Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 10.06.2015; Aktenzeichen OVG 6 B 48.15) |
VG Berlin (Entscheidung vom 18.01.2013; Aktenzeichen 5 K 223.11) |
Gründe
Rz. 1
Der Rechtsstreit betrifft die Berücksichtigung von im Bereitschaftsdienst geleisteten Zeiten bei der Gewährung von (Wechsel-)Schichtzulagen.
Rz. 2
1. Der Kläger ist Beamter im Feuerwehrdienst des beklagten Landes. Der dort durch Geschäftsanweisung vorgegebene Einsatzdienst sieht sowohl in den Tages- als auch in den Nachtschichten Unterbrechungen durch Bereitschaftsdienstphasen vor. Mangels ununterbrochenem Volldienst hat der Beklagte die Gewährung von (Wechsel-)Schichtzulagen deshalb ab April 2011 eingestellt. Die auf Fortzahlung der Zulagen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Die begehrte Zulage könne nicht für Zeiträume gezahlt werden, in denen auch Bereitschaftsdienst geleistet worden sei.
Rz. 3
2. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Sie zeigt die in Anspruch genommene grundsätzliche Bedeutung nicht auf.
Rz. 4
Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 m.w.N.).
Rz. 5
Diese Voraussetzungen erfüllt das Beschwerdevorbringen nicht. Die sinngemäß aufgeworfene Frage, ob im Rahmen der Gewährung von (Wechsel-)Schichtzulagen auch im Bereitschaftsdienst geleistete Zeiten zu berücksichtigen sind, lässt sich auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig im Sinne des ausführlich begründeten Berufungsurteils beantworten.
Rz. 6
a) Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 der Erschwerniszulagenverordnung - EZulV - in der Fassung vom 8. August 2002 (BGBl. I S. 3177), die gemäß § 1b Abs. 1 Nr. 4 des Landesbesoldungsgesetzes Berlin in der Fassung vom 21. Juni 2011 (GVBl. S. 266 ≪280≫) als Landesrecht fortgilt, erhalten Beamte eine monatliche Wechselschichtzulage, wenn sie nach einem ständigen Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt sind, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, und sie dabei in je fünf Wochen durchschnittlich mindestens 40 Dienststunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht leisten. Wechselschichten sind nach der in der Verordnung enthaltenen Definition "wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird". Nach Satz 2 der Vorschrift gelten Zeiten eines Bereitschaftsdienstes nicht als Arbeitszeit im Sinne dieser Vorschrift.
Rz. 7
Eine Wechselschicht im Sinne der Vorschrift liegt nach dem insoweit klaren Wortlaut der Norm nur vor, wenn nach dem Dienstplan ununterbrochen, also im "Volldienst", gearbeitet wird. Da nach § 20 Abs. 1 Satz 2 EZulV Zeiten eines Bereitschaftsdienstes nicht als Arbeitszeit gelten, führen Zeiten des Bereitschaftsdienstes im Dienstplan zu einer Unterbrechung der Arbeitszeit. Eine ununterbrochene Arbeit oder Volldienst und damit eine tägliche Arbeitszeit in Wechselschichten im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 EZulV kann deshalb dann nicht angenommen werden, wenn der Dienstplan Zeiten des Bereitschaftsdienstes vorsieht und damit den vorausgesetzten ununterbrochenen Dienst unterbricht.
Rz. 8
Bestätigt wird dieser Befund durch die Entstehungsgeschichte. § 20 Abs. 1 Satz 2 EZulV ist im Jahre 1998 gerade im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 21. August 1997 - 2 C 37.96 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 18 und vom 11. Dezember 1997 - 2 C 36.96 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 19), wonach der Begriff der Arbeitszeit bei der Wechselschichtzulage auch den Bereitschaftsdienst erfasse, eingefügt worden, um die sich daraus ergebenden Mehrkosten für die öffentlichen Haushalte zu vermeiden (BR-Drs. 187/1/98, S. 6 f.). Mit der Novellierung hat der Normgeber daher gerade die Klarstellung beabsichtigt, dass Zeiten des Bereitschaftsdienstes bei der Zulagengewährung nicht einzubeziehen sind.
Rz. 9
b) Entgegen der mit der Beschwerde vorgebrachten Auffassung steht diese Auslegung nicht in Widerspruch zu Sinn und Zweck der Zulagengewährung.
Rz. 10
Mit der Wechselschichtzulage finden die von den Schichtdienstleistenden geforderte ständige Umstellung des Arbeits- und Lebensrhythmus und die damit verbundenen gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen eine - zusätzliche, über die "normale" Besoldung hinausgehende - besoldungsrechtliche Anerkennung (BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - 2 C 12.08 - Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 11 Rn. 8). Die Einschätzung, dass die Belastung durch Schichtdienst geringer ist, wenn währenddessen zum Teil lediglich Bereitschaftsdienst geleistet wird, kann daher auf Sachgründe des Regelungsbereichs gestützt werden. Die Entscheidung, in diesen Fällen keine (weitere) Zulage vorzusehen, hält sich daher noch im grundsätzlich weiten besoldungsrechtlichen Ermessen des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers.
Rz. 11
c) Der Ausschluss von Zeiten des Bereitschaftsdienstes bei der Berechnung der (Wechsel-)Schichtzulage ist auch mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar.
Rz. 12
In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist zwar geklärt, dass ein Bereitschaftsdienst, bei dem sich der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz aufzuhalten hat, ungeachtet der in dieser Zeit geleisteten Arbeit als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. Nr. L 299 S. 9) zu gelten hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98 [ECLI:EU:C:2000:528], Simap - Slg. 2000, I-7963). Die auf der Grundlage des Art. 153 Abs. 2 Buchst. b AEUV erlassenen Mindestvorschriften zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer sehen indes keine Vorgaben hinsichtlich der Entlohnung entsprechender Dienstzeiten vor. Selbst im Falle von Verletzungen der in der Arbeitszeitrichtlinie enthaltenen Standards ist es vielmehr Sache der Mitgliedstaaten, eine etwaige finanzielle Entschädigung und deren Berechnung festzulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09 [ECLI:EU:C:2010:717], Fuß - Slg. 2010, I-12167). Das Unionsrecht enthält damit keine Aussagen zur Besoldung der im Bereitschaftsdienst geleisteten Zeiten (BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 2 C 9.03 - Buchholz 240 § 48 BBesG Nr. 8 S. 3).
Rz. 13
Ungeachtet der weiten Formulierung des Wortlauts in § 20 Abs. 1 Satz 2 EZulV enthält die Vorschrift indes nur eine Vorgabe zur Berechnung der (Wechsel-)Schichtzulage. Sie stellt damit eine besoldungsrechtliche Regelung dar, für die es unionsrechtliche Vorgaben nicht gibt.
Rz. 14
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Fundstellen