Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Aufhebung der Vollstreckung von Säumniszuschlägen infolge der streitigen Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Höhe von Säumniszuschlägen. statthafte Geltendmachung des Erlöschens von Umsatzsteuerforderungen im Zusammenhang mit Bauträgerfällen nicht im Verfahren der Aufhebung der Vollziehung von diesbezüglichen Vollstreckungsmaßnahmen, sondern durch Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird wegen rückständiger Umsatzsteuern und Säumniszuschlägen vollstreckt und beantragt die Unternehmerin die Aufhebung der Vollziehung von im Vollstreckungsverfahren ergangenen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, so kann in diesem Verfahren die Rechtmäßigkeit der Säumniszuschläge nicht überprüft werden. Wegen der Säumniszuschläge im Sinne von § 240 AO könnte die Unternehmerin lediglich bei der Finanzbehörde den Erlass eines Abrechnungsbescheides (§ 218 Abs. 2 AO) beantragen; in diesem Verfahren müsste sich die Finanzbehörde auch mit dem Beschluss BFH, Beschluss v. 14.4.2020, VII B 53/19, BFH/NV 2021 S. 177 auseinandersetzen, wonach die Finanzgerichte im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Höhe der Säumniszuschläge für die Zeit nach dem 31.12.2009 stets die Revision gegen ihr Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zulassen sollen.
2. Einwendungen dahingehend, dass die streitgegenständlichen Umsatzsteuerforderungen des Fiskus aufgrund von Forderungsabtretungen seitens der Unternehmerin im Zusammenhang mit sogenannten Bauträgerfällen ganz oder teilweise erloschen seien, können nur außerhalb des Vollstreckungsverfahrens ebenfalls in einem Abrechnungsverfahren (§ 218 Abs. 2 AO) geltend gemacht werden (vgl. FG München, Urteil v. 1.10.2012, 7 K 3862/10).
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; AO §§ 47, 218 Abs. 1-2, § 238 Abs. 1 S. 1, § 240 Abs. 1 S. 1, § 254 Abs. 1, 2 S. 2, §§ 256, 257 Nr. 3, §§ 309, 314; UStG § 13b
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Tatbestand
I.
Die Prozessbeteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von insgesamt sieben Pfändungs- und Einziehungsverfügungen des Antragsgegners vom 16. Dezember 2019.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Unternehmensgegenstand ist die „Gebäuderevitalisierung”. Zum 17. Oktober 2016 verlegte die Antragstellerin ihre Betriebsstätte von C…, B…-straße nach D… und somit in den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners.
Nach Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für das Streitjahr 2012 durch das Finanzamt E… sowie einer Außenprüfung durch das Finanzamt F… setzte das letztgenannte Finanzamt mittels Bescheiden vom 7. Juni 2016 u. a. folgende Abgabenverbindlichkeiten gegenüber der Antragstellerin fest, die jeweils zum 11. Juli 2016 fällig waren (Bl. 86 ff. der Akte 9 K 9011/20):
Zinsen zur Umsatzsteuer 2012: |
2 968,00 EUR |
Nachzahlungsbetrag: |
2 801,00 EUR |
Umsatzsteuer 2013: |
25 472,01 EUR |
Nachzahlungsbetrag: |
63 631,92 EUR |
Zinsen zur Umsatzsteuer 2013: |
4 452,00 EUR |
Nachzahlungsbetrag: |
4 452,00 EUR |
Umsatzsteuer 2014: |
5 594,32 EUR |
Nachzahlungsbetrag: |
29 188,18 EUR |
Zinsen zur Umsatzsteuer 2014: |
291,00 EUR |
Nachzahlungsbetrag: |
291,00 EUR |
Die Antragstellerin legte gegen die Steuerfestsetzungen fristgerecht Einsprüche ein, die jedoch nur hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzung 2012 teilweise erfolgreich waren und zu einer Minderung der Umsatzsteuer um 7 748,92 EUR führte. Entsprechend wurden auch die Zinsen zur Umsatzsteuer 2012 auf nunmehr 1 793,00 EUR reduziert. Mittels dreier Einspruchsentscheidungen vom 20. August 2019 wurden die weitergehenden Einsprüche der Antragstellerin vom Antragsgegner als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 217 ff. VO-Akte).
Mit Schreiben vom 23. August 2017 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin erneut zur Tilgung der vorgenannten Abgabenverbindlichkeiten auf. Bestandteil der Zahlungsaufforderung waren auch die von der Antragstellerin bis dato verwirkten Säumniszuschläge zu den rückständigen Abgabenverbindlichkeiten (Bl. 131/132 VO-Akte). Die Antragstellerin wies die Zahlungsaufforderung mit Schreiben vom 25. August 2017 als unberechtigt zurück (Bl. 139 VO-Akte).
Einsprüche der Antragstellerin gegen die Bescheide betr. Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen durch den Antragsgegner vom 10. September 2018 für die vier Quartale des Jahres 2016 wurden von diesem durch Einspruchsentscheidung vom 13. November 2018 als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 212 ff. VO-Akte). Am 8. Oktober 2018 mahnte der Antragsgegner die Tilgung der betreffenden Abgabenverbindlichkeiten bei der Antragstellerin schriftlich an (Bl. 149 VO-Akte).
Am 5. Februar 2019 übermittelte die Antragstellerin dem Antragsgegner auf elektronischem Wege ihre ohne Mitwirkung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellte Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2018. Diese weist einen Erstattungsanspruch in Höhe von 78 849,69 EUR aus. Der Antragsgegner hat dieser Steueranmeldung bislang nicht zugestim...