Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensfehler. Darlegung. Form. Sachaufklärungspflicht. Beweisantrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur formgerechten Bezeichnung eines Verfahrensfehlers müssen die tatsächlichen Umstände, die den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann.
2. Ein Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 S. 1 SGG gestützt werden.
3. Die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG ist nur statthaft, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Normenkette
SGG §§ 62, 73a Abs. 1 S. 1, §§ 103, 109, 28 Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, § 160a Abs. 2 S. 3; ZPO § 114 Abs. 1, § 121 Abs. 1
Verfahrensgang
LSG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 13.07.2016; Aktenzeichen L 4 R 84/12) |
SG Stralsund (Aktenzeichen S 2 R 433/10) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 13. Juli 2016 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. aus S. zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorstehend genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Das LSG Mecklenburg-Vorpommern hat im Urteil vom 13.7.2016 einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung - auch bei Berufsunfähigkeit - verneint. Der Kläger, dem als angelernter Arbeiter im unteren Bereich kein Berufsschutz zukomme, sei nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten unter Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen arbeitstäglich sechs Stunden oder mehr zu verrichten.
Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten LSG-Urteil einen Verfahrensmangel sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Zugleich beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. aus S.
II
1. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 ZPO). Denn die bereits von einem Rechtsanwalt erhobene und begründete Nichtzulassungsbeschwerde erfüllt die insoweit zu beachtenden formellen Voraussetzungen nicht (dazu näher unter 2.). Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 121 Abs 1 ZPO).
2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung seines Prozessbevollmächtigten vom 7.11.2016 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, da in ihr weder die grundsätzliche Bedeutung hinreichend dargelegt noch ein Verfahrensmangel in der erforderlichen Weise bezeichnet ist (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).
a) Zur formgerechten Bezeichnung eines Verfahrensfehlers müssen die tatsächlichen Umstände, die den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 202 ff). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).
Das Vorbringen des Klägers wird den genannten Anforderungen nicht gerecht. Er rügt, das LSG hätte im Hinblick auf ein von ihm im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegtes Gutachten aus einem Schwerbehindertenverfahren eine Vertagung des Rechtsstreits vornehmen müssen. Zudem habe sich das Berufungsgericht über den Amtsermittlungsgrundsatz hinweggesetzt. Damit hat er das Vorliegen eines Verfahrensmangels aber nicht schlüssig aufgezeigt.
Soweit der Kläger die unterbliebene Vertagung des Rechtsstreits beanstandet, macht er selbst nicht geltend, er habe zu in der mündlichen Verhandlung erstmals aufgeworfenen Fragen nicht sachgerecht Stellung nehmen können und deshalb sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) verletzt. Vielmehr stellt er allein darauf ab, dass der LSG-Senat "im Grunde genommen keine Zeit hatte", sich mit dem im Termin vorgelegten Gutachten eingehend auseinanderzusetzen. Damit rügt er in der Sache eine Gehörsverletzung im Hinblick darauf, dass das LSG ein von ihm präsentiertes Beweismittel nicht hinreichend erwogen habe. Besondere Umstände, aus denen sich ergibt, dass der LSG-Senat das ihm vorgelegte Gutachten des Prof. Dr. F. überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung jedenfalls nicht in Erwägung gezogen hat, zeigt er jedoch nicht auf. Insbesondere stellt der Kläger nicht dar, ob und gegebenenfalls wie das Gutachten des Prof. Dr. F. im schriftlichen Urteil des LSG gewürdigt wurde (vgl S 8 und 10 des LSG-Urteils).
Der Kläger hat aber auch eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) nicht ausreichend dargetan. Insoweit rügt er, das LSG habe die Ergebnisse einer bevorstehenden Untersuchung des Klägers im Universitätsklinikum G. nicht abgewartet. Doch fehlt es bereits an der Wiedergabe eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags, den er bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu Protokoll aufrechterhalten hat oder der im Urteil des LSG wiedergegeben ist (s hierzu BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Überdies legt der Kläger nicht näher dar, inwiefern die von ihm angefochtene Entscheidung des LSG auf der unterlassenen weiteren Beweiserhebung beruhen kann. Die bloße Behauptung, dass die Entscheidung auf einem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhe, ist nicht ausreichend.
b) Zu dem Vorbringen, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung (vgl § 160 Abs 2 Nr 1 SGG), enthält die Beschwerdebegründung keine weitergehenden Ausführungen. Damit werden auch die Anforderungen an die Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes (s hierzu zB BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 4 mwN) verfehlt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10448930 |