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Dieser Beitrag ist ein (editierter) Auszug aus dem Kapitel "Neuro-Wissen für eine erfolgreiche Green Company Transformation" von Sebastian Spörer aus dem Buch "Green Company Transformation". In diesem beschreiben Herausgeber und Autor Arne Prieß und sein Team von Expert:innen, wie Unternehmen ihren Beitrag zur ökologischen Transformation leisten und die Energiewende vorantreiben können. Die Transformation zur Green Company bietet einen beträchtlichen ökologischen wie ökonomischen Nutzen, unter anderem auch für das Employer Branding. Zum vollständigen Buch im Haufe Shop. |
Bei kaum einem anderen Thema wie der Nachhaltigkeit kann so deutlich beobachtet werden, dass wir Menschen zwar dringend Handlungsbedarf haben, sich nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen in Deutschland über die Handlungsnotwendigkeit einig sind, aber nur die Minderheit der Menschen wirklich ihr Verhalten ändert.
Eigentlich müsste die Angst vor Schmerz und Gefahr der Folgen des Super-KAUs so groß sein, dass wir die auslösenden Verhaltensweisen vermeiden müssten. Mit einem aktivierten Angst-/Stresszentrum im Gehirn müsste eigentlich unsere Reaktion auf den Super-KAU so aussehen: Wir vermeiden Flugreisen, wir vermeiden Fleisch, wir vermeiden alles, von dem wir wissen, dass es uns in den Untergang führt.
Aber genau das passiert nicht. Weder weltweit noch in Deutschland. Die Erklärungen für diese Diskrepanz sind vielfältig.
Ausgeschlossen werden als Erklärung können sicherlich Unwissenheit oder statistische Unklarheit. Auch wenn einige Randpositionen den menschengemachten Klimawandel skeptisch sehen, die große Mehrzahl der Deutschen stimmt mit den Klimazielen überein.
Vergleichbar ist unser gesellschaftliches Verhalten mit unserem Verhalten auf individueller Ebene, z. B. mit Abnehmen oder dem Ziel, mehr Sport zu treiben. Auch hier liegen die Vorteile auf der Hand bzw. wir erkennen die Nachteile unseres Nichthandelns an, allerdings fällt uns die Veränderung extrem schwer.
Der übergeordnete Hinderungsgrund sind unsere Gewohnheiten. Wir stimmen zwar den abstrakten Zielen zu, aber für die konkrete Änderung unserer Gewohnheiten ist viel mehr nötig als diese abstrakte Zustimmung.
1.1 Die Rolle des Belohnungszentrum des Gehirns
Eine Gewohnheit oder eine Routine zu ändern, ist immer mit Aufwand verbunden und fühlt sich oft zunächst unbequem an. Wir wissen, dass abends früh ins Bett zu gehen eine leistungsfördernde Gewohnheit wäre. Allerdings ist es bequemer, auf dem Sofa weiter fernzusehen. Wir wissen, dass einen Apfel zu essen die bessere Gewohnheit ist, als die Schokolade zu naschen, trotzdem greifen wir zu der Schokolade. Wir wissen, dass Entspannungstraining die bessere Gewohnheit ist, als auf dem Smartphone "soziale Dienste" zu benutzen, trotzdem verliert das Entspannungstraining.
An diesen Beispielen wird deutlich, dass es uns nicht an Wissen mangelt, sondern an Umsetzungsstärke. Und in allen 3 Beispielen werden die Gehirnmechanismen deutlich. Das "schädlichere" Verhalten ist belohnender als das nützliche Verhalten.
Auch die Nahrungsmittelindustrie macht sich dies zunutze. Unsere besten Chemiker entwickeln Lebensmittel, die wir ungern aus der Hand legen, bevor die Packung leer ist, unsere kreativsten Köpfe schreiben Drehbücher für Unterhaltungsfernsehen, unsere begabtesten Verhaltenspsychologen sorgen mit neuen Apps und Suchalgorithmen auf den Smartphones dafür, dass wir ständig bequem unterhalten werden, ohne uns mit lästigen anderen Meinungen auseinandersetzen zu müssen: Bei der Nutzung der sozialen Dienste werden unsere Interessen und Meinungen so gut abgebildet, dass wir in unserem Weltbild ständig bestätigt werden.
In allen Fällen machen sich sehr kluge Köpfe unser Belohnungszentrum des Gehirns zum Verbündeten. Es ist belohnender, sich "selbstschädlich" zu verhalten, als sich nützlich zu verhalten. Hier liegt ein zentrales Problem auch für unser Verhalten in Bezug auf den Umweltschutz. Es sind sich alle Beteiligten einig, dass eine Bahnreise im Vergleich zum Inlandsflug die ökologisch bessere Alternative des Reisens ist. Nun hat die Bahn allerdings einige Nachteile: Bei langen Strecken braucht sie länger, sie ist auf Fernreisen oft zu spät, mittlere Städte sind oft sehr ungünstig angebunden, die Züge sind nicht selten überfüllt. Meine persönliche Gewohnheit ist es, nahezu immer mit der Bahn zu fahren, aber es gibt kein Quartal im Jahr, in dem ich diesen Entschluss nicht bereue. Die Bahn ist angesichts der obigen Nachteile unbequemer als Reisen im Pkw oder mit dem Flugzeug. Und dazu häufig auch noch teurer.
Attraktivere ökologische Variante
Und genau hier liegt die Chance für eine Veränderung: Die ökologische Alternative muss attraktiver sein als das ursprüngliche Verhalten. Im Fall des Reisens müssten Züge schneller, günstiger, pünktlicher und bequemer sein.
Natürlich sind auch Verbote ein sinnvoller Weg, Verhalten zu steuern. So hat sich durch die Verbote z. B. beim Rauchen viel bewegt. Die wenigsten Menschen wollen zurück zu einer Raucherlaubnis in Gaststätten und Restaurants. Aber erst ein V...