Mit der Erbrechtsverordnung wurde ein Europäisches Nachlasszeugnis eingeführt, das zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird (Art. 62 Europäische Erbrechtsverordnung) . Die Verwendung des Zeugnisses ist nicht verpflichtend.
Das europäische Nachlasszeugnis ersetzt zunächst nicht innerstaatliche Schriftstücke, die in den Mitgliedstaaten zu ähnlichen Zwecken verwendet werden (Art. 62 Europäische Erbrechtsverordnung), z.B. in Deutschland einen Erbschein. Nach seiner Ausstellung zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat entfaltet das europäische Nachlasszeugnis seine Wirkungen jedoch auch in dem Mitgliedstaat, dessen Behörden es ausgestellt haben.
2.8.1 Zweck des Europäischen Nachlasszeugnisses
Das Zeugnis ist zur Verwendung durch Erben, durch Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass und durch Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter bestimmt, die sich in einem anderen Mitgliedstaat auf ihre Rechtsstellung berufen oder ihre Rechte als Erben oder Vermächtnisnehmer oder ihre Befugnisse als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter ausüben müssen (Art. 63 Europäische Erbrechtsverordnung).
Das Europäische Nachlasszeugnis dient beispielsweise dann zum Nachweis der Rechtsstellung eines Erben und seinen jeweiligen Anteil am Nachlass, sowie der Zuweisung bestimmter Vermögenswerte des Nachlasses an ihn.
Es ist also eine Art "internationaler Erbschein", mit dem der Berechtigte, also z.B. der Erbe oder ein Vermächtnisnehmer Ansprüche auch im Ausland geltend machen kann.
2.8.2 Zuständigkeit für die Erteilung des Zeugnisses (Art. 65 Europäische Erbrechtsverordnung)
Das Zeugnis wird in dem Mitgliedstaat ausgestellt, dessen Gerichte zuständig sind (vgl. oben Tz. 2.2.). Ausstellungsbehörde ist
- ein Gericht im Sinne des Artikels 3 Abs. 2 Europäische Erbrechtsverordnung oder
- eine andere Behörde, die nach innerstaatlichem Recht für Erbsachen zuständig ist.
2.8.3 Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses (Art. 66 Europäische Erbrechtsverordnung)
Das Zeugnis wird auf Antrag dem/den Erben, dem Vermächtnisnehmer bzw. dem Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter ausgestellt.
Die einzelnen Staaten wurden verpflichtet, bis August 2015 ein Formblatt für diese Antragsstellung zu erstellen (Art. 80 ff Europäische Erbrechtsverordnung). Dieses kann der Antragsteller dann verwenden.
Der Antrag muss die folgenden Angaben enthalten,
Angaben zum Erblasser:
- Name (gegebenenfalls Geburtsname), Vorname(n),
- Geschlecht,
- Geburtsdatum und -ort,
- Personenstand,
- Staatsangehörigkeit,
- Identifikationsnummer
- Anschrift im Zeitpunkt seines Todes,
Angaben zum Antragsteller:
- Name (gegebenenfalls Geburtsname), Vorname(n),
- Geschlecht,
- Geburtsdatum und -ort,
- Personenstand,
- Staatsangehörigkeit,
- Identifikationsnummer (sofern vorhanden),
- Anschrift und
- etwaiges Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis zum Erblasser.
Angaben zum etwaigen Vertreter des Antragstellers:
- Name (gegebenenfalls Geburtsname), Vorname(n),
- Anschrift und
- Nachweis der Vertretungsmacht.
Angaben zum Ehegatten oder Partner des Erblassers und gegebenenfalls zu(m) ehemaligen Ehegatten oder Partner(n):
- Name (gegebenenfalls Geburtsname), Vorname(n),
- Geschlecht,
- Geburtsdatum und -ort, Personenstand,
- Staatsangehörigkeit,
- Identifikationsnummer (sofern vorhanden) und
- Anschrift.
- Angaben zu sonstigen möglichen Berechtigten aufgrund einer Verfügung von Todes wegen und/oder nach gesetzlicher Erbfolge: Name und Vorname(n) oder Name der Körperschaft, Identifikationsnummer (sofern vorhanden) und Anschrift;
- Den beabsichtigten Zweck des Zeugnisses nach Artikel 63 ;
- Wenn bereits eine Gericht oder eine Behörde mit der Erbsache als solcher befasst ist oder war, deren Kontaktangaben;
- Der Sachverhalt, auf den der Antragsteller gegebenenfalls die von ihm geltend gemachte Berechtigung am Nachlass und/ oder sein Recht zur Vollstreckung des Testaments des Erblassers und/oder das Recht zur Verwaltung von dessen Nachlass gründet;
- Eine Angabe darüber, ob der Erblasser eine Verfügung von Todes wegen errichtet hatte; falls weder die Urschrift noch eine Abschrift beigefügt ist, eine Angabe darüber, wo sich die Urschrift befindet;
- Eine Angabe darüber, ob der Erblasser einen Ehevertrag oder einen Vertrag in Bezug auf ein Verhältnis, das mit der Ehe vergleichbare Wirkungen entfaltet, geschlossen hatte; falls weder die Urschrift noch eine Abschrift des Vertrags beigefügt ist, eine Angabe darüber, wo sich die Urschrift befindet;
- Eine Angabe darüber, ob einer der Berechtigten eine Erklärung über die Annahme oder die Ausschlagung der Erbschaft abgegeben hat;
- Eine Erklärung des Inhalts, dass nach bestem Wissen des Antragstellers kein Rechtsstreit in Bezug auf den zu bescheinigenden Sachverhalt anhängig ist;
- Sonstige vom Antragsteller für die Ausstellung des Zeugnisses für nützlich erachtete Angaben.
Diese Angaben müssen erfolgen, soweit sie dem Antragsteller bekannt sind und von der Ausstellungsbehörde zur Beschreibung des Sachverhalts, dessen Bestätigung der Antragsteller begehrt, benötigt werden; dem Antrag sind alle einschlägigen Schriftstücke beizufügen, und zwar entweder im Original oder in Form einer beglaubigten Abschrift.
2.8.4 Inhalt des Nachlasszeugnisses (Art. 68 Europäische Erbrechtsverordnung)
Das Zeugnis enthält die in Art. 68 Europäische Erbrechtsverordnung aufgeführte...