Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtteilsergänzungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Voraussetzung für den Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB bei der Grundstücksschenkung ist die Umschreibung im Grundbuch.
Normenkette
BGB § 2325 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 24.04.1986) |
LG München I |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. April 1986 aufgehoben, soweit es den ersten Hilfsantrag der Klägerin (Zahlung von 100.000 DM) abweist und über die Kosten des Rechtsstreits entscheidet.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Geschwister. Ihre Mutter verstarb am 7. Mai 1981; der Vater ist im Jahre 1954 vorverstorben und allein von der Mutter beerbt worden. Erben der Mutter sind deren drei Töchter, nämlich die Klägerin, die Beklagte und deren nicht am Verfahren beteiligte Schwester Irmingard zu je einem Drittel. Die Klägerin schloß ihre Schulausbildung mit der mittleren Reife ab und wurde dann weiter als Kindergärtnerin ausgebildet. Der Beklagten finanzierten die Eltern eine höhere Schulbildung bis zum Abitur und ein anschließendes Medizinstudium; sie ist Ärztin mit einer eigenen Praxis.
Die Klägerin behauptet, die Mutter habe keinen nennenswerten Nachlaß hinterlassen. Sie nimmt die Beklagte mit der Klage, soweit sie für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, auf „Pflichtteilsergänzung und Erbausgleichung” in Höhe von 90.000 DM in Anspruch. Dabei stützt sie sich auf den notariellen Überlassungsvertrag vom 17. September 1969, durch den die Mutter der Beklagten ein Anwesen in A. schenkte, das unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes mit einem Wert von 380.000 DM anzusetzen sei. Da das Eigentum erst am 28. Juli 1971 im Grundbuch auf die Beklagte umgeschrieben wurde, hält sie die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB noch nicht für abgelaufen. Wann der Antrag auf die Grundbuchumschreibung beim Grundbuchamt gestellt worden ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf die Übereignung ist im Grundbuch nicht eingetragen worden.
Aus dieser Schenkung errechnet die Klägerin eine Pflichtteilsergänzung von einem Sechstel in Höhe von 63.333 DM. Sie ist der Auffassung, aber mehr beanspruchen zu können, weil eine Erbausgleichung vorzunehmen sei (§§ 2316, 2050–2057a BGB). Hierzu beruft sie sich auf weitere Zuwendungen der Mutter an die Beklagte, und zwar auf eine Waldschenkung im Jahre 1962 (Wert 215.000 DM) und auf das der Beklagten ermöglichte Studium der Medizin (Wert 40.000 DM). Ferner habe sie besondere Leistungen im Sinne von § 2057a BGB erbracht, durch die das Vermögen der Mutter erhalten und vermehrt worden sei und die daher ebenfalls ausgeglichen werden müßten. Dabei handele es sich um die Nutzung des Anwesens der Klägerin in M., U. straße, seit dem Jahre 1934 (Wohnrecht 80.000 DM), um Arbeitsleistungen der Klägerin im elterlichen Haushalt in den Jahren 1930–1935 (Wert 57.000 DM) sowie um häusliche Dienste und die Pflege der Mutter durch die Klägerin in den Jahren 1966–1975 (Wert 54.000 DM).
Landgericht und Oberlandesgericht halten das Begehren der Klägerin für unbegründet. Mit ihrer Revision, soweit sie zur Entscheidung angenommen ist, verfolgt die Klägerin den angeführten Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Oberlandesgericht.
I.
Das Berufungsgericht verneint den eingeklagten Pflichtteilsergänzungsanspruch, weil die Zehn-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB beim Erbfall am 7. Mai 1981 bereits abgelaufen gewesen sei. Die Frist beginne nicht erst mit dem Eintritt des Leistungserfolges, sondern schon dann zu laufen, wenn der Schenker alles getan habe, was von seiner Seite aus für den Erwerb durch den Beschenkten erforderlich sei (so BGH Urteil vom 25.5.1970 – III ZR 141/68 – NJW 1970, 1638). Dies sei hier bereits mit dem 17. September 1969 der Fall gewesen. Der Vertrag enthalte sowohl die Auflassung als auch die Umschreibungsbewilligung und die Eintragungsanträge; die Beklagte habe den Eigentumsübergang sofort nach dem Vertragsabschluß in die Wege leiten können. Damit habe sich die Erblasserin des Grundstücks bereits praktisch entäußert. Daß es zum Eigentumsübergang auch noch der Vorlage der Urkunde beim Grundbuchamt und der Umschreibung im Grundbuch bedurfte, steht dem nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht entgegen. Hinzu komme, daß die Beklagte spätestens seit 1954 Besitzerin des Anwesens sei.
Diese Auffassung stimmt mit der Rechtsprechung des Senats zu § 2325 Abs. 3 BGB nicht überein.
Es ist allerdings richtig, daß der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in der vom Berufungsgericht angeführten Entscheidung die Auffassung zugrunde gelegt hat, für den Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB komme es nicht auf den Eintritt des Leistungserfolges, sondern auf die Zeit der Leistungshandlungen an (vgl. auch BGH Urteil vom 14.7.1971 – III ZR 91/70 – WM 1971, 1338, 1339). Diese Rechtsprechung ist aber inzwischen überholt. Im Schrifttum wurde sie alsbald weithin abgelehnt. Auch der frühere IV. Zivilsenat hat sich von ihr bereits durch Urteil vom 16. Oktober 1974 (IV ZR 85/73 = NJW 1974, 2319) abgesetzt. Der erkennende Senat hat die Auffassung des III. Zivilsenats – nach Erlaß des Berufungsurteils – ausdrücklich aufgegeben (BGHZ 98, 226; ebenso Senatsurteil vom 1.7.1987 – IVa ZR 85/86). Die frühere Linie ließ sich nicht aufrechterhalten, weil sie das Recht der pflichtteilsberechtigten nahen Angehörigen des Erblassers auf angemessene Beteiligung an dessen Vermögen nicht in ausreichendem Maße gewährleistete.
Wann die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB bei der Grundstücksschenkung zu laufen beginnt, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bisher nicht völlig geklärt. Entschieden hat der frühere IV. Zivilsenat durch Urteil vom 16. Oktober 1974 (IV ZR 85/73 = NJW 1974, 2319, 2320), daß die Frist jedenfalls nicht vor der Auflassung beginnt, und zwar selbst dann nicht, wenn der Beschenkte durch eine Auflassungsvormerkung gesichert und außerdem – unter Befreiung von der Vorschrift des § 181 BGB – unwiderruflich bevollmächtigt ist, nach dem Tode des Erblassers für diesen die Auflassung zu erklären und auch sonst alles für die Umschreibung im Grundbuch Erforderliche zu veranlassen. Entschieden hat der Senat ferner am 6. Mai 1987 (Urteil vom 6.5.1987 – IVa ZR 41/86 – WM 1987, 1080, 1346), daß der Beginn der Frist mehr voraussetzt als die Auflassung und die vertraglich geschuldete Besitzüberlassung; dabei ist ausdrücklich offen geblieben, ob dafür Eintragung im Grundbuch oder nur der Eingang des entsprechenden Eintragungsantrages des Erwerbers beim Grundbuchamt nötig ist. Auch diese Frage ist umstritten. Während Staudinger/Ferid/Cieslar (BGB 12. Aufl. § 2325 Rdn. 28) und Behmer (RPfl 1986, 422, 423) die Frist mit der Antragstellung beginnen lassen, will Speckmann (NJW 1978, 358) dafür außerdem auch noch darauf abstellen, ob der Schenker sich des betreffenden Gegenstandes wirtschaftlich endgültig entäußert hat. Demgegenüber verlangen RGRK-Johannsen (BGB 12. Aufl. § 2325 Rdn. 24), Soergel/Dieckmann (BGB 11. Aufl. § 2325 Rdn. 20), MK-Frank (BGB § 2325 Rdn. 24), Paulus (RPfl 1986, 206, 208 und 423) und wohl auch Heckelmann (Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen S. 253 ff., 258) Eintragung im Grundbuch (ebenso OLG Hamm NJW 1969, 2148). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Die gesetzlichen Vorschriften über die Pflichtteilsergänzung sind darauf angelegt, die Pflichtteilsberechtigten davor zu schützen, daß der Erblasser Teile seines Vermögens wegschenkt und das Recht seiner nächsten Angehörigen auf angemessene Beteiligung an seinem Nachlaß auf diese Weise beeinträchtigt. Von diesem Schutz nimmt § 2325 Abs. 3 BGB nur solche Verfügungen des Erblassers aus, durch die der Erblasser mehr als 10 Jahre vor seinem Tode Gegenstände aus seinem Vermögen weggeschenkt hat. Damit ist nicht der schuldrechtliche Schenkungsvertrag (Versprechensschenkung) gemeint, sondern die Verfügung über den verschenkten Gegenstand. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, von welchem Zeitpunkt an der Beschenkte sicher sein kann, beispielsweise das versprochene Grundstück demnächst zu Eigentum zu erlangen, sondern darauf, wann der Schenker es auch wirklich an den Beschenkten vollständig verliert; erst dann kann die Zeit der Eingewöhnung an die Folgen der Schenkung zu laufen beginnen, um die es dem Gesetz mit der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB geht. Spätestens in diesem Zeitpunkt war das Geschenk der Erblasserin hier aus ihrem Vermögen auch wirtschaftlich ausgegliedert (BGHZ 98, 226, 232 f.). Maßgebend ist daher die Zeit der Umschreibung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB). Bei der Schenkung von beweglichen Sachen kommt für den Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB – mangels eines anderen geeigneten Anknüpfungsmoments – ohnehin nur die Vollendung des Eigentumsübergangs in Betracht. Diese klare Lösung hat zudem den Vorzug, daß damit auf denselben Stichtag abgestellt wird, der für die Bewertung gemäß § 2325 Abs. 2 BGB maßgebend (BGHZ 65, 75, 76) und auf den nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch im Anfechtungsrecht abzustellen ist (Urteile vom 9.2.1955 – IV ZR 173/54 – LM AnfG § 3 Nr. 3; 28.6.1966 – VI ZR 253/64 – NJW 1966, 1749; zuletzt Beschluß vom 9.10.1966 – IX ZR 196/85; vgl. auch zum Höferecht: BGH Urteil vom 24.4.1986 – BLw 9/85 – LM HöfeO § 12 Nr. 15 Bl. 1 R oben).
Es mag sein, daß die Bearbeitung von Eintragungsanträgen bei den Gründbuchämtern gelegentlich sehr unterschiedlich lange Zeit in Anspruch nimmt (vgl. Behmer, aaO). Dieser Umstand rechtfertigt es aber nicht, die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB bereits mit dem Eingang des Eintragungsantrags beim Grundbuchamt und also schon beginnen zu lassen, bevor das Grundstück wirklich weggeschenkt ist (vgl. auch § 2329 Abs. 3 BGB). Der besondere Schutz der Interessen der Pflichtteilsberechtigten, dem der Senat unter Berücksichtigung der auch verfassungsrechtlichen Bedeutung dieses Gesichtspunktes (BGHZ 98, 226, 233) stets besondere Beachtung zukommen läßt, steht dem entgegen.
Unter diesen Umständen muß das angefochtene Urteil aufgehoben werden.
II.
Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht zu beachten haben:
1. Ausgleichung gemäß §§ 2050–2057a BGB, wie das Oberlandesgericht sie hier erörtert, kann nicht in Betracht kommen, wenn kein Nachlaß vorhanden war. Diese Vorschriften geben, wie § 2056 Satz 1 BGB zeigt, keinen selbständigen Anspruch auf Herausgabe der Vorempfänge, sie regeln vielmehr nur die Frage, wie ein vorhandener Nachlaß unter die Miterben zu verteilen ist (§ 2042 BGB; vgl. BGHZ 96, 174).
2. Da die Klägerin nicht von der Erbfolge nach ihrer Mutter ausgeschlossen ist, steht ihr auch kein Pflichtteilsanspruch (§ 2303 BGB) zu. Deshalb ist kein Raum für eine Ausgleichung gemäß § 2316 Abs. 1 BGB. Desgleichen kommt ein Pflichtteilsrestanspruch gemäß § 2316 Abs. 2 BGB ohne Nachlaß nicht in Betracht.
3. Pflichtteilsergänzung wegen der Waldschenkung an die Beklagte gemäß § 2329 BGB kann die Klägerin nicht verlangen. Dem steht § 2325 Abs. 3 BGB entgegen; der Fristablauf steht hier, wie das Berufungsgericht zutreffend sagt, außer Frage.
4. Zu berücksichtigen sind die von der Klägerin geltend gemachten Posten jedoch im Rahmen der Pflichtteilsergänzung wegen der Schenkung aufgrund des Vertrages vom 17. September 1969; dabei wird auch auf die übergangenen Kosten für das Studium der Beklagten einzugehen sein.
Bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs sind die in dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 15. März 1965 (III ZR 108/63 = LM BGB § 2325 Nr. 5) entwickelten Grundsätze zugrunde zu legen. Demgemäß ist zunächst der Wert des (fiktiven) Erbteils der Klägerin zu ermitteln, der sich dann ergibt, wenn das Hofanwesen dem Nachlaß hinzugerechnet wird. Sollte es dabei bleiben (dazu vgl. unten 5.), daß der Wert des Nachlasses mit Null anzusetzen ist, und betrüge der Wert des Hofanwesens an dem maßgebenden Stichtag unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes – wie behauptet – 380.000 DM, dann wäre dieser Betrag, wenn keine Ausgleichung stattzufinden hätte, rechnerisch auf die drei Kinder der Erblasserin aufzuteilen; der Pflichtteil betrüge davon die Hälfte. Bei der Berechnung der Pflichtteilsergänzung für die Klägerin ist davon auszugehen, daß gemäß § 2316 BGB in Verbindung mit §§ 2050, 2055 BGB Vorempfänge der Beklagten gegebenenfalls der Ausgleichung unterliegen und demgemäß – wie die Schenkung des Hofanwesens – dem Nachlaß hinzuzurechnen sind. Wären bei der Ausgleichung die Waldschenkung mit 215.000 DM und das Studium mit 40.000 DM anzusetzen, was das Berufungsgericht zu prüfen haben wird, dann wären diese Beträge zum fiktiven Nachlaß (380.000 DM) hinzuzurechnen und die Summa durch drei zu teilen. Das Ergebnis (211.667 DM) wäre kleiner als die Vorempfänge der Beklagten (255.000 DM), so daß § 2056 BGB eingriffe. Das hätte zur Folge, daß der Wert des Hofanwesens (angenommen 380.000 DM) allein an die Klägerin und an die nicht am Verfahren beteiligte Schwester Irmingard zu verteilen wäre. Auch dabei wäre gegebenenfalls eine rechnerische Ausgleichung nötig. Soweit die Voraussetzungen des § 2057a BGB vorliegen, wäre der Wert des fiktiven Nachlasses um die etwa begründeten Posten (beansprucht werden 80.000 DM für das Wohnrecht der Eltern, 57.000 DM für Haushaltsführung und 54.000 DM für Pflege), d.h. um (angenommen) 191.000 DM zu kürzen auf 189.000 DM (§ 2057a Abs. 4 Satz 2 BGB). Davon die Hälfte (94.500 DM) entspräche dem Erbteil von Irmingard; dazu kämen gemäß § 2057a Abs. 4 Satz 1 BGB für die Klägerin 191.000 DM wieder hinzu, so daß sich für diese ein (fiktiver) Erbteil von 285.500 DM oder eine Pflichtteilsergänzung von 142.750 DM ergäbe. Eine Aufteilung des jetzt noch eingeklagten einheitlichen Anspruchs gemäß § 2329 BGB auf Zahlung von 90.000 DM auf verschiedene Posten ist nicht angebracht.
5. Sollte der Nachlaß allerdings, wie die Beklagte behauptet, aktiv gewesen sein, dann muß sich das im Hinblick auf § 2326 BGB zugunsten der Beklagten auswirken, weil der Klägerin insoweit mehr als die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils hinterlassen wäre. Diesen Gesichtspunkt und auch die Besonderheiten bei der Antragstellung in den Fällen des § 2329 BGB (BGHZ 85, 274, 282) wird das Berufungsgericht mit den Parteien zu erörtern haben.
Unterschriften
Dr. Hoegen, Dr. Schmidt-Kessel, Dr. Zopfs, Dr. Ritter, Dr. v. Ungern-Sternberg
Fundstellen
Haufe-Index 1128841 |
BGHZ |
BGHZ, 289 |
NJW 1988, 821 |
FamRZ 1988, 280 |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1988, 441 |