Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO
Leitsatz (redaktionell)
Ein bestandskräftiger Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheid kann nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern sein, wenn die Familienkasse des Arbeitsamtes den Eindruck vermittelt hat, dass sie sich immer an den Steuerbescheid bzw. die Mitteilung des Finanzamtes halten und diese zur Grundlage der Berechnung der kindergeldschädlichen Einkünfte-/Bezügegrenze machen werde und der Anspruchsberechtigte davon ausgehen konnte, dass die Familienkasse einen ändernden Steuerbescheid - ebenso wie den ersten Steuerbescheid - zur Grundlage einer neuen Entscheidung machen werde, er also auch ohne Klageverfahren nachträglich zu den Werbungskosten vortragen kann.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 32 Abs. 4 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheid geändert werden kann.
Der Kläger bezog im Streitjahr 1997 für seine am 6. Oktober 1978 geborene Tochter Martha Kindergeld. Nach einer Mitteilung des zuständigen Finanzamtes vom 15. Juni 1998 (Bl. 80 der Arbeitsamtsakte – AA-Akte) hatte Martha Einkünfte und Bezüge von über 14.000 DM. Mit Bescheid vom 2. Juli 1998 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes in vollem Umfang auf und forderte das gezahlte Kindergeld zurück. Der am 10. Juli 1998 eingelegte Einspruch (Bl. 86 AA-Akte) wurde mit Entscheidung vom 5. August 1998 als unbegründet zurückgewiesen. Das Arbeitsamt führte hierin (Bl. 89 AA-Akte) unter anderem aus: „Nach dem hier zwischenzeitlich vorgelegten Steuerbescheid verfügte das Kind Martha im Jahr 1997 über Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit in Höhe von 12.206,00 DM. …. Erhöhte Werbungskosten für das Jahr 1997, wie sie vom Einspruchsführer im Vorjahr geltend gemacht worden sind, wurden vom Finanzamt nicht bestätigt. Somit ist davon auszugehen, dass die Anerkennung von Aufwendungen als Werbungskosten gem. § 9 EStG im Jahr 1997 voll berücksichtigt wurden.” …. „Unter Berücksichtigung des vorgelegten Steuerbescheides, der Mitteilung des Finanzamtes und nach Aktenlage wird somit die maßgebliche Einkommensgrenze … überschritten:” Der Kläger legte keine Klage hiergegen ein. Am 6. Oktober 1998 (Bl. 94 AA-Akte) legte der Kläger einen geänderten Steuerbescheid für Martha vor, welcher negative Einkünfte in Höhe von 1.183,– DM auswies. Mit Bescheid vom 7. Januar 1999 teilte die Beklagte mit, dass die ursprüngliche Entscheidung über die Rückforderung bestandskräftig und eine Änderung daher nicht möglich sei. Das überzahlte Kindergeld sei zu erstatten. Dem hiergegen eingelegten Einspruch half die Beklagte mit Bescheid vom 15. Februar 1999 teilweise ab und setzte Kindergeld für die Zeit ab Juli 1997 erneut fest. Bezüglich des Zeitraums Januar – Juni 1997 wies sie den Einspruch am 18. Febr. 1999 als unbegründet zurück und forderte den noch offenen Betrag von 1.800,– DM zurück.
Der Kläger ist der Auffassung, die Rückforderung des Kindergeldes für Januar – Juni 1997 in Höhe von 1.800,– DM sei zu Unrecht erfolgt. Auf Grund des geänderten Steuerbescheides stehe fest, dass das Kind Martha im Jahr 1997 die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt habe. Auf Grund dieses (zweiten) Steuerbescheides müsse eine Änderung des Kindergeldbescheides erfolgen, schließlich habe die Beklagte auch wegen des ersten, inhaltlich unzutreffenden Steuerbescheides das Kindergeld versagt. Der das Kindergeld aufhebende Bescheid sei nichtig, da er von Anfang an auf einem rechtswidrigen Steuerbescheid beruhe. Zudem handele es sich bei dem geänderten Steuerbescheid um einen Grundlagenbescheid i. S. § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung – AO –, so dass der Folgebescheid geändert werden müsse. Die Beklagte habe einen inhaltlich falschen Steuerbescheid zur Entscheidungsgrundlage gemacht, nunmehr müsse sie auch den inhaltlich zutreffenden Steuerbescheid zur Grundlage für die Kindergeldberechnung heranziehen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 7. Januar 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, der Ablehnungsbescheid sei bestandskräftig. Die Vorlage des neuen Steuerbescheides ändere hieran nichts. Eine zwingende Bindung des Kindergeldbescheides an einen vorangegangenen Steuerbescheid bestehe nicht, denn dieser sei kein Grundlagenbescheid. Sie habe die Höhe der Einkünfte und Bezüge selbstständig zu prüfen. Der angegriffene Bescheid sei auch nicht nichtig. Eine Änderungsvorschrift greife nicht ein.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
1. Der Bescheid vom 7. Januar 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 1999 ist rechtswidrig, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Kindergeld für das Kind Martha auch für das erste Halbjahr 1997. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) lagen auch i...