Rz. 65a
Bevor ein Aufhebungsbescheid nach § 48 zu Ungunsten des Leistungsempfängers ergeht, muss der Betroffene angehört werden (§ 24 Abs. 1). Hat die Behörde jedoch nach ihrer Vorstellung einen Bescheid nach § 44 erlassen, so ist diese Vorstellung maßgeblich mit der Konsequenz, dass kein Anhörungsfehler vorliegt, wenn die Behörde die Anhörung unterlässt. Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid richtigerweise auf § 48 hätte gestützt werden müssen (BSG, Beschluss v. 10.8.2010, B 13 R 140/10 B). Die falsche Wortwahl "Rücknahme" statt "Aufhebung" stellt keinen Verfahrensfehler dar, der eine Aufhebung rechtfertigt (Bay. LSG, Urteil v. 21.11.2014, L 8 SO 5/14). Aufgehoben werden kann nach Auffassung des LSG Sachsen-Anhalt nur ein bestimmter Bescheid, nicht eine Leistung für einen bestimmten Zeitraum (Urteil v. 12.5.2016, L 3 R 157/15). Hebe die Behörde daher nicht den maßgeblichen Bewilligungsbescheid auf, der Anknüpfungspunkt für die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse gewesen sei, bleibe ein Leistungsanspruch auf der Grundlage des bestandskräftig gewordenen Bewilligungsbescheides bestehen.
Rz. 65b
Von der Abänderung eines noch geltenden VA mit Dauerwirkung kann nicht ausgegangen werden, wenn die Behörde eine Neufestsetzung vorgenommen hat, ohne frühere Bescheide zu erwähnen und auch nicht auf § 48 als Rechtsgrundlage für die Abänderung hingewiesen hat (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 20.4.2010, L 11 KR 5160/08). Auch die Annahme einer konkludenten Abänderung nach § 48 kommt dann nicht in Betracht (LSG Baden-Württemberg, a. a. O.).
Rz. 65c
Zur Besonderheiten bei der Beweislastverteilung hinsichtlich des Eintritts einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Schwerbehindertenrecht vgl. Rz. 2a. Liegt bei der Aufhebung von Leistungen nach dem SGB II die Ursache für die fehlende Aufklärbarkeit einer entscheidungserheblichen Tatsache in der Sphäre des Leistumgsempfängers, kann es zu einer Umkehr der (objektiven) Beweislast kommen, die an sich bei belastenden VA bei der aufhebenden Behörde angesiedelt ist. Zu einer Verschiebung der Beweislast auf den Leistungsempfänger nach dem SGB II kann es bei Gewinnen aus Glücksspiel kommen, wenn sich solche Einnahmen der Höhe nach nicht mehr sicher feststellen lassen und auch nicht auf einer realistischen Grundlage geschätzt werden können (BSG, Urteil v. 15.6.2016, B 4 AS 41/15 R).
Rz. 65d
Zur Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die gerichtliche Beurteilung auch bei Prognoseentscheidungen vgl. Stölting/Greiser, SGb. 2015 S. 135.