Entscheidungsstichwort (Thema)
Finanzgerichtsordnung: Anforderungen an die Substantiierungspflicht im Rahmen von § 56 FGO
Leitsatz (amtlich)
Bei Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist eine vollständige Darstellung der Ereignisse, die zur Fristversäumung geführt haben und die unverschuldete Säumnis belegen sollen erforderlich, soweit sie nicht gerichtsbekannt oder offenkundig sind. Nach Ablauf der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 FGO können Wiedereinsetzungsgründe nicht mehr nachgeschoben werden. Lediglich unklare oder unvollständige Angaben können erläutert oder ergänzt werden; dies jedoch nur dann, wenn innerhalb der Frist der Kern der Wiedereinsetzungsgründe bereits schlüssig vorgetragen worden ist.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 2
Tatbestand
Die Beteiligen streiten darüber, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Klagefrist zusteht und materiell um die Frage, ob der Beklagte zu Recht aufgrund eines Steuerfahndungsberichts den Einkommensteuerbescheid 1995 geändert und den Umsatzsteuerbescheid 1995 erlassen hat.
Der Kläger hat am 19. April 1996 seine Einkommensteuererklärung (ESt-Erklärung) für 1995 abgegeben. In der ESt-Erklärung erklärte der Kläger 19.523 DM als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gab er nicht an (EStA Bd. 2 Bl. 1ff). Am 13. Juni 1996 erging der den Erklärungen folgende ESt-Bescheid für 1995 (EStA Bd. II Bl. 11ff).
Die Steuerfahndungsstelle stellte laut Steuerfahndungsbericht vom 12. Februar 1999 (EStA Bd. II Bl. 25ff) fest, dass der Kläger im 1. Halbjahr 1995 in der Baunebenbranche als Unternehmer selbstständig gewerblich tätig gewesen ist. Nach diesem Bericht soll der Kläger unter der Firmenbezeichnung "...(B) Bauausführungen" Aufträge für die Firma "...(Bau)" aus A ausgeführt und abgerechnet haben und danach einen Gewinn in Höhe von 15.174 DM erzielt haben. Hierdurch soll sich eine Zahllast bei der USt in Höhe von 9.104 DM ergeben haben.
Eine Umsatzsteuererklärung (USt-Erklärung) für 1995 hatte der Kläger nicht abgegeben. Auf Grund der von der Steuerfahndung ermittelten Zahlen erging am 27. März 2001 ein Umsatzsteuerbescheid, der eine Zahllast von 9.104 DM auswies (USt-Vorgänge Bl. 1ff).
Der Beklagte erließ ebenfalls am 27. März 2001 einen geänderten Bescheid für die ESt 1995. Im Rahmen dieses Bescheides wurde neben den bereits vorher berücksichtigten 19.523 DM aus nichtselbständiger Arbeit ein Betrag von 15.174 DM als Einkünfte aus Gewerbebetrieb berücksichtigt. In der Anlage zum geänderten Bescheid für 1995 (Bl. 40 der ESt-Akte Band 2) wurde darauf hingewiesen, dass dieser Bescheid den Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle entspreche.
Am 18. April 2001 legte der Kläger gegen den geänderten ESt-Bescheid und den neuen USt-Bescheid Einspruch ein (Rb-Vorgänge Bl. 1).
Am 08. April 2002 teilte die Bußgeld- und Strafsachenstelle dem Beklagten mit, dass das Steuerstrafverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gem. § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, weil die in diesem Verfahren zu erwartende Strafe im Verhältnis zu der durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 12. März 1998 verhängten und bereits gezahlten Geldstrafe nicht beträchtlich ins Gewicht fallen würde. Der Kläger war in diesem strafrechtlichen Verfahren wegen Steuerhinterziehungen im Jahr 1992 verurteilt worden, da er die als Subunternehmer erhaltenen Einkünfte nicht als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit versteuert hatte (EStA Bd. II Bl. 75).
Durch Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2002 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte wies in der Begründung darauf hin, dass er davon ausgegangen sei, dass die Ermittlungen der Steuerfahndung den Tatsachen entsprechen würden, die auch das Amtsgericht der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung des Klägers zugrunde gelegt habe (Rb-Vorgänge Bl. 4ff).
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben (FGA Bl. 2). Sein Fax ist am 10. September 2002 beim Finanzamt Hamburg-... eingegangen. Dieses Fax ist handschriftlich geschrieben und trägt als handschriftliches Datum "12.8.2002". Die Klage enthält folgende Begründung:
"Ihr Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2002 ist unbegründet. Da ich vom 10. Juli 2002 in Urlaub in Kuba war, und erst kürzlich zurückkam, ist es mir jetzt erst möglich gegen die Einspruchsentscheidung Klage zu erheben. Wenn sie die Klage bestätigen werde ich mit einem Steueranwalt gegen das Finanzamt-... klagemäßig vorgehen. Hochachtungsvoll gez. ...(Kläger)."
Am 24. Oktober 2002 faxte der Kläger nach Aufforderung zur Klagebegründung ein ebenfalls am 24. Oktober 2002 datiertes Schreiben an das Finanzgericht. Dieses enthält insbesondere folgende Passage:
"Wiedereinsetzung in den alten Stand mit dem Zweck Neuverhandlung der Steuerangelegenheit Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) aus 1994/1995 des sogenannten "Baugeschäft ...(Kläger)". Da Zeugenaussagen die geladen werden müssen meine Unschuld beweisen würde und ich zu Unrecht in dieser Sache verurteilt bin (Neuerkennt...