1. Zivilrecht
Rz. 320
Nach § 1942 Abs. 1 BGB geht die Erbschaft auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechts über, sie auszuschlagen. Der Erbe kann nur solange ausschlagen, wie er die Erbschaft nicht angenommen hat oder die Ausschlagungsfrist verstrichen ist (§ 1943 BGB). Die Ausschlagung erfolgt gegenüber dem Nachlassgericht (§ 1945 Abs. 1 BGB) und bewirkt, dass der Anfall der Erbschaft an den Ausschlagenden als nicht erfolgt gilt (§ 1953 Abs. 1 BGB). Der Ausschlagende ist also niemals Erbe gewesen. Derjenige, dem die Ausschlagung zugutekommt, weil er an Stelle des Ausschlagenden Erbe wird, ist – anders als beim Kauf einer Erbschaft (§§ 2371 ff. BGB) – nicht Rechtsnachfolger des Ausschlagenden (vgl. § 517 BGB), sondern Rechtsnachfolger des Erblassers.
Die Erbschaft ausschlagen kann der Erbe erst, wenn der Erbfall eingetreten ist (§ 1946 BGB). Davor kann der gesetzlich oder letztwillig Erbberechtigte die Rechtsfolge des Nichterwerbs nur durch einen Erbverzicht (§ 2346 Abs. 1 BGB) oder einen Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB) erreichen. Auch der Nacherbe kann, sobald der Erbfall eingetreten ist, die Erbschaft ausschlagen (§ 2142 BGB). Er muss demnach nicht den Nacherbfall abwarten. Für die Form der Ausschlagung gilt § 1945 BGB entsprechend. Folge der Ausschlagung ist, dass der Vorerbe zum Vollerben wird, es sei denn, ein anderer Erblasserwillen ist feststellbar.
2. Steuerrecht
Rz. 321
Als vom Erblasser zugewendet gilt nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 2 ErbStG, was als Abfindung für die Ausschlagung einer Erbschaft gewährt wird.
Schlägt der Nacherbe gegen Abfindung aus, so versteuert der Nacherbe die erhaltene Abfindung nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 2 ErbStG, wobei die Abfindung an die Stelle der Anwartschaft tritt. Der Erwerb der Abfindung gilt als vom Erblasser zugewandt. Bei der Besteuerung ist für die Bestimmung der anzuwendenden Steuerklasse und des persönlichen Freibetrags auf das Verhältnis zwischen Nacherbe und Erblasser abzustellen. Der die Abfindung leistende Erbe (Vorerbe) kann diese nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG von seinem Erwerb steuermindernd abziehen.
Rz. 322
Abfindungen im Zusammenhang mit einem Erbersatzanspruch können noch immer steuerrechtliche Wirkung entfalten. Deshalb wurde im Rahmen der Neufassung des ErbStG mit Wirkung ab dem 1.1.2009 das Tatbestandsmerkmal (Abs. 2 Nr. 4 Alt. 3) – im Unterscheid zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (vgl. Rz. 26) – nicht gestrichen.
Rz. 323
Die Ausschlagung gegen Abfindung ist zwar erbschaftsteuerlich seit 1.1.2009 nicht mehr interessant, weil sich durch die Anpassung der Steuerwerte an die Verkehrswerte kaum noch Bewertungsdifferenzen und damit Steuervorteile ergeben. Allerdings ermöglicht die Ausschlagung gegen Abfindung, dass die zivilrechtlich nicht zulässige Teilausschlagung im Ergebnis doch erreicht wird.
Rz. 324
Erhält der Ausschlagende für seinen Verzicht als Abfindung begünstigtes Vermögen i.S. des § 13b Abs. 1 ErbStG, so kann er die Verschonung nach § 13a ErbStG – sofern die Voraussetzungen im Übrigen vorliegen – beanspruchen (vgl. § 13a ErbStG Rz. 23). Gleiches gilt, soweit das im Nachlass befindliche Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b oder 4c ErbStG) abfindungshalber auf den Verzichtenden übertragen wird und dieser die Voraussetzungen § 13 Abs. 1 Nr. 4b oder 4c ErbStG persönlich und sachlich erfüllt.
Rz. 325
§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG erfasst nur Sachverhalte, in denen eine Erbschaft vollständig ausgeschlagen wurde. Die Ausschlagung einer Erbschaft kann nicht auf einen Teil der Erbschaft beschränkt werden; die Ausschlagung eines Teils ist unwirksam (§ 1950 BGB). Eine Anwendung des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG kommt deshalb auch bei einem fiktiven Erbfall i.S. von § 17 Abs. 2 HöfeO nicht in Betracht, wenn ein Abkömmling des Hofübergebers, der den Hof nicht erhält, nur zum Teil auf die ihm infolge der Hofübergabe zustehenden Abfindungsansprüche verzichtet.
Rz. 326
Ertragsteuerlich geht die Finanzverwaltung davon aus, dass bei einem Nachlass mit Betriebsvermögen die Abfindung als Veräußerungserlös des ausschlagenden Erben (Durchgangsunternehmer) und Anschaffungskosten beim endgültigen Erben zu werten ist. Dies lässt sich allerdings dadurch vermeiden, dass die Abfindung für die Geltendmachung des Pflichtteils geleistet wird.
Rz. 327
Nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 4 ErbStG unterliegt der Erbschaftsteuer, was als Abfindung für die Ausschlagung eines Vermächtnisses gewährt wird. Bei "Abfindung für die Ausschlagung des Vermächtnisses" (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG) entsteht die Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG erst mit der Ausschlagung. Sollte die Abfindung den Wert des Vermächtnisses übersteigen, kann dies zu einer Schenkung an den Ausschlagenden führen. Erhält der Ausschlagende für seinen Verzicht als Abfindung begünstigtes Vermögen i.S. des § 13b Abs. 1 ErbStG, so kann er die Verschonung nach § 13a ErbStG – sofern die Voraussetzungen...