Dr. Marco Möhrer, Dipl.-Kffr. Andrea Kämmler-Burrak
Vor dem Hintergrund der erweiterten Berichtspflichten durch die EU-Taxonomie-Verordnung stellt sich derzeit vielen Unternehmen die Frage, inwiefern die Überlegungen zur Wesentlichkeit auch auf die Taxonomie-Berichte übertragbar sind. Sofern beispielsweise bestimmte Angabepflichten der EU-Taxonomie als unwesentlich deklariert werden können, entfiele auch der Aufwand zur Erfassung, Verarbeitung und Prüfung der entsprechenden Informationen.
Restriktive Auslegung der Wesentlichkeit des Gesetzgebers
In einem FAQ hat die EU-Kommission erläutert, inwiefern "Wesentlichkeitsschwellen" definiert werden können, unterhalb derer Unternehmen nicht verpflichtet sind, die Taxonomiekonformität ihrer Wirtschaftsaktivitäten zu berichten. Darin wird betont, dass eine derartige Befreiung von der Meldepflicht nicht vorgesehen ist. Zugestanden wird lediglich, dass Unternehmen, die in Ermangelung von Daten oder Nachweisen eine Konformitätsprüfung für (in Bezug auf das Geschäftsmodell unwesentliche) Aktivitäten nicht vornehmen können, diese Tätigkeiten pauschal als "nicht taxonomiekonform" melden können (siehe Bekanntmachung C/2023/305 der EU-Kommission FAQ 13). Immerhin erlaubt die Taxonomie nach dem derzeitigen Regelungsstand auf die Ermittlung des Zählers der OpEx-Kennzahl zu verzichten, sofern die Betriebsausgaben für das Geschäftsmodell des Unternehmens nicht wesentlich sind.
Weitergehende Wesentlichkeitsansätze in der Praxis
In der Praxis sind allerdings weitere Wesentlichkeitsüberlegungen im Zusammenhang mit der EU-Taxonomie anzutreffen und werden von verschiedenen Institutionen diskutiert. Sowohl in der Fachliteratur als auch in der Praxis wird mittlerweile die Meinung vertreten, dass das Wesentlichkeitskonzept auch auf quantitative und qualitative Angaben im Rahmen des Taxonomie-Reportings angewendet werden kann. Damit stünden unterschiedliche Möglichkeiten im Raum, das Wesentlichkeitskonzept im Hinblick auf die EU-Taxonomie anzuwenden. Eine Auswahl an möglichen Ansätzen wird im Folgenden erläutert (Abb. 2).
Entity Approach:
Hier steht die Frage nach dem wesentlichen Konsolidierungskreis im Mittelpunkt. Ausgangspunkt für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist dabei der Konsolidierungskreis der Finanzberichterstattung. Im Kontext der EU-Taxonomie könnte dieser allerdings auf die wesentlichen Organisationseinheiten beschränkt werden, indem bspw. für jeden der drei Taxonomie-KPIs individuelle Wertgrenzen eingeführt werden, unterhalb derer Organisationseinheiten (Tochtergesellschaften, Geschäftsbereiche etc.) von der Analyse ausgeschlossen sind. Begründen ließe sich ein solches Vorgehen etwa mit dem Fokus auf das Kerngeschäft eines Unternehmens, das durch Wertgrenzen auf Umsatz, CapEx und OpEx (bspw. 95 %) abgebildet wird.
Objective Approach:
Dieser findet Anwendung, wenn Wesentlichkeitsüberlegungen die Auswahl der relevanten Umweltziele der Taxonomie betreffen. Auch hier sind Wertgrenzen denkbar, auf Basis derer sich einzelne Umweltziele theoretisch ausqualifizieren ließen. Das ist besonders für Unternehmen hilfreich, die bspw. den ersten beiden Umweltzielen "Klimawandel" und "Anpassung an den Klimawandel" einen Großteil ihrer Umsätze, CapEx und OpEx zuordnen können. Hier stellt sich die Frage, ob eine weitergehende Analyse der restlichen Umweltziele (Umweltziele 3-6) noch zielführend ist, wenn die festgestellte Nicht-Taxonomiefähigkeit für das restliche Geschäft des Unternehmens nach der Analyse der beiden ersten Umweltziele gering ausfällt. Das gilt vor allem dann, wenn das Geschäftsmodell des Unternehmens offenkundig keine oder nur geringfügig Überschneidungen mit den Umweltzielen 3-6 der Taxonomie aufweist. Wichtig hierbei ist, dass die Prüfung der Betroffenheit durch eines oder mehrere Umweltziele stets anhand von allen drei Taxonomie-KPIs stattfindet, um nicht Gefahr zu laufen, dass bspw. umsatz- und investitionsseitig unterschiedliche Betroffenheiten festgestellt werden.
Activity Approach:
Dabei kann das Wesentlichkeitsprinzip mit Blick auf sog. small activities Anwendung finden. Eine Einschätzung diesbezüglich kommt von der PSF, die allerdings für Abschlussersteller und -prüfer keinerlei Bindungswirkung entfaltet. So kann ein Unternehmen small activities aus Vereinfachungsgründen pauschal als nicht-taxonomiefähig darstellen (vgl. PSF 2022, S. 11), sodass die aufwendige Informationsbeschaffung als auch die anschließende Konformitätsbewertung entfallen würden. Gleichzeitig ist allerdings von der PSF nicht definiert, welche Aktivitäten in den Bereich der small activities fallen. Die Definition der dazugehörigen "Wesentlichkeitsgrenze" obliegt damit wiederum dem berichtspflichtigen Unternehmen. Als unwesentlich ließen sich bspw. Aktivitäten einordnen, die eine gewisse Mindestgrenze nach Umsatz, CapEx und OpEx gemessen an den jeweiligen Gesamtwerten des Unternehmens unterschreiten.
Technical Screening Criteria Approach:
Auch mit Blick auf die Prüfung der technischen Bewertungskriterien der EU-Taxonomie (engl. Technical Screeni...