen und in der Folgezeit, wenn es sich
aa) um eine auswärtige Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer handelt, der Arbeitnehmer den Mittelpunkt seines Lebens am bisherigen Wohnort beibehält, nach Beendigung der auswärtigen Beschäftigung voraussichtlich wieder an diesen Wohnort zurückkehrt und deshalb die Aufgabe seiner bisherigen Wohnung ihm nicht zuzumuten ist, oder
bb) um eine längerfristige oder auf Dauer abgestellte auswärtige Beschäftigung handelt, solange der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort gemäß dem Urteil des Senats vom 23. Juli 1976 VI R 228/74 (BFHE 119, 561, BStBl II 1976, 795) eine nach objektiven Maßstäben angemessene Wohnung nicht erlangen kann und ihm nachweislich Aufwendungen für die Beibehaltung der Unterkunft am bisherigen Wohnort entstehen. Hiervon geht auch Abschn. 27 Abs. 5 Satz 2 LStR 1981 aus.
b) Das FG geht zu Recht davon aus, daß die Klägerin nicht gemäß den Ausführungen vorstehend zu aa) für ,,verhältnismäßig kurze Dauer" in A beschäftigt war. Sie hatte mit dem dortigen Krankenhaus einen zeitlich unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen und ihre Ausbildung zur Fachärztin war für vier Jahre angelegt. Dieser Zeitraum kann nicht als von verhältnismäßig kurzer Dauer im vorgenannten Sinn angesehen werden, auch wenn es sich um eine berufliche Fortbildungsmaßnahme handelt (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1985 VI R 182/82, BFH/NV 1986, 397; v. Bornhaupt in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. G 266).
Die Klägerin kann sich auch nicht auf die vorstehende Übergangsregelung zu bb) bei längerfristiger auswärtiger Beschäftigung berufen.
Das FG hat dies abgelehnt mit dem Hinweis darauf, daß sie durch ihren Umzug nach A dort ihren Lebensmittelpunkt begründet hat und keine Gesichtspunkte ersichtlich sind, daß die neue Wohnung in A nicht als angemessen zu erachten ist.
Der Senat schließt sich dieser Würdigung im Ergebnis insoweit an, als die Klägerin durch Bezug ihrer neuen 75 qm großen und mit eigenen Möbeln eingerichteten Wohnung in A zum 1. September 1980 dort eine angemessene Unterkunft gefunden hatte.
2. Durch den Bezug dieser Wohnung entfiel die Möglichkeit, die Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort und Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG entsprechend Abschn. 27 Abs. 5 Satz 2 LStR abzusetzen. Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für ihre Wochenendheimfahrten zu ihrer beibehaltenen Wohnung in Z können jedoch nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. Urteil vom 13. Dezember 1985 VI R 7/83, BFHE 145, 386, BStBl II 1986, 221) als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gewürdigt werden, wenn diese - weiter entfernt liegende - Wohnung den Mittelpunkt der Lebensinteressen der Klägerin darstellt.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG den Sachverhalt unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht gewürdigt hat. Bei der Frage, ob in der weiter entfernt liegenden Wohnung der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt, kommt es unter Berücksichtigung der Häufigkeit solcher Fahrten insbesondere auf die von der Klägerin geltend gemachten Gesichtspunkte an, daß sie dort ihren Freundeskreis weiter pflegen und ihren Eltern beruflich helfen wollte (vgl. z. B. BFH-Urteil in BFHE 145, 386, BStBl II 1986, 221). Entgegen der Ansicht des FG steht der Anerkennung des Lebensmittelpunkts am bisherigen Wohnort nicht der Umstand entgegen, daß die Klägerin am neuen Wohnort sich noch keinen neuen Bekanntenkreis hat schaffen können. Gerade dieser Umstand kann vielmehr dafür sprechen, daß die Klägerin sich weiterhin an ihren bisherigen Wohnort hingezogen fühlte.
3. Begründet ist die Revision der Klägerin auch insoweit, als das FG die von ihr geltend gemachten Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten anerkannt hat. Die Klägerin rügt zu Recht, daß das FG bezüglich dieser Streitfrage von dem Urteil des BFH in BFHE 144, 31, BStBl II 1985, 467 abgewichen ist.
Wie der Senat in dieser Entscheidung ausgeführt hat, hängt die steuerliche Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers nicht von dem Umstand ab, daß Art und Umfang der Tätigkeit des Steuerpflichtigen ein besonderes häusliches Arbeitszimmer erfordern. Diesem Gesichtspunkt kommt nur die Eigenschaft eines Beweisanzeichens zu, das im Rahmen der vom FG vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller Umstände gegen eine ganz überwiegende berufliche Nutzung sprechen kann. Nach der Rechtsprechung des BFH hat das FG neben dieser Frage insbesondere zu prüfen, ob dem Steuerpflichtigen für das Wohnbedürfnis genügend Raum zur Verfügung bleibt und deshalb eine gewisse Vermutung dafür spricht, daß der Arbeitsraum nicht privat genutzt wird. Zu untersuchen ist ferner, ob das Arbeitszimmer von den Privaträumen getrennt liegt und deshalb eine private Nutzung nicht wahrscheinlich ist, ob der Arbeitsraum wie ein Privatraum eingerichtet ist und damit offenbar auch die private Benutzung ermöglicht und gefördert werden soll und ob die soziale und wirtschaftliche Stellung für die Mitbenutzung des Arbeitsraums sprechen. Der BFH wies in der genannten Entscheidung ferner darauf hin, daß die Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers nicht von einer bestimmten Nutzungsdauer abhängt, sondern davon, daß die berufliche Nutzung die private weit überwiegt; Zeiten, in denen der Raum ungenutzt bleibt, sprechen deshalb weder für noch gegen eine berufliche Nutzung. Eine private Mitbenutzung fällt allerdings um so eher ins Gewicht, je geringer die tatsächliche berufliche Nutzung ist.
Die Vorentscheidung ist mit dem vorgenannten Urteil des BFH insoweit nicht vereinbar, als das FG davon abgesehen hat, alle für den Streitfall maßgebenden Umstände, die in dem Urteil vom 28. Oktober 1964 IV 168/63 S (BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16) aufgeführt wurden, näher zu untersuchen. Das FG hat vielmehr im Ergebnis in typisierender Betrachtungsweise die Eigenschaft des Raumes als Arbeitszimmer verneint, weil es eine nur geringe Nutzung des Raumes für berufliche Zwecke annahm bzw. die Klägerin darauf verwiesen hat, sie könne die Arbeiten ebensogut im Krankenhaus oder im Wohnzimmer erledigen. Das FG hätte entsprechend den Ausführungen in BFHE 144, 31, BStBl II 1985, 467 vielmehr Feststellungen insbesondere dazu treffen müssen, worin die private Nutzung des von der Klägerin als Arbeitszimmer deklarierten Raumes bestanden haben sollte. Hierzu enthält das finanzgerichtliche Urteil keine Ausführungen.
Die Vorentscheidung ist daher auch aus diesem Grund aufzuheben. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt und sich ggf. die von der Klägerin im Arbeitszimmer erstellten fachärztlichen Gutachten vorlegen lassen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 417384 |
BFH/NV 1991, 662 |