Axel Schäfer ist seit 2010 Geschäftsführer des Bundesverbandes Betriebliche Mobilität e. V. (vormals Bundesverband Fuhrparkmanagement e. V.), den er selbst initiiert und mitgegründet hat. Zudem ist er Sprecher der Fleet and Mobility Management Federation Europe (FMFE). Der diplomierte Finanzierungs- und Leasingwirt (VWA) ist seit 1992 als Autor, Trainer/Fachreferent in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig. Seine Kernkompetenz liegt in den Bereichen Mobilitäts-, Fuhrparkmanagement und Leasing. Er publiziert Beiträge in Büchern und Fachmagazinen sowie Redner bei Vorträgen im Rahmen verschiedener Events, Seminare und Workshops.
Herr Schäfer, der Bundesverband Betriebliche Mobilität berät seine Mitgliedsunternehmen zu Nachhaltigkeitsthemen. Wie können wir uns die Zusammenarbeit vorstellen?
Axel Schäfer: Nachhaltigkeit ist ein übergeordnetes Thema, das die Geschäftsleitung verantwortet. In der Praxis sprechen wir aber mit Menschen, die für Mobilitäts- und Fuhrparkmanagement oder Travel Management zuständig sind, oder die eine Verwaltungs- oder Personalabteilung leiten. Das Thema ist nicht einheitlich organisiert und die Qualifizierungsansprüche an verantwortliche Mitarbeitende sind gestiegen. Immer mehr Menschen nehmen an den Gesprächen teil. Unser Job ist, unseren Mitgliedern zu helfen, ihren Job besser zu machen. Wir sind ein Bindeglied zwischen Unternehmen und Anbietern, also kein Lobbyverband im klassischen Sinne. Allerdings machen wir nicht alles selbst, sondern arbeiten in Netzwerkpartnerschaften mit spezialisierten Verbänden zusammen. Außerdem sprechen wir mit externen Beratern, die neutral, objektiv, zielgerichtet und nicht im Sinne irgendeines Anbieters arbeiten.
Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr will Unternehmen und Einrichtungen mit einem Förderprogramm dazu befähigen, moderne und klimafreundliche Mobilitätssysteme zu etablieren. Welche Handlungsfelder gibt es bei der betrieblichen Mobilität?
Erst wenn ich weiß, was mir zur Verfügung steht, kann ich optimieren und verändern. Das wichtigste Handlungsfeld ist daher die Mobilitätsbedarfsanalyse. Häufig werden dabei die Mitarbeitenden aber nicht eingebunden, weshalb viele Angebote ungenutzt bleiben.
Unternehmen können die Wahl der Mobilitätsmittel beeinflussen, Geschäftsreisen und Arbeitswege vorgeben und umweltfreundlichere Optionen wie Fahrgemeinschaften fördern.
Unternehmen können die Wahl der Mobilitätsmittel beeinflussen, Geschäftsreisen und Arbeitswege vorgeben und umweltfreundlichere Optionen wie Fahrgemeinschaften fördern. Das nächste Handlungsfeld sind mobile und flexible Arbeitsmodelle. Nach der Coronapandemie wollen manche Unternehmen zur Präsenzarbeit zurückkehren, andere wollen sich eher verkleinern.
Das dritte Handlungsfeld ist das Flottenmanagement. Zwar gibt es noch Verbrennerfahrzeuge, doch es soll elektrifiziert werden, wo es möglich ist. Ein weiteres Handlungsfeld ist Technologie-Infrastruktur und die Frage, wie ich Mobilität über Apps, Routenoptimierungen und Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge regeln kann. Das Handlungsfeld Kommunikation und Schulung wird zum Beispiel im Bereich der Bonitätspraktiken wichtig, was schon eher internem Marketing ähnelt. Eine große Baustelle sind Partnerschaften und die Zusammenarbeit mit öffentlichen Verkehrsbetrieben oder Fahrgemeinschaftsinitiativen. Der Schulterschluss zwischen Unternehmen, Kommunen und ÖPNV funktioniert nicht, wenn es nicht genug Fahrzeuge gibt. Manche Unternehmen lösen das Problem, in dem sie alte Pendelbusservices wiederaufbauen.
Wie können Unternehmen ihre Mobilität transformieren?
Unternehmen können schon heute viel tun. In der „Fleet and Mobility Management Federation Europe“ (FMFE) haben wir mit dem „European Certification Of Sustainable Mobility“ (ECSM) einen länderübergreifenden Zertifizierungsprozess zur Messung von Veränderungen entwickelt. In einer betrieblichen Mobilitätsstrategie gilt es die Unternehmensflotte, die Mitarbeitermobilität, auch Kunden und Lieferanten zu berücksichtigen. Es ist nicht damit getan, Konzepte wie ein Mobilitätsbudget anzubieten. Dahinter verbergen sich oft App-Lösungen und Anbieter, die das lediglich verwalten. Viel wichtiger ist, welche Lösungen zu den Mitarbeitenden und ihren Bedürfnissen passen. Schon heute stehen große Mobilitätsdatenbanken öffentlich zur Verfügung. Leider sind sie noch nicht in einem Managementtool zusammengeführt, mit dem man einfach ein Mobilitätskonzept erstellen kann. So etwas wird gerade erst entwickelt.
Pendlermobilität als Stellschraube für Nachhaltigkeit
Es wird viel über die Auswirkungen des Pendlerverkehrs gesprochen. Wohin geht die Reise für Mitarbeitende, die regelmäßig zur Arbeit und zurückfahren?
Mitarbeitermobilität ist eine der wichtigsten Stellschrauben, um ein Unternehmen nachhaltig auszurichten und um langfristige Veränderung zu schaffen. Unternehmen hatten das allerdings lange nicht auf dem Schirm. Idealerweise vermeiden, reduzieren, verlagern oder optimieren wir den Individualverkehr. Ich spreche nicht von Verboten und Zwängen, das funktioniert nicht. Nachhaltige Mobilität ist eine Frage der Mobilitätskultur im Unternehmen. Das erfordert auch, dass die Unternehmensleitung mitdenkt und mitmacht.
Nachhaltige Mobilität ist eine Frage der Mobilitätskultur im Unternehmen. Das erfordert auch, dass die Unternehmensleitung mitdenkt und mitmacht.
Wenn sie nicht versteht, dass Handeln angesagt ist, wird es schwierig. Zudem ist der innere Schweinehund oft ein großer Faktor. Viele Mitarbeitende fahren gerne mit dem Fahrrad, aber bitte nicht von Oktober bis Februar! Um die Auswirkungen zu überwachen und auszuwerten, brauchen wir Kennzahlen wie CO2-Emissionen der Pendlermobilität. Zusätzlich müssen wir die Nutzung alternativer Verkehrsmittel in Zusammenhang mit der Mitarbeiterzufriedenheit analysieren und eine Strategie zur Optimierung erstellen. Eines der Mitgliedsunternehmen hat 6.000 Mitarbeitende befragt: Der Preis des Deutschland-Tickets war kaum relevant und könnte sogar noch teurer sein. Dahingegen sollte der ÖPNV vor allem funktionieren und verfügbar sein.
Seit der Corona-Pandemie bleiben immer mehr Mitarbeitende daheim. Und auch der Besuch von Events wird stärker hinterfragt. Ist in Zukunft weniger mehr?
Nachhaltige Mobilität kann am Ende auch die sein, die vermieden wird.
Einige Unternehmen lassen ihre Mitarbeitenden innerhalb des Landes fliegen oder mit Firmenfahrzeugen, ohne dass sie über die Folgen nachdenken müssen. Das kann ich nicht verstehen. Natürlich muss man ein bisschen leiden, um mit der Bahn zu fahren. Aber wenn man das einmal gelernt hat, kommt man auch in diesem System zurecht. Wir müssen einiges hinterfragen und ändern. In unserem Verband haben wir viel auf digitale Aktivitäten umgestellt. Allerdings sind persönliche Begegnungen auch weiterhin wichtig. Wir haben mindestens drei Präsenz-Veranstaltungen im Jahr. Hybride Events machen wir keine, da geht zu viel verloren. Allgemein sollten wir über betriebliche Mobilität nicht nur von oben entscheiden, sondern immer auch die Mitarbeitenden einbeziehen. Der ökologische Fußabdruck sollte jedem bewusst sein. Nachhaltige Mobilität kann am Ende auch die sein, die vermieden wird.
Aus Vertragsverhandlungen mit Mitarbeitenden ist der klassische Dienstwagen noch nicht vollständig verschwunden. Gibt es Alternativen?
Hier kommt das Thema Mobilitätsbudget ins Spiel: Im Unternehmen kommt Free-Floating Carsharing, welches stationsungebunden ist, in der Regel nicht in Frage, höchstens als Ergänzung. Vorstellbar sind aber E-Fahrzeuge oder klassische Fahrzeuge mit reduzierter Leistung. Jüngere Generationen sind nicht mehr so versessen auf ein Auto. Das hängt jedoch von ihrem Wohnort ab: In einer Stadt wie Berlin interessieren sie sich dafür nicht. In eher ländlichen Gebieten brauchen oder wollen Menschen schon eher ein Auto. Doch auch hier gibt es Spielraum: Zum Beispiel gibt es günstige E-Mikrofahrzeuge, die nur für Kurzstrecken geeignet sind. So etwas wird auch Auszubildenden als Anreiz angeboten.
Betriebliche Mobilität: Eine Frage des Standorts
Und was tut sich im Bereich des Werksverkehrs?
Oft müssen Mitarbeitende zwischen zwei Standorten hin- und herfahren. Ein Mitgliedsunternehmen am Bodensee hat einen Mitnahmeplatz eingerichtet, wo Kollegen andere Kollegen mit dem Auto mitnehmen können. Und das tut selbst der Geschäftsführer mit seiner Limousine, was zunächst für Verwirrung und Amüsement sorgte. Es hat eine positive Wirkung auf das Image des Unternehmens, wenn man merkt, dass Nachhaltigkeit ernst genommen und gelebt wird. Im Bereich der Shuttle Services wiederum werden in Zukunft wohl auch autonom fahrende Fahrzeuge eingesetzt.
Allein die Wahl des Standorts kann vieles beeinflussen. Woran kann man sich orientieren?
Noch vor zehn Jahren lautete der Standard: Zugang zur Autobahn, Telefonanschluss und Datenleitungen. In den neuen Bundesländern wurden nach der Wende schnell viele Straßen gebaut und Gewerbegebiete erschlossen, was sicher richtig war. Doch es gibt neue Faktoren wie öffentliche Verkehrsmittel oder einen Mobility-Hub. Ein privater Unternehmer, der aus dem Automobilhandel kommt, hat beispielsweise einen stillgelegten Bahnhof gekauft und ihn selbst zum Mobility-Hub mit Shuttle Bussen und Fahrradmöglichkeiten eingerichtet. Ein Standort sollte definitiv fahrradfreundlich sein. Und wie die Radweg-Infrastruktur aussieht, kann man auf Datenplattformen nachschauen. Nicht zuletzt geht es beim Erschließen eines Standorts auch um umweltfreundliche Technologien wie Solarenergie oder Regenwassernutzung. Was benötigt wird, hängt auch vom Unternehmen ab. Braucht man ein Lager für fünf Mitarbeitende, ist es nicht so kompliziert. Bei der Produktion oder Verwaltung muss man schon genauer hinschauen.
Was geben Sie Unternehmen für kommende Herausforderungen auf den Weg?
Ein nachhaltiges und ganzheitliches Mobilitätsmanagement braucht eine klare Managementstrategie. Trotzdem sollten wir sofort handeln und umsetzen, was möglich ist, anstatt auf die perfekte Lösung zu warten. In der Wirtschaft und Gesellschaft haben Unternehmen eine wichtige Funktion, sie können bevorzugt agieren. Etwa im Bereich Elektromobilität können sie wichtige Investitionen tätigen. Viele große Unternehmen tun das schon längst. Vor kurzem sprach ich mit dem Geschäftsführer eines großen Mitgliedsunternehmens: Er sieht sich dazu verpflichtet, Neues zu entwickeln. Zwar koste das Geld, aber wenn er es nicht tue, habe er ein langfristiges Problem. Ich habe eine klare Botschaft für die, die sich damit schwertun, das alles zu akzeptieren: Die Steinzeit endete nicht, weil es keine Steine mehr gab.
Ein nachhaltiges und ganzheitliches Mobilitätsmanagement braucht eine klare Managementstrategie.