Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine aus wirtschaftlichen Gründen gebotene Nutzung im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 EStG liegt auch vor, wenn die Nutzung der notwendigen Kapitalbeschaffung für ein von dem Forstwirt betriebenes gewerbliches Unternehmen dient.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 3, § 34b
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) hatte im Streitjahr Einkünfte aus außerordentlichen Waldnutzungen in Höhe von 120.584 DM. Im Einspruchsverfahren gab der Steuerausschuß seinem Antrage statt, ihm gemäß § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1953 den ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG für diese Einkünfte zu gewähren. Im Berufungsverfahren stellte das Finanzgericht fest, daß der Bg. neben seinem forstwirtschaftlichen Betriebe Gesellschafter der Firmen C. E. KG und C. E. GmbH sei. In dieser Eigenschaft habe er sich mit seinem gesamten land- und forstwirtschaftlichen und sonstigen Vermögen für Bankschulden dieser Firmen verbürgt. Da die Banken einen weiteren Kredit nicht gewähren wollten, habe der Bg. einen Teil des verbürgten Vermögens flüssig machen müssen und deshalb einen Sondereinschlag in seinem forstwirtschaftlichen Betriebe durchgeführt. Den Gewinn aus dieser Waldnutzung habe er in die beiden genannten Firmen eingelegt. Bei diesem Sachverhalt vertrat das Finanzgericht die Auffassung, daß eine aus wirtschaftlichen Gründen gebotene Nutzung im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 EStG 1953 vorgelegen habe, die über die nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen nachhaltig zu erzielenden jährlichen regelmäßigen Nutzungen hinausgegangen sei. Zu den aus wirtschaftlichen Gründen gebotenen Nutzungen seien nicht nur solche zu rechnen, die durch den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb veranlaßt seien. Auch die erforderliche Sanierung eines Gewerbebetriebes gehöre dazu. Diese dem Wortlaut des § 34 Abs. 3 EStG 1953 entsprechende Auslegung widerspreche auch nicht dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Die bereits im EStG 1925 geschaffene Steuervergünstigung diene dem Ausgleich der tariflichen Progression, weil eine solche Waldnutzung den Ertrag nicht eines einzelnen, sondern einer Vielzahl von Jahren darstelle. Nach der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift sei die Beschränkung der Steuervergünstigung auf solche außerordentlichen Waldnutzungen, die durch wirtschaftliche Gründe geboten waren, erfolgt, um zu verhindern, daß Steuerpflichtige lediglich aus steuerlichen Gründen einen vorzeitigen Waldeinschlag vornähmen, durch den die Interessen der Allgemeinheit unter Umständen geschädigt würden. Eine Beschränkung der erforderlichen wirtschaftlichen Gründe auf solche des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes sei auch nicht beabsichtigt gewesen. Es genüge deshalb, wenn die außerordentliche Waldnutzung durch wirtschaftliche Gründe gleich welcher Art veranlaßt worden sei. Auch aus der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. VI A 889/34 vom 29. Januar 1936, Slg. Bd. 39 S. 82, Reichssteuerblatt 1936 S. 752) und des Bundesfinanzhofs (vgl. IV 2/54 U vom 20. Januar 1955, Slg. Bd. 60 S. 192, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 74) könne eine Einengung der wirtschaftlichen Gründe, nach der die Verwendung des aus einem außerordentlichen Holzeinschlag erzielten Gewinnes in einem gewerblichen Betriebe die Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG 1953 ausschlösse, nicht hergeleitet werden. Daß ein dringender gewerblicher Kapitalbedarf vorgelegen habe, sei auch vom Finanzamt ausdrücklich anerkannt worden. Unstreitig sei auch, daß der Bg. und seine Mitgesellschafter über sonstiges leicht verwertbares Vermögen nicht verfügt hätten, aus dem der notwendige Kapitalbedarf der beiden Gesellschaften hätte gedeckt werden können. Es könne auch keinen Unterschied machen, ob der Forstwirt den erhöhten Holzeinschlag zur Deckung des Kapitalbedarfes eines gewerblichen Unternehmens vorgenommen habe, dessen Alleininhaber er sei, oder eines solchen, an dem er als Gesellschafter beteiligt sei. Die wirtschaftlichen Interessen eines Gesellschafters und eines Einzelunternehmers an dem Gedeihen eines Gewerbebetriebes seien gleich. Der Berufung des Vorstehers des Finanzamts, mit der die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 EStG 1953 bestritten worden seien, habe deshalb der Erfolg versagt werden müssen.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) macht der Vorsteher des Finanzamts erneut geltend, die Auslegung des § 34 Abs. 3 EStG durch das Finanzgericht widerspreche dem geltenden Recht. Es komme häufig vor, daß mit einem forstwirtschaftlichen Betriebe eine Landwirtschaft verbunden sei; die Verbindung eines forstwirtschaftlichen Betriebes mit einem gewerblichen sei dagegen selten. Es könne deshalb unterstellt werden, daß der Gesetzgeber bei der Regelung des § 34 Abs. 3 EStG an einen Gewerbebetrieb überhaupt nicht gedacht habe. Dafür spreche auch die Erwägung, daß die Prüfung der Frage, ob in einem Gewerbebetrieb zu einem bestimmten Zeitpunkt ein notwendiger Kapitalbedarf bestanden habe, äußerst schwierig und meist sehr umstritten sei. Die Finanzämter würden dadurch mit einer unzumutbaren Aufgabe belastet, insbesondere, wenn sich der Gewerbebetrieb in einem anderen Finanzamtsbezirk befinde. In den angeführten Urteilen des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs sei ausgeführt, daß eine Nutzung aus wirtschaftlichen Gründen dann geboten sei, wenn der Steuerpflichtige die überhiebe zur Deckung eines Kapitalbedarfs seines forstwirtschaftlichen oder seines gleichzeitig unterhaltenen landwirtschaftlichen Betriebes oder auch seiner Privatwirtschaft ausgeführt habe. Die privatwirtschaftlichen Gründe seien in den Urteilen offenbar nur deshalb erwähnt worden, weil man durch eine erschöpfende Aufzählung der wirtschaftlichen Gründe eine abschließende Regelung habe schaffen wollen; sonst wäre die Erwähnung der privatwirtschaftlichen Gründe überflüssig gewesen. Wenn aber eine abschließende Aufzählung beabsichtigt gewesen sei, so seien damit gewerbliche Gründe als Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung aus überhieben ausgeschlossen.
Entscheidungsgründe
Auch der Rb. des Vorstehers des Finanzamts muß der Erfolg versagt bleiben.
Die Auffassung des Finanzgerichts, daß zu den aus wirtschaftlichen Gründen gebotenen Nutzungen im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 EStG 1953 auch solche zu rechnen seien, die durch einen dem Forstwirt gehörenden Gewerbebetrieb veranlaßt sind, stellt eine zutreffende Auslegung des § 34 Abs. 3 EStG 1953 dar. Nach der Fassung der strittigen Vorschrift sind zunächst auf Grund des Satzes 1 die begünstigten Steuersätze des § 34 Abs. 1 EStG auch auf Einkünfte aus außerordentlichen Waldnutzungen anzuwenden. Nach Satz 2 ist die Steuervergünstigung aber auf solche außerordentlichen Waldnutzungen beschränkt, die durch wirtschaftliche Gründe veranlaßt sind. Eine Beschränkung auf bestimmte wirtschaftliche Gründe ist nicht vorgesehen. Zutreffend hat das Finanzgericht auch auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift im EStG 1925 hingewiesen. Geht man davon aus, daß die Steuervergünstigung dem Ausgleich der tariflich bedingten Progression bei den Einkünften aus Forstwirtschaft dient, so kann eine Beschränkung der Vergünstigung nur aus besonderen, dem Gesetzgeber als notwendig erscheinenden Erwägungen in Betracht kommen. Zutreffend hat das Finanzgericht ausgeführt, daß eine die Progressionswirkung des Tarifes beschränkende Besteuerungsvorschrift nicht zu volkswirtschaftlich ungerechtfertigten und eventuell schädlichen Holzeinschlägen führen dürfe. Der Gesetzgeber hat diesem Gedanken dadurch Rechnung getragen, daß er die steuerliche Begünstigung auf solche überhiebe beschränkte, zu denen der Forstwirt durch einen wirtschaftlich gebotenen Kapitalbedarf veranlaßt wurde. Damit sind überhöhte Holzeinschläge, die lediglich zur Verbesserung der Lebenshaltung des Forstwirts dienen sollen oder die aus den in den Einkommensteuer-Richtlinien 1953 Abschnitt 159 Abs. 3 Ziff. 1 und 2 angeführten Gründen vorgenommen werden, von der Steuerbegünstigung ausgenommen. In allen Fällen aber, in denen wirtschaftliche Gründe, gleich welcher Art, den Forstwirt zu überhöhten Holzeinschlägen veranlaßt haben, muß ihm die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG auf seinen Antrag zugestanden werden. Eine Beschränkung lediglich auf solche Gründe, die sich entweder aus dem Forstbetriebe selbst oder aus einer mit diesem verbundenen Landwirtschaft ergeben, ist nach der gesetzlichen Regelung nicht vertretbar. Auch aus den angeführten Urteilen des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs kann eine solche Beschränkung der wirtschaftlichen Gründe nicht hergeleitet werden. Aus dem Hinweis, daß auch privatwirtschaftliche Gründe des Forstwirts als Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung in Betracht kommen können, darf nicht auf eine abschließende, gewerbliche Gründe ausschließende Regelung geschlossen werden. Als aus wirtschaftlichen Gründen gebotene Nutzungen sind alle Nutzungen anzusehen, die in der objektiven Wirtschaftslage begründet sind, ohne Unterschied, um welche Einkunftsart es sich handelt. Auch wirtschaftliche Gründe, die sich aus einem dem Forstwirt gehörenden Gewerbebetrieb ergeben, sind deshalb wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 EStG (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs IV 552, 556/54 S vom 20. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 131). Wirtschaftlich gebotene Nutzungen können dabei, wie das Finanzgericht bereits zutreffend festgestellt hat, auch dann vorliegen, wenn es sich um einen gewerblichen Betrieb handelt, an dem der Forstwirt lediglich als Gesellschafter beteiligt ist, sofern im Rahmen der gesellschaftlichen Beteiligung die Zuführung von Kapital erforderlich wird, das durch einen erhöhten Holzeinschlag in der Forstwirtschaft des Gesellschafters beschafft werden muß.
Fundstellen
Haufe-Index 409093 |
BStBl III 1958, 295 |
BFHE 1959, 58 |
BFHE 67, 58 |