Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Beitragspflicht als Rentenantragsteller. keine Befreiung während Zeiten der Inhaftierung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Keine Befreiung von der Beitragspflicht als Rentenantragsteller in der gesetzlichen Krankenversicherung während der Zeit der Inhaftierung.
Orientierungssatz
Das Bestehen der Beitragspflicht verstößt insbesondere nicht gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art 14 Abs 1 GG) und verletzt auch nicht wegen seiner Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit das Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG (vgl ua BSG vom 23.6.1994 - 12 RK 25/94 = SozR 3-2500 § 243 Nr 3).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 30. August 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Beitragspflicht während der Zeit der Inhaftierung des Klägers vom 24. Oktober 2003 bis 19. März 2004 streitig.
Der 1948 geborene Kläger stammt aus der früheren Sowjetunion und ist im Juli 1989 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt, wo er als Vertriebener anerkannt wurde. Am 6. November 2002 stellte er bei der Bundesknappschaft einen Antrag auf Versichertenrente. Mit Bescheid vom 25. November 2004 wurde ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend ab 1. Juni 2004 bewilligt.
Durch die Rentenantragstellung war der Kläger in der Zeit vom 27. Januar 2003 bis 5. Februar 2003, vom 1. April 2003 bis 10. April 2003 und vom 1. August 2003 bis 19. März 2004 als Rentenantragsteller gesetzlich krankenversichert. In den Zwischenräumen bestand Pflichtversicherung aufgrund des Bezuges von Leistungen der Agentur für Arbeit.
Am 24. Oktober 2003 wurde er aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Heidelberg vom 29. September 2003 festgenommen und in Untersuchungshaft verbracht. Wegen fahrlässigen Vollrausches wurde er vom Amtsgericht Heidelberg am 08. Januar 2004 zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, die mit Beschluss vom gleichen Datum zur Bewährung ausgesetzt wurde. Parallel wurde seit dem 1. Januar 2004 eine Ersatzfreiheitsstrafe (Ladendiebstahl) vollzogen, die bis zum 30. Januar 2004 andauerte. Aufgrund eines weiteren Strafbefehles vom 24. November 2003, der ebenfalls sofort als Ersatzhaft vollzogen wurde (erneuter Ladendiebstahl), verblieb er dann bis zum 19. März 2004 in der Justizvollzugsanstalt Freiburg.
Mit Bescheid vom 29. Juni 2004 machte die Beklagte eine Beitragsforderung von insgesamt 1.041,98 € inklusive 10,- € Säumniszuschlag mit der Begründung geltend, der Kläger sei in dem streitigen Zeitraum als Rentenantragsteller versichert gewesen und habe die Beiträge nicht abgeführt.
Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, während der Zeit seiner Inhaftierung seien keine Beiträge zu entrichten. Denn die zwingende Gesundheitsfürsorge nach den §§ 56 ff. Strafvollzugsgesetz (StVollzG) ginge der Versicherung als Rentenantragsteller vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, Rentenantragsteller seien als Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen zur Tragung der Beiträge verpflichtet. Von dieser Beitragspflicht könne er auch nicht während der Zeiten der Inhaftierung befreit werden. Welche Rentenantragsteller von der Beitragspflicht befreit werden könnten, sei in § 225 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) abschließend geregelt. Die mitgliedschaftliche Verpflichtung zur Beitragszahlung werde auch nicht durch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V aufgehoben. Die gewählte Formulierung weise auf den Zusammenhang von besonderen Leistungsansprüchen des Versicherten, wie z. B. eine Zahnersatzversorgung, hin, welche bei Verbüßung einer kurzen Freiheitsstrafe vor allem lang anhaltende Wirkungen auf die Zeit nach der Haftentlassung habe. In solchen Fällen könne also der Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dann wieder aufleben bzw. zum Tragen kommen. Die Regelung habe an die Änderung einschlägiger Vorschriften des StVollzG vom 16. März 1976 angeknüpft. Dadurch würden die gemeinsamen Systembezüge der gesetzlichen Krankenversicherung und des Strafvollzuges aufeinander abgestimmt und der jeweils vorrangige Leistungsbereich festgelegt. Durch die Ruhenswirkung hätten lediglich Doppelleistungen vermieden werden sollen. Da der in § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V aufgezählte Personenkreis auch nicht aufgrund der Pflicht, die ihnen zugewiesene Arbeit auszuüben, krankenversichert sei, müsse der ruhende Leistungsanspruch daher aus einer vor dem Freiheitsentzug begründeten, fortbestehenden Versicherung bzw. Leistungspflicht herrühren. Bei dem Kläger basiere dieses Versicherungsverhältnis auf dem Status als Rentenantragsteller. Deswegen müsse die Beitragspflicht während der Haftzeit fortbestehen.
Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage machte der Kläger geltend, aufgrund seines vo...