Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhältnismäßigkeit der Strafbetragsregelung der Milchmengen-Garantie-Verordnung bei unverschuldeter und geringfügig verspäteter Mitteilung über Erzeuger-Abrechnungen
Leitsatz (redaktionell)
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Verstößt die Strafbetragsregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 09. März 1993 (ABl. EG Nr. L 57, Seite 12) in der Fassung aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1001/98 der Kommission vom 13. Mai 1998 (ABl. EG Nr. L 142, Seite 22) in Fällen, in denen nur eine geringfügige Fristüberschreitung vorliegt, die zudem noch unverschuldet herbeigeführt worden ist, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit?
Normenkette
EWGV 536/93; EGV 1001/98 Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2; MGV § 11 Abs. 3; EGVtr Art. 234
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine Privatmolkerei. Mit Schreiben vom 10. April 2000 übersandte ihr der Beklagte Vordrucke für die Mitteilung nach § 11 Abs. 3 der Milchmengen-Garantie-Verordnung (MGV) bezüglich des Zwölfmonatszeitraums 1999/2000 und bat darum, diese bis zum 14. Mai 2000 zu übersenden; anderenfalls sei ein Strafbetrag zu zahlen.
Ausweislich des Eingangstempels des Beklagten ging die Mitteilung der Klägerin vom 11. Mai 2000 am 16. Mai 2000 bei ihm ein.
Mit Bescheid vom 29. Mai 2000 setzte der Beklagte unter Bezugnahme auf Artikel 3 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 wegen verspäteter Vorlage der Mitteilung einen Strafbetrag in Höhe von 39.311,60 DM gegen die Klägerin fest. Zur Begründung führte er aus, dass durch die Nichteinhaltung der Abgabefrist ein Strafbetrag zu erheben sei, der der Abgabe für den vom-Hundert-Satz der im betreffenden Zwölfmonatszeitraum dem Abnehmer/Käufer tatsächlich angelieferten Menge um 0,1 % entspreche. Dieser Strafbetrag dürfe 500 ECU nicht unter- und 20.000 ECU nicht überschreiten. Davon ausgehend ergebe sich aus den Angaben der Klägerin zur angelieferten Milchmenge ein Betrag in Höhe von 55.985,36 DM, der wegen des Höchstbetrags von 20.000 ECU (Umrechnungskurs 1,95583) zu einem Strafbetrag in Höhe von 39.311,60 DM führe.
Mit Schreiben vom 07. bzw. 08. Juni 2000 legte die Klägerin dagegen Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führte sie aus, dass sie die Mitteilung nach § 11 Abs. 3 MGV bereits am 11. Mai 2000 zur Post gegeben habe. Üblicherweise gehe die bei der Hauptpost X eingelieferte Post am nächsten, spätestens am übernächsten Tag beim Empfänger ein. Man habe daher, wie auch in der Vergangenheit, davon ausgehen können, dass die Mitteilung fristgerecht eingehen würde, so dass sie die Verspätung nicht zu vertreten habe.
Mit Bescheid vom 14. Juni 2000 lehnte der Beklagte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.
Dagegen begehrte die Klägerin zunächst Aussetzung der Vollziehung im Verfahren 4 V 4136/00 A (Z) Finanzgericht Düsseldorf. Nach Hinweis auf den Vorlagebeschluss des Finanzgerichts München vom 17. September 1997 - 3 K 2566/97 - (juris dok. STRE 977147270) und die hierzu ergangene Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 06. Juli 2000 - C-356/97 - (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern - ZfZ - 2000, Seite 335 ff.) zu Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 09. März 1993 hob der Beklagte mit Bescheid vom 11. August 2000 unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs die Vollziehung des Strafbetragsbescheids bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auf. Gleichzeitig veranlasste er die Rückzahlung des Strafbetrags. Daraufhin erklärten die Beteiligten das Verfahren 4 V 4136/00 A (Z) in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt.
Mit Einspruchsentscheidung vom 09. Juli 2001 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung aus: Die Aufstellung für den Zwölfmonatszeitraum 1999/2000 sei erst am 16. Mai 2000 eingegangen, so dass der Strafbetrag für eine Terminsüberschreitung nach dem 15. Mai, aber vor dem 01. Juni 2000 verwirkt worden sei. Zwar weise die Klägerin darauf hin, dass die vorgeschriebene Mitteilung rechtzeitig (am 11. Mai 2000) auf den Postweg gegeben worden sei. Der Einwand, das Verschulden an dem verspäteten Eingang der Mitteilung treffe nicht sie, sondern ausschließlich die mit der Beförderung beauftragte Post, könne die Klägerin allerdings nicht entlasten. Nach allgemeiner Rechtsauffassung müsse die Klägerin das Verschulden eines für sie handelnden Dritten gegen sich gelten lassen. Es bleibe ihr jedoch unbenommen, wegen des entstandenen Schadens die Post in Anspruch zu nehmen. Wegen der Bedeutung der einzureichenden Meldung sei es der Klägerin auch zuzumuten gewesen, sich rechtzeitig (zum Beispiel am Freitag, dem 12. Mai 2000) telefonisch bei ihm (dem Beklagten) zu erkundigen, ob die Mitteilung auch tatsächlich eingegangen sei. Dies sei jedoch nicht geschehen. Damit habe die Klägerin die Möglichkeit versäumt, durch eine Neuausf...