Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) bei Gericht. Keine Vollziehbarkeit von Verwaltungsakten, die sich in einer Negation erschöpfen. Umdeutung eines Antrags auf AdV in einen Antrag auf einstweilige Anordnung. Einkommensverwendung durch Pfändung von Bankguthaben
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein beim Finanzgericht gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) wird nicht dadurch zulässig, dass das Finanzamt den bei ihm gestellten AdV-Antrag später ablehnend bescheidet.
2. "Vollstreckung drohen" i.S. von § 69 Abs.4 S.2 Nr.2 FGO heißt, dass die Vollstreckung tatsächlich (objektiv) droht. Die subjektive Vorstellung des Steuerpflichtigen, dass Vollstreckung drohen könnte, reicht nicht aus.
3. Die Entscheidung des Finanzamts über einen Antrag auf AdV innerhalb eines Monats ist durchaus noch als eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist i.S. des § 69 Abs.4 S.2 Nr.1 zu bezeichnen.
4. Da sich ein Bescheid, mit dem das Finanzamt die Herabsetzung von bestandskräftig festgesetzten Vorauszahlungen ablehnt, in einer reinen Negation erschöpft, ist er nicht vollziehbar. Deshalb kann vorläufiger Rechtsschutz gegen diesen Bescheid nicht in der Form der AdV, sondern allenfalls durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gewährt werden.
5. Der von einem Prozessbevollmächtigten (Steuerberater) ausdrücklich gestellte Antrag auf AdV kann nicht in einen Antrag auf einstweilige Anordnung umgedeutet werden.
6. Die Pfändung eines Guthabens auf einem Bankkonto durch das Finanzamt wegen rückständiger Einkommensteuer hat auf den früheren Zufluss von Betriebseinnahmen (Honorarzahlungen) keine Auswirkungen. Die Kontenpfändung steht dem Zufluss weder entgegen noch vermag sie einen solchen rückgängig zu machen. Der auf diese Weise entstehende Geldabfluss stellt eine einkommensteuerlich irrelevante Einkommensverwendung dar.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 4 Sätze 1, 2 Nrn. 2, 1, Abs. 3 S. 2; EStG 1990 § 11
Tatbestand
Der Antragsteller (Ast) ist ... Seit dem 1. Januar 1995 betreibt er in der ... in ... eine ... An dieser war zunächst noch die Mutter des Ast, Frau ... beteiligt, die bis zum 31. Dezember 1994 Alleininhaberin der Praxis gewesen war. Am 14. Dezember 1999 erließ der Antragsgegner (Ag) gegen den Ast einen Einkommensteuer (ESt)-Änderungsbescheid für das Jahr 1995 sowie erstmalige ESt-Bescheide für die Jahre 1996 und 1997. Mit den Steuerfestsetzungen in den genannten Bescheiden war jeweils die Aufforderung verbunden, den nach Abzug bereits geleisteter Tilgungen verbleibenden Betrag spätestens am 17. Januar 2000 zu zahlen. Mit Schreiben vom 3. Januar 2000, das ausweislich des Eingangsstempels am 4. Januar 2000 beim Ag einging, legte der Ast gegen die genannten ESt-Bescheide für die Jahre 1995 bis 1997 und "gegen den Vorauszahlungsbescheid 2000 ff." Einspruch ein und beantragte gleichzeitig, die Vollziehung der angefochtenen Bescheide auszusetzen.
Bereits mit Bescheiden vom 24. März 1997 und 23. September 1997 hatte der Ag ESt-Vorauszahlungen u.a. für die Jahre 1998 ff. festgesetzt. Gegen die genannten Vorauszahlungsbescheide waren innerhalb der Frist des § 355 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) keine Einsprüche eingelegt worden.
Mit Verfügung vom 18. Mai 1999 pfändete das Kassen- und Vollstreckungsfinanzamt ... wegen Steuerforderungen des Ag gegen die Mutter des Ast deren Ansprüche aus einem für den Ast und seine Mutter bei der ... unter der Kontonummer ... als Oder-Konto geführten Girokonto. Der Ast trug daraufhin in einem Schreiben vom 11. Juli 1999 an das Vollstreckungsfinanzamt ... vor, das auf dem gepfändeten Konto vorhandene Guthaben sei ausschließlich von ihm erarbeitet worden. Seine Mutter halte sich seit Juni 1996 im Ausland auf und könne wegen eines gegen sie ergangenen Haftbefehls nicht mehr behandeln. Da das Finanzamt (FA) einen ihm -- dem Ast -- zustehenden Anspruch auf die auf dem Konto bei der ... vorhandenen Gelder verneine, stehe für das FA fest, daß er -- der Ast -- "in 1999 kein Einkommen erziele". Damit sei nicht nur eine erfolgte Mahnung betreffend die ESt-Vorauszahlung zum 10. Juni 1999 rechtswidrig, vielmehr stelle auch das Einbehalten seiner ESt-Vorauszahlung zum 10. März 1999 eine schwere Amtspflichtverletzung dar. Er fordere das FA deshalb auf, die ESt-Vorauszahlung zum 10. März 1999 "nebst 1% Zinsen für jeden angebrochenen Monat" zurückzuerstatten. Obgleich bis zur Stunde weder die von seiner Mutter noch die von ihm bzw. seinem Steuerberater eingelegten Einsprüche bearbeitet worden seien, lege er "gegen die erhobenen Steuervorauszahlungen" Einspruch ein und beantrage vorsorglich Aussetzung der Vollziehung (AdV). Der Ag interpretierte das Schreiben des Ast vom 11. Juli 1999 als Antrag auf Herabsetzung der ESt-Vorauszahlungen für das Jahr 1999 und lehnte mit Bescheid vom 6. September 1999 sowohl eine Herabsetzung der Vorauszahlungen als auch eine AdV ab. Mit Schreiben vom 26. September 1999 legte der Ast daraufhin gegen die Ablehnung einer Herabsetzung der Vorauszahlungen und die...