Jean Bramburger-Schwirkslies
Schuldzinsen, die über 2.050 EUR pro Jahr hinausgehen, können nur dann zu 100 % als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn keine Überentnahmen getätigt worden sind. § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG definiert die Überentnahme wie folgt: "Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahrs übersteigen."
9.1 Überentnahmen des laufenden Jahres
Um die Überentnahmen des laufenden Jahres zu ermitteln, werden die folgenden 3 Werte benötigt:
- der Gewinn des laufenden Jahres, der mithilfe einer Bilanz mit Gewinn und Verlustrechnung oder einer Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt wird.
- die Summe der Einlagen ins Betriebsvermögen. Einlagen sind alle privaten Mittel einschließlich der Sacheinlagen, die für betriebliche Zwecke verwendet werden. Hierzu gehören z. B. die Benzinkosten, die mit Barmitteln aus der privaten Geldbörse bezahlt werden.
- die Summe der Entnahmen. Hierzu gehören alle Barentnahmen, Nutzungs- und Sachentnahmen, also auch die private Pkw-Nutzung.
Berechnung der Entnahme
Der Unternehmer erzielt im Jahr 01 einen Gewinn von 30.000 EUR. Seine Einlagen von 2.500 EUR setzen sich zusammen aus bar gezahlten Beträgen für Benzin, Wagenpflege, Büromaterial usw. Die Barentnahmen für den laufenden Lebensunterhalt betragen 24.000 EUR. Außerdem hat der Unternehmer 8.200 EUR für private Versicherungen vom betrieblichen Bankkonto gezahlt. Die private Pkw-Nutzung setzt er mit 2.800 EUR an. Der Unternehmer rechnet wie folgt:
Entnahmen 01:
– |
für Lebensunterhalt |
24.000 EUR |
|
– |
für private Versicherungen |
8.200 EUR |
|
– |
Privatnutzung Pkw |
2.800 EUR |
35.000 EUR |
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|
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Gewinn 01 |
30.000 EUR |
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Privateinlagen |
2.500 EUR |
– 32.500 EUR |
|
Überentnahmen = |
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2.500 EUR |
9.2 Überentnahmen in einem Verlustjahr (ohne Entnahmen)
Eine besondere Situation ergibt sich, wenn der Unternehmer keinen Gewinn, sondern einen Verlust erzielt hat. Durch den Verlust entstehen Überentnahmen selbst dann, wenn der Unternehmer im Verlustjahr keine Entnahmen getätigt hat.
Für die Berechnung der Überentnahme ist zunächst vom einkommensteuerrechtlichen Gewinn auszugehen. Als "Gewinn" ist daher grundsätzlich auch ein Verlust anzusehen. Davon ist allerdings insoweit eine Ausnahme geboten, als Verluste für sich genommen nicht zu einer Kürzung des Schuldzinsenabzugs führen dürfen. Die Ausgestaltung der Regelung über die Begrenzung des Schuldzinsabzugs beruht auf dem Eigenkapitalmodell und der Vorstellung, dass der Betriebsinhaber dem Betrieb bei negativem Eigenkapital nicht mehr Mittel entziehen darf, als er erwirtschaftet und eingelegt hat.
Aber! Es widerspricht dem Sinn der Regelung, wenn Schuldzinsen allein deshalb nicht abziehbar sind, weil der Steuerpflichtige einen Verlust erwirtschaftet hat. Der Verlust allein kann daher nicht unter dem Gesichtspunkt der "Überentnahme" zu einer Einschränkung des Schuldzinsenabzugs führen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige niemals eine Entnahme getätigt hat. Es ist daher anerkannt, dass in einem Verlustjahr bei isolierter Betrachtung dieses Jahres die Überentnahme nicht höher sein darf als die Entnahme und auch nicht höher als die Differenz zwischen Entnahme und Einlage.
Die Überentnahme des aktuellen Wirtschaftsjahres ist auf den Überschuss der Entnahmen begrenzt. Übersteigen umgekehrt die Einlagen die Entnahmen, wird der Überschuss der Einlagen mit dem Verlust verrechnet, so dass der Verlust die Unterentnahme dieses Jahres ggf. bis auf Null mindert.
Übersteigen im Verlustentstehungsjahr die Privateinlagen die Privatentnahmen, wird der Verlust zunächst mit dem Einlagenüberschuss verrechnet. Soweit der Verlust noch nicht ganz ausgeglichen ist, wird er mit Unterentnahmen aus Vorjahren bzw. Folgejahren verrechnet.
Verlustjahr: Berechnung von Überentnahme und Entnahmeüberschuss
Der Betrieb eines Unternehmers hat für das Jahr 05 mit einem Verlust von 100.000 EUR abgeschlossen. Der Unternehmer hat im Jahr 05 keine Entnahmen getätigt und dem Betrieb wurden im Jahr 05 keine Einlagen zugeführt. Aus den vorangegangenen Jahren stammt eine Unterentnahme von 10.000 EUR.
Der kumulierte Überschuss der Entnahmen des Vorjahres beträgt 75.000 EUR (Vorjahreswerte an kumulierten Entnahmen 350.000 EUR und an kumulierten Einlagen 275.000 EUR).
Berechnung der Überentnahme des Jahres 05 (Beträge in EUR):
Entnahmen des Wirtschaftsjahres 05 - Einlagen des Wirtschaftsjahres 05 - Verlust des Wirtschafsjahres 05 |
0 0 100.000 |
= Überentnahme es Wirtschaftsjahres 05 - Unterentnahme aus vorangegangenen Wirtschaftsjahren |
100.000 - 10.000 |
= kumulierte Überentnahme (geht in die Berechnung des Folgejahres ein) |
90.000 |
Berechnung des Entnahmeüberschusses des Jahres 05 (Beträge in EUR):
Entnahmen des Wirtschaftsjahres 05 - Einlagen des Wirtschaftsjahres 05 - kumulierter Entnahmeüberschuss des Vorjahres |
0 0 75.000 |
= kumulierter Entnahmeüberschuss des Jahres 05 |
75.000 |
Die Überentnahme des Wirtschaftsjahres 05 ist mit der Unterentnahme der Vorjahre zu verrechnen und bewirkt eine kumulierte Überentnahme im Jahr 05 in Höhe von 90.000 EUR; die Überentnahme ist aber auf den kum...