Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Identität zwischen Grundstück und dem an ihm bestellten Erbbaurecht
Leitsatz (NV)
1. Das Grundstück und das an ihm bestellte Erbbaurecht stehen im Verhältnis des belasteten zum belastenden Gegenstand.
2. Die Übertragung des an einem Grundstück bestellten Erbbaurechts ist nicht der Veräußerung des Grundstücks selbst im Sinn des § 6 Abs. 1 Nr.6 Buchst. d GrEStG Berlin gleichzustellen, auch wenn das Erbbaurecht nach § 2 Abs. 2 Nr.1 GrEStG Berlin den Grundstücken gleichgestellt ist. Das gilt sowohl für die Veräußerung eines Erbbaurechts aufgrund Kaufvertrages mit dinglicher Wirkung durch Einigung und Eintragung im Erbbaugrundbuch als auch für die Übertragung der Verwertungsbefugnis gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG Berlin.
Normenkette
GrEStG Berlin § 1 Abs. 2; GrEStG Berlin § 2 Abs. 2 Nr. 1; GrEStG Berlin § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d; GrEStG Berlin § 10 Abs. 1 Nr. 3; ErbbauVO § 1 Abs. 1, § 12 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die V-AG, erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom . . . 1982 mehrere im wesentlichen unbebaute Grundstücke in Berlin mit einer Gesamtfläche von . . .qm. Entsprechend dem Antrag der Klägerin nahm das Finanzamt (FA), der Beklagte und Revisionskläger, den Erwerb gemäß § 6 Abs. 1 Nr.6 Buchst. d des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) Berlin vom 18. Juli 1969 (Erwerb zur Weiterveräußerung) durch Bescheid zunächst von der Grunderwerbsteuer aus. Mit notarieller Urkunde vom . . . 1982 bestellte die Klägerin an einer ca. . . .qm großen Teilfläche des Grundstücks für sich ein Erbbaurecht. Das Erbbaurecht sollte am 31. Dezember 2057 enden; die Veräußerung des Erbbaurechts war nur mit Einwilligung des Grundstückseigentümers zulässig. Als Inhalt des Erbbaurechts war in § 5 der Urkunde niedergelegt, daß der Erbbauberechtigte durch das Erbbaurecht befugt ist, das Erbbaugrundstück mit einem Wohngebäude zu bebauen. Des weiteren war ausgeführt, daß der Erbbauberechtigte sich verpflichtet, auf dem Erbbaugrundstück unter Ausnutzung der baurechtlich höchst zulässigen Bebauung ein Wohngebäude im sozialen oder steuerbegünstigten Wohnungsbau zu errichten.
Anschließend wurde, ebenfalls in notariell beurkundeter Form, zwischen der Klägerin und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts V-Fonds N ein sog. Zuordnungsvertrag geschlossen. Unter Ziffer II. der Urkunde heißt es u.a.: ,,Die V-AG ordnet das in der Verhandlung vom heutigen Tage, UR-Nr.. . .bestellte Erbbaurecht der . . . Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Bezeichnung V-Fonds N als wirtschaftliches Eigentum zu, und zwar innerrechtlich mit Wirkung zum heutigen Tage." Die nähere Ausgestaltung des wirtschaftlichen Eigentums sollte sich aus den allgemeinen Vertragsbedingungen zu V-Fonds in der Fassung vom . . . und den besonderen Vertragsbedingungen vom ... sowie der Ergänzung der besonderen Vertragsbedingungen zum V-Fonds vom . . . ergeben.
Durch vorläufigen Bescheid vom 7. April 1983 erhob das FA für den Erwerb vom 26.Februar 1982 hinsichtlich der Teilfläche die Grunderwerbsteuer gemäß § 10 Abs. 1 Nr.6 GrEStG Berlin nach, weil die Klägerin mit der Bestellung und Zuordnung des Erbbaurechts zu dem V-Fonds N insoweit die Absicht aufgegeben habe, den steuerbegünstigten Zweck i.S. des § 6 Abs. 1 Nr.1 Buchst. d GrEStG Berlin zu erfüllen.
Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Grunderwerbsteuerbescheid vom 7. April 1983 sowie die Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 1984 auf. Das FG kam zu der Auffassung, daß der Klägerin Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Nr.6 Buchst. d GrEStG Berlin zustehe, denn in der wirtschaftlichen Zuordnung des Erbbaurechts auf die Fonds-Gesellschaft am 22.Dezember 1982, die grunderwerbsteuerrechtlich die Übertragung der Verwertungsbefugnis an dem Erbbaurecht gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG Berlin darstelle, liege eine ,,Weiterveräußerung" der Grundstücksteilfläche. Die Bestellung eines Erbbaurechts sei nämlich der Übertragung eines Miteigentumsanteils zumindest gleichzusetzen, denn dadurch werde das Grundstück begrifflich in das bebauungsfähige Erbbaurecht und das nicht mehr bebauungsfähige Grundstück zerlegt, also ein Stück des Eigentums veräußert.
Hiergegen wendet sich die Revision des FA.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Vorentscheidung wird aufgehoben.
Der Senat kann offenlassen, ob die ,,Zuordnung" des Erbbaurechts zu dem V-Fonds N so ausgestaltet ist, daß, wie das FG ohne nähere Prüfung angenommen hat, die Voraussetzungen einer Übertragung der Verwertungsbefugnis an dem Erbbaurecht gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG Berlin erfüllt sind, denn entgegen der Auffassung des FG ist die Übertragung des an dem Grundstück der Klägerin bestellten Erbbaurechts nicht der Veräußerung des Grundstücks selbst gleichzustellen. Das gilt sowohl für die Veräußerung eines Erbbaurechts aufgrund Kaufvertrages mit dinglicher Wirkung durch Einigung und Eintragung im Erbbaugrundbuch (§ 1 Abs. 1 Nr.1, 2 GrEStG Berlin, § 873 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) als auch für die Übertragung der Verwertungsbefugnis gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG Berlin.
Die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Nr.6 Buchst. d GrEStG Berlin setzt Identität des erworbenen und des weiterveräußerten Gegenstandes voraus, denn von der Besteuerung wird ausgenommen ,,der Erwerb eines Grundstück. . . zur Weiterveräußerung ohne Gewinn an einen Erwerber, der auf dem Grundstück. . . ein Wohngebäude errichtet. . .". Diese Identität ist nicht gewahrt, wenn nicht das Grundstück, sondern das an dem Grundstück bestellte Erbbaurecht veräußert wird, auch wenn das Erbbaurecht nach § 2 Abs. 2 Nr.1 GrEStG Berlin den Grundstücken gleichgestellt ist. Denn das Grundstück und das an ihm bestellte Erbbaurecht stehen im Verhältnis des belasteten zum belastenden Gegenstand. Das Erbbaurecht ist ein dingliches Recht an einer fremden Sache, nämlich am Grundstück, das im Eigentum des Bestellers des Erbbaurechts verbleibt (§ 1 Abs. 1 der Verordnung über das Erbbaurecht - ErbbauV -). Dementsprechend gilt das aufgrund des Erbbaurechts errichtete Bauwerk als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts (§ 12 Abs. 1 ErbbauV); die Bestandteile des Erbbaurechts sind nicht zugleich Bestandteile des Grundstücks (§ 12 Abs. 2 ErbbauV).
2. Zutreffend hat das FA danach angenommen, daß die Klägerin durch die Bestellung und die ,,Zuordnung" des Erbbaurechts zu dem Fonds den nach § 6 Abs. 1 Nr.6 Buchst. d GrEStG Berlin begünstigten Zweck vor Ablauf der Verwendungsfrist von fünf Jahren (§ 10 Abs. 1 Nr.3 GrEStG Berlin) aufgegeben hat, weil das erworbene Grundstück nicht mehr zur Weiterveräußerung verwendet werden sollte. Gleichwohl ist die Sache nicht spruchreif, denn es ist offen, ob die Klägerin die durch die Bestellung des Erbbaurechts und dessen ,,Zuordnung" zu dem Fonds aufgegebene Absicht der Weiterveräußerung des Grundstücks zur Bebauung durch den Erwerber innerhalb der Frist des § 10 Abs. 1 Nr.3 GrEStG Berlin wieder aufgenommen hat. In diesem Fall wäre das für die Nacherhebung maßgebende Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Nr.2 der Abgabenordnung (AO 1977) rückwirkend weggefallen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. Juli 1974 II R 3/70, BFHE 113, 134, BStBl II 1974, 691); das wäre als vor der Entscheidung des FG eingetretenes Ereignis im Anfechtungsverfahren zu berücksichtigen. Das FG wird danach zu prüfen haben, ob sich aus der von ihm erwähnten, aber nicht näher dargestellten ,,Erklärung" vom 26.Februar 1987 alleine oder im Zusammenhang mit anderen (auch den früheren) Vereinbarungen eine Weiterveräußerung des Grundstücks i.S. des § 6 Abs. 1 Nr.6 Buchst. d GrEStG Berlin ergibt.
Fundstellen
Haufe-Index 418645 |
BFH/NV 1993, 125 |