Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlrechtsausübung bei einer Spende auf den zu erhaltenden Vermögensstock einer Stiftung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: X R 2/24)
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Wahlrecht des Steuerpflichtigen, eine Spende an eine Stiftung als eine Spende auf den zu erhaltenden Vermögensstock gem. § 10b Abs. 1a EStG zu leisten (und nicht in das verbrauchbare Stiftungsvermögen), kann nicht nur im Rahmen der Steuererklärung ausgeübt werden. Vielmehr kann das Wahlrecht nach allgemeinen Grundsätzen bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft ausgeübt werden.
2. Die Rechtsfolge des § 177 Abs. 1 AO ist darauf gerichtet, die mit einem materiellen Fehler behaftete Besteuerungsgrundlage insoweit zu ändern, als die Änderung einer anderen Besteuerungsgrundlage reicht.
3. Wenn die Kompensation nach § 177 AO unterlassen wurde, ist ein Einspruch nur in Reichweite der Änderung statthaft. Deshalb ist der Änderungsrahmen aus § 177 AO der begrenzten Anfechtbarkeit von Änderungsbescheiden nach § 351 Abs. 2 AO wesensgleich.
4. Es reicht für den rechtmäßigen Erlass oder die Änderung eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustvortrag nicht allein aus, dass sich die Besteuerungsgrundlagen als Bezugsgröße betragsmäßig geändert haben. Es ist auch erforderlich, dass sich dadurch die Steuerfestsetzung ändert.
Normenkette
AO § 351 Abs. 2; EStG § 10b Abs. 1, 1a, § 10d Abs. 4 S. 1; EStG i.d.F. des JStG 2010 § 10d Abs. 4 S. 4; AO § 177 Abs. 1
Nachgehend
BFH (Aktenzeichen X R 10/23) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die verfahrensrechtliche Möglichkeit, die streitgegenständlichen Bescheide zu ändern (Einkommensteuer 2016 und 2017) bzw. einen entsprechenden Bescheid erstmalig zu erlassen (Feststellung des Spendenvortrags auf den 31.12.2016).
Am 18.03.2016 leistete die Klägerin eine Spende i. H. v. … € in den Vermögensstock der Z Stiftung. In ihrer Steuererklärung für das Jahr 2016 vom 27.01.2018 machte sie die Zustiftung nicht geltend. Dementsprechend erfolgte die – vorbehaltlose – Festsetzung der Einkommensteuer ohne Berücksichtigung dieser Spende durch Änderungsbescheid vom 12.11.2018.
Nachdem am 19.06.2019 ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 erging, beantragte die Klägerin durch Schreiben vom 09.07.2019 unter Vorlage einer entsprechenden Spendenquittung die Änderung der Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 sowie den erstmaligen Erlass eines Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Zuwendungsvortrags nach § 10b Abs. 1a des Einkommensteuergesetzes (– EStG –) zum 31.12.2016. Sie vertrat die Auffassung, der Einkommensteuerbescheid 2016 sei verfahrensrechtlich noch änderbar. Daher begehrte sie, einen Betrag i. H. v. … € in 2016 gemäß § 10b Abs. 1 EStG als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Der Abzug eines weitergehenden Betrags i. H. v. … € solle in 2016 auf Grundlage vom § 10b Abs. 1a EStG erfolgen. Die restliche Spende sei als Vortrag auf den 31.12.2016 festzustellen und in die Folgejahre vorzutragen.
Durch Bescheid vom 23.07.2019 lehnte der Beklagte die Änderung der Einkommensteuerbescheide bzw. den Erlass des Feststellungsbescheides ab. Der Antrag der Klägerin sei bezogen auf die Einkommensteuer 2016 offensichtlich außerhalb der Rechtsbehelfsfrist gestellt worden, sodass eine Änderung dieses Bescheides ausscheide. Eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Zuwendungsvortrags auf den 31.12.2016 könne nicht erfolgen, da gemäß § 10b Abs. 1a Satz 4 i. V. m. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG eine materielle Bindung an die Steuerfestsetzung bestehe. Nachdem aber die Spende im Einkommensteuerbescheid 2016 keinen Niederschlag gefunden habe, könne keine – in 2016 nicht abgezogene – verbleibende Spende gesondert festgestellt werden. Deshalb scheide auch eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2017 aus. Zwar sei der Antrag der Klägerin insoweit innerhalb der Rechtsbehelfsfrist gestellt, sodass eine Änderung auf Grundlage von § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) der Abgabenordnung (– AO –) möglich sei; allerdings fehle es an der Feststellung einer vorgetragenen Spende auf den 31.12.2016.
Nach erfolglosem und durch Einspruchsentscheidung vom 15.04.2020 abgeschlossenem Vorverfahren verfolgt die Klägerin ihr Begehren im Klagewege weiter. Dabei hat sie zunächst die Auffassung vertreten, eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2016 habe auf Grundlage von § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) AO oder § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu erfolgen.
Während des laufenden Klageverfahrens hat der Beklagte am 29.10.2020 einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2016 erlassen. Darin wertete er aufgrund von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zwei Grundlagenbescheide aus. Während der eine Grundlagenbescheid (X GmbH & Co. Y KG) zu einer Reduktion des zu versteuernden Einkommens um den Betrag i. H. v. … € führte, hatte der andere Grundlagenbescheid (W GmbH & Co. KG) eine Erhöhung des zu versteuernden Einkommens um den Betrag i. H. v. … € zur Folge.
Nunmehr vertritt die Klägerin die Auffassung, die durch Auswe...