Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollbeamter a.D.. Steuerhinterziehung bei der Einfuhr von 14 Handfeuerwaffen zu Sammlerzwecken. Steuerschaden: 2 500 DM. strafgerichtlicher Freispruch wegen Selbstanzeige (§ 371 AO). keine Sperrwirkung gemäß § 17 Abs. 5 BDO, weil die Vorschrift nur Freisprüche aus materiellen Gründen erfaßt. Maßnahmemilderung aufgrund der Selbstanzeige. Disziplinarmaß: Ruhegehaltskürzung auf die Dauer von 30 Monaten
Leitsatz (amtlich)
Ein strafgerichtlicher Freispruch wegen eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes (hier: § 371 AO), der die Erfüllung des Tatbestandes einer Strafvorschrift voraussetzt, löst die Rechtsfolge des § 17 Abs. 5 BDO nicht aus.
Normenkette
AO § 370 Abs. 1, § 371 Abs. 1; BBG § 54 S. 3, § 77 Abs. 1 S. 2; BDO § 5 Abs. 2, § 17 Abs. 5
Verfahrensgang
BDIG (Urteil vom 25.06.1998; Aktenzeichen XV VL 21/97) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Zollbetriebsinspektors a.D. … wird das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer XV – … –, vom 25. Juni 1998 mit Ausnahme der Kostenentscheidung aufgehoben.
Das jeweilige Ruhegehalt des Ruhestandsbeamten wird um ein Zwanzigstel auf die Dauer von 30 Monaten gekürzt.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Ruhestandsbeamten hierin erwachsenen notwendigen Auslagen werden diesem und dem Bund je zur Hälfte auferlegt.
Tatbestand
I.
1. Der Bundesdisziplinaranwalt hat den Ruhestandsbeamten (im Folgenden: Beamter) angeschuldigt, als noch aktiver Beamter dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
in den Jahren 1989 bis 1995 unter Vorlage unterfakturierter Scheinrechnungen als Verzollungsgrundlage insgesamt 14 Handfeuerwaffen per Postversand in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt und dadurch einen Gesamtbetrag von 2 482,59 DM an Eingangsabgaben hinterzogen hat.
Im vorausgegangenen Strafverfahren ist der Beamte durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts … vom 18. Februar 1997 aufgrund einer Selbstanzeige vom Vorwurf der Steuerhinterziehung freigesprochen worden.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat durch Urteil vom 25. Juni 1998 das Ruhegehalt des Beamten um ein Zwanzigstel auf die Dauer von 60 Monaten gekürzt. Es hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Beamte führte zu eigenen Sammlerzwecken in den Jahren 1989 bis 1995 folgende 14 Handfeuerwaffen, die er bei der Firma Horst H…, in T…/USA, erworben hatte, über Postversand in die Bundesrepublik ein:
Serien-Nr. Datum
1 |
Colt SAA |
333180 |
05.10.89 |
2 |
Colt New Army |
79902 |
19.01.90 |
3 |
Colt Mod. 1877 |
138744 |
01.05.90 |
4 |
Colt Cloverleaf |
3247 |
17.09.90 |
5 |
Colt SAA |
308057 |
08.02.91 |
6 |
Colt SAA |
332051 |
16.12.91 |
7 |
Colt Bisley |
208058 |
04.08.92 |
8 |
Colt Police Positive |
360864 |
30.11.92 |
9 |
Colt Richards Conversion |
192589 |
28.11.93 |
10 |
Colt Bisley |
298840 |
14.07.94 |
11 |
Colt Bisley |
250090 |
30.10.94 |
12 |
Colt Bisley |
326555 |
12.07.95 |
13 |
Colt Diamondback |
S60171 |
21.10.91 |
14 |
Colt Diamondback |
AA01321 |
29.06.92 |
Neun Waffen ließ er in der Zeit vom 12. Oktober 1989 bis zum 17. August 1992 beim Zollamt L… Bahnhof – Abfertigungsstelle Post – und fünf Waffen in der Zeit vom 07. Dezember 1992 bis 20. Juli 1995 beim Zollamt D… zollrechtlich abfertigen.
Der Verzollungsvorgang lief wie folgt ab:
Wenn ein Paket mit einer Waffe aus den USA für den Beamten bei der Post eingegangen war, übergab der Postbeamte das Paket nicht an den Beamten, sondern gleich an den zuständigen Abfertigungsbeamten beim Zoll. In dem jeweiligen Paket war stets eine Rechnung, die jedoch immer einen niedrigeren Betrag auswies als den, den der Beamte Tage oder Wochen später tatsächlich an den Waffenverkäufer H… bezahlte. Aufgrund dieser so genannten Erstrechnungen (= vorläufige Anmeldung) – die tatsächlich bezahlten Beträge meldete der Beamte zu keinem Zeitpunkt der Zollstelle für eine nachträgliche Berechnung (= endgültige Verzollung) – entrichtete der Beamte 212,84 DM zu wenig an Zollgebühren und 2 269,75 DM zu wenig an Einfuhrumsatzsteuer.
Das Bundesdisziplinargericht hat das Verhalten des Beamten als vorsätzlichen Verstoß gegen die Pflichten bewertet, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen (§ 54 Satz 1 BBG), sein Amt ehrlich, gewissenhaft und uneigennützig zu verwalten (§ 54 Satz 2 BBG), sich im Dienst achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 54 Satz 3 BBG) sowie dienstliche Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). An der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme hat es sich nicht durch § 17 Abs. 5 BDO gehindert gesehen und zur Begründung dargelegt: Das den Beamten freisprechende Urteil des Amtsgerichts … stehe der Durchführung des Disziplinarverfahrens nicht entgegen; denn neben der allgemeinen Pflicht, die Vorschriften der Strafgesetze und der Abgabenordnung, wie jeder andere Bürger auch, zu beachten – von einer dieserhalb angeschuldigten Verletzung sei der Beamte durch das amtsgerichtliche Urteil aus rechtlichen Gründen (Selbstanzeige) freigesprochen worden –, habe er als Warenabfertigungsbeamter beim Zoll darüber hinaus aber noch die besondere Dienstpflicht gehabt, Steuerhinterziehungen gerade zu verhindern (= disziplinarer Überhang). Da die Verletzung dieser Dienstpflicht nicht Gegenstand des Strafverfahrens gewesen sei, entfalte § 17 Abs. 5 BDO keine Sperrwirkung für das Disziplinarverfahren.
Das Bundesdisziplinargericht hat das Verhalten des Beamten als innerdienstliches Dienstvergehen angesehen, weil ihn die Verpflichtung, Steuerhinterziehungen zu verhindern, gerade als Warenabfertigungsbeamten beim Zoll treffe. Zum Disziplinarmaß hat es ausgeführt: Das Dienstvergehen wiege so schwer, dass hierfür eine Ruhegehaltskürzung zu verhängen sei, die in ihren Auswirkungen einer Dienstgradherabsetzung gleichkomme.
3. Mit seiner fristgerecht eingelegten Berufung erstrebt der Beamte seinen Freispruch. Er hält die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme wegen § 17 Abs. 5 BDO für unzulässig. Da er vom Vorwurf der Steuerhinterziehung freigesprochen worden sei, könne er wegen dieses Vorwurfs auch disziplinarrechtlich nicht belangt werden. Darüber hinaus sei die vom Bundesdisziplinargericht ausgesprochene Ruhegehaltskürzung unverhältnismäßig. Die Vorinstanz habe unberücksichtigt gelassen, dass ohne seine, des Beamten, Mitwirkung der Sachverhalt nicht in diesem Umfang und in dieser Schnelligkeit aufgeklärt worden wäre. Ohne seine Bitte an den Verkäufer um Übersendung der bei ihm nicht mehr vorhandenen Rechnungen wäre nicht weiterzukommen gewesen. Ein Amtshilfeersuchen der deutschen Steuerbehörden bei den Steuerbehörden der USA habe nur einen Einlieferungsbeleg zu Tage gefördert, der auf ihn, den Beamten, hingewiesen habe. Die Anfertigung eines Wertgutachtens zu jeder eingeführten Waffe hätte erhebliche Kosten verursacht und wäre wegen des verhältnismäßig geringen Betrags der Steuerhinterziehung möglicherweise unterblieben. Zudem sei fraglich, ob Gutachten überhaupt zu einer über den Rechnungsbeträgen liegenden Wertfeststellung geführt hätten; denn der gezahlte Preis für die Waffen sei ein Liebhaberpreis, der nicht oder nur schwer objektiv zu ermitteln sei. Zu seinen Gunsten sei ferner eine Reihe weiterer, im Einzelnen aufgeführter Milderungsgründe in Rechnung zu stellen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung hat insoweit Erfolg, als sie zu einer Reduzierung der Laufzeit der Ruhegehaltskürzung führt.
1. Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt, weil der Beamte einen Freispruch anstrebt. Der Senat hat daher den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen.
2. Der Senat legt seiner Entscheidung die gleichen Sachverhaltsfeststellungen zugrunde, von denen bereits das Bundesdisziplinargericht zutreffend ausgegangen ist. Hiernach hat der Beamte in den Jahren 1989 bis 1995 14 Handfeuerwaffen in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt und durch die Vorlage von Scheinrechnungen mit zu niedrigen Rechnungsbeträgen einen Gesamtbetrag von 2 482,59 DM an Eingangsabgaben hinterzogen. Das ist nicht nur unstreitig, sondern steht auch fest aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts … Das Amtsgericht hat den Beamten wegen § 371 Abs. 1 AO freigesprochen. Danach bleibt straffrei, wer in den Fällen des § 370 AO, d.h. im Falle der Steuerhinterziehung, unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt. § 371 Abs. 1 AO setzt mithin voraus, dass der Betroffene sich einer Steuerhinterziehung schuldig gemacht hat. Durch die Anwendung der Vorschrift hat das Amtsgericht konkludent entschieden, dass der Beamte den Tatbestand der Steuerhinterziehung schuldhaft verwirklicht hat. Hieran ist der Senat gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO gebunden (vgl. Senatsurteil vom 21. März 1974 – BVerwG I D 1.74 –). In dem Vergehen der Steuerhinterziehung liegt ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 54 Satz 3 BBG).
3. Das Vergehen unterliegt der disziplinarrechtlichen Verfolgung. Zu Unrecht beruft sich der Beamte auf das Prozesshindernis des § 17 Abs. 5 BDO, das im Falle seines Vorliegens zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Einstellung des Verfahrens führen müsste (vgl. Claussen/Janzen, BDO, 8. Aufl. 1996, § 17 Rn. 14). Nach der genannten Vorschrift kann, wenn der Beamte im gerichtlichen Verfahren wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen wird, wegen der Tatsachen, die Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung waren, ein Disziplinarverfahren nur fortgesetzt werden, wenn diese Tatsachen, ohne den Tatbestand einer Strafvorschrift oder einer Bußgeldvorschrift zu erfüllen, ein Dienstvergehen enthalten.
Entgegen der Ansicht des Bundesdisziplinargerichts entfällt die Sperrwirkung des § 17 Abs. 5 BDO allerdings nicht wegen eines disziplinaren Überhangs. Der Beamte hat keine Pflichtverletzung begangen, die über den strafrechtlich relevanten Vorwurf hinausgeht, unrichtige Angaben gemacht und dadurch Steuern verkürzt zu haben. Das vom Beamten begangene Dienstvergehen lässt sich nicht in einen Verstoß gegen die allgemeine staatsbürgerliche Pflicht, Steuern im gesetzlich geforderten Umfang zu entrichten, und einen Verstoß gegen die besondere Dienstpflicht von Zollbeamten, Steuerstraftaten zu verhindern, zerlegen. Der Vorwurf an den Beamten im Strafverfahren, eine Steuerstraftat begangen zu haben, unterscheidet sich von dem nach Ansicht der Vorinstanz im Strafverfahren nicht erhobenen Vorwurf, eine durch die eigene Person begangene Steuerstraftat nicht verhindert zu haben, nur in der jeweils aktiven bzw. passiven Umschreibung. In der Sache sind beide Vorwürfe identisch.
Im Ergebnis teilt der Senat jedoch die Auffassung des Bundesdisziplinargerichts, dass § 17 Abs. 5 BDO einer disziplinaren Maßregelung des Beamten nicht entgegensteht. Der Freispruch durch das Amtsgericht … ist kein Freispruch im Sinne der Vorschrift. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 21. März 1974 (a.a.O.) die Anwendbarkeit des § 17 Abs. 5 BDO auf Freisprüche aus materiellen Gründen, wie das Nichtvorliegen oder die Nichtbeweisbarkeit einer Straftat, beschränkt. Daran ist festzuhalten. Eine einschränkende Auslegung des Begriffs des Freispruchs ist bereits in der Vorschrift selbst angelegt. § 17 Abs. 5 BDO verbietet eine disziplinarrechtliche Verfolgung grundsätzlich wegen der Tatsachen, die vom Strafgericht geprüft wurden und damit Gegenstand des freisprechenden Urteils geworden sind. Die Zuordnung der Tatsachen, die Gegenstand der strafgerichtlichen Entscheidung waren, zu dem “Tatbestand einer Strafvorschrift” spricht dafür, dass nur derjenige Freispruch eine disziplinare Ahndung hindern soll, der auf einer Verneinung des Tatbestands einer Strafnorm durch das Strafgericht beruht. Nach Sinn und Zweck des § 17 Abs. 5 BDO erfasst der Begriff des Tatbestands einer Strafvorschrift dabei nicht nur den objektiven Teil der Strafnorm, sondern – wie der Begriff des Tatbestands des Dienstvergehens (Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl. 1994, A.I Rn. 1) – auch die Schuldfrage, ist andererseits aber insoweit auch beschränkt. Die Bestimmung dient neben der Nutzung der besseren Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden der Verhinderung gegensätzlicher Entscheidungen (vgl. Urteil vom 14. Mai 1986 – BVerwG 1 D 157.85 –, BVerwG DokBer B 1986, 209, zu § 18 BDO). Sie will ausschließen, dass Gesichtspunkte, die sowohl von den Straf- als auch von den Disziplinargerichten einer Prüfung zu unterziehen sind, unterschiedlich beurteilt werden. Soweit das Prüfungsprogramm von Straf- und Disziplinargericht identisch ist, darf das Disziplinargericht nicht zu Lasten des Beamten von der Entscheidung des Strafgerichts abweichen. Da das Prüfungsprogramm von beiden Gerichten Ermittlungen zur Tat- und Schuldfrage verlangt, verbietet § 17 Abs. 5 BDO dem Disziplinargericht, von den Erkenntnissen des Strafgerichts zur Tat und Schuld zu Ungunsten des Beamten abzuweichen (so auch Weiß, GKÖD II Teil 3, K § 17 Rn. 39, 45). Vorliegend beruht der Freispruch des Beamten nicht darauf, dass das Strafgericht den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung oder die Schuld verneint hat – hieran wäre der Senat gebunden –, sondern auf dem in § 371 Abs. 1 AO normierten persönlichen Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige, der den objektiven Tatbestand und den Schuldvorwurf gerade voraussetzt und die Rechtsfolge des § 17 Abs. 5 BDO deshalb nicht auslöst. Es gilt insoweit nichts anderes als im Fall der Straffreiheitserklärung gemäß § 199 StGB nach wechselseitig begangenen Beleidigungen oder im damaligen Fall der Straffreiheitserklärung gemäß der inzwischen aufgehobenen Bestimmung des § 233 StGB nach wechselseitig begangenen Körperverletzungen (vgl. dazu Behnke, BDO, 2. Aufl. 1970, § 17 Rn. 40, Weiß a.a.O. Rn. 44).
4. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist das Dienstvergehen dem außerdienstlichen Bereich zuzuordnen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die Unterscheidung zwischen inner- und außerdienstlichen Verfehlungen sich nicht nach der formalen Dienstbezogenheit, d.h. nach der engen räumlichen oder zeitlichen Beziehung zum Dienst bemisst. Vielmehr kommt es auf die materielle Dienstbezogenheit, nämlich darauf an, ob durch das Verhalten innerdienstliche Pflichten verletzt worden sind. Der dienstliche Bereich eines Beamten ist allgemein von demjenigen Lebenskreis abzugrenzen, in dem er von dienstlichen Pflichten frei – wenngleich, wie sich aus § 54 Satz 3 BBG ergibt, nicht frei von jeglichen beamtenrechtlichen Verpflichtungen – ist (vgl. z.B. Urteil vom 24. November 1992 – BVerwG 1 D 52.91 – ≪BVerwG DokBer B 1993, 149≫ m.w.N.). An einer solchen materiellen Dienstbezogenheit fehlt es im vorliegenden Fall. Der Beamte hat die Steuerhinterziehungen begangen, wie sie jede andere Privatperson hätte begehen können, ohne Ausnutzung seiner dienstlichen Stellung und Möglichkeiten. Ein kausaler und funktionaler Zusammenhang mit dem von ihm bekleideten Amt bestand nicht. Zwar ist der Umstand, dass der Beamte etwas getan hat, was er in Ausübung seines Dienstes als Zollbeamter zu verhindern hatte, ein gewichtiger Gesichtspunkt für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme; er begründet aber noch nicht die Annahme eines innerdienstlichen Fehlverhaltens (vgl. Urteil vom 24. November 1992 a.a.O.).
5. Das außerdienstliche Dienstvergehen ist gleichwohl von erheblichem Gewicht. Die Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO, mit der der Anspruch des Staates auf den vollen und rechtzeitigen Ertrag aus jeder einzelnen Steuer verkürzt wird, stellt im Hinblick auf den dem Staat verursachten Schaden ein schweres Wirtschaftsdelikt dar. Für Steuerhinterziehungen gibt es allerdings keine Regelrechtsprechung des Senats hinsichtlich der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme. Diese richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles (z.B. Urteil vom 26. November 1997 – BVerwG 1 D 57.97 – ≪BVerwGE 113, 166 = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 14 = DÖD 1998, 204≫ m.w.N.).
Zu Lasten des Beamten fällt vor allem der enge dienstliche Bezug des außerdienstlichen Dienstvergehens ins Gewicht. Der Beamte hat gerade das getan, was ein Zollbeamter nach seinen Dienstpflichten zu verhindern hat. Ein Zollbeamter, der Waren unter Verletzung abgabenrechtlicher Bestimmungen in das Bundesgebiet einführt, versagt im Kernbereich seines Amtes. Es gehört gerade zu seinen (dienstlichen) Kernpflichten, der Verletzung von Zoll- und Steuervorschriften entgegenzuwirken. Auch wenn diese Kernpflichten die Berufsstellung und damit den innerdienstlichen Bereich eines Zollbeamten prägen, wirken sie – berufsbedingt – in seinen außerdienstlichen Bereich hinein mit der Folge, dass entsprechende Pflichtverletzungen durch ihre Dienstbezogenheit dem Gewicht innerdienstlicher Verletzungen nahe kommen (Urteil vom 24. November 1998 – BVerwG 1 D 16.97 –). Das außerdienstliche Fehlverhalten ist deshalb nicht nur gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt und das Ansehen des Berufsbeamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, sondern führt auch zu einer erheblichen Schädigung des Vertrauensverhältnisses zu seinem Dienstherrn.
Zu Lasten des Beamten ist ferner zu berücksichtigen, dass er eigennützig gehandelt hat. Das Motiv des Beamten lag in der Absicht, geringere als die gesetzlich vorgesehenen Eingangsabgaben zu zahlen und auf diese Weise seine finanziellen Mittel zu schonen.
Den Beamten belastet schließlich der Umstand, dass er fortgesetzt gehandelt und nicht nur einmalig versagt hat. Zwischen den einzelnen Tathandlungen bestand für ihn ausreichend Gelegenheit, über die Pflichtwidrigkeit seines Handelns nachzudenken und davon Abstand zu nehmen. Diese Gelegenheit hat er nicht genutzt.
Mildernd fällt ins Gewicht, dass der Beamte durch seine Selbstanzeige und seine vorbehaltlose Bereitschaft, den Umfang seiner Verfehlung offen zu legen, die Beweislage entscheidend zu seinen Ungunsten geändert hat. Zwar liegt in seinem Verhalten keine Offenbarung der Pflichtwidrigkeit im Sinne des anerkannten Milderungsgrundes der Offenbarung vor Tatentdeckung, der voraussetzt, dass der Beamte aus eigenem Antrieb ohne Furcht vor konkreter Entdeckung in freiwilliger Umkehr ein bisher nicht bekanntes Fehlverhalten aufdeckt (Urteil vom 1. September 1998 – BVerwG 1 D 63.97 – ≪Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 7≫). Die Selbstanzeige des Beamten erfolgte erst, nachdem er vom Zollfahndungsamt M… aufgefordert worden war, die Verzollungsnachweise mit den zur Verzollung vorgelegten Rechnungen vorzulegen. Er wusste also, dass gegen ihn ermittelt wird. In einem derartigen Fall erfolgt die Offenbarung der Tat nicht freiwillig, weil der Täter stets konkret mit seiner Überführung rechnen oder sie befürchten muss (Urteil vom 5. Oktober 1994 – BVerwG 1 D 31.94 – ≪BVerwGE 103, 177 = DÖV 1995, 288 = 1995, 194≫). Zu Gunsten des Beamten ist jedoch davon auszugehen, dass ohne seine Mitwirkung die Steuerhinterziehung möglicherweise überhaupt nicht oder nur mit großem Aufwand hätte nachgewiesen werden können. Den Unterlagen der um Amtshilfe gebetenen amerikanischen Zollbehörden ließ sich nur entnehmen, dass der Verkäufer für eine im Jahr 1992 vom Beamten erworbene Waffe zwei unterschiedliche Rechnungen ausgestellt hatte. Ohne doppelte Rechnungen für die anderen 13 Waffen hätte deren Verkaufswert nur durch Sachverständige ermittelt werden können. Dies wäre mit hohen Kosten verbunden gewesen und hätte für den Beamten möglicherweise kein nachteiliges Ergebnis zur Folge gehabt, weil nach dem glaubhaften Vorbringen des Beamten die gezahlten Preise Liebhaberpreise sind, die nicht oder nur schwer objektiv zu ermitteln sind. Zudem hat der Beamte mit den Steuerhinterziehungen vom 5. Oktober 1989, 19. Januar 1990, 1. Mai 1990 und 17. September 1990 vier Taten zugegeben, die strafrechtlich wegen Verjährung nicht mehr hätten verfolgt werden können (§ 78 Abs. 2 Nr. 4, § 78 a StGB).
Der Senat hat im Urteil vom 5. Oktober 1994, a.a.O., anerkannt, dass ein nach Entdeckung der Tat abgelegtes Geständnis in Fällen, die keiner Regelmaßnahme unterliegen, mildernd berücksichtigt werden kann. Erst recht hat dies für das Geständnis einer Tat zu gelten, die noch nicht vollständig entdeckt worden ist, sondern derentwegen erst ermittelt wird. Dass das Geständnis durch das gesetzliche Versprechen der Straffreiheit begünstigt worden ist, schließt seine Berücksichtigung als mildernden Umstand nicht aus (OVG Münster, Beschluss vom 10. Mai 2000 – 12d A 4369/99.O –). Die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ist unabhängig von den Beweggründen des Täters objektiv ein Zeichen für eine wiedergewonnene Gesetzestreue.
Mildernd wirken sich des Weiteren das Fehlen von disziplinaren und strafrechtlichen Vorbelastungen und die guten bis sehr guten dienstlichen Leistungen des Beamten in 27-jähriger Dienstzeit bis zum Beginn des Dienstvergehens aus.
Zugunsten des Beamten ist auch in Rechnung zu stellen, dass er sich im Ruhestand befindet. Der Eintritt in den Ruhestand wirkt zwar dann nicht entlastend, wenn das Dienstvergehen so schwer ist, dass es, wäre der Beamte noch dienstlich aktiv, zur Entfernung aus dem Dienst führen würde (Urteil vom 26. November 1997 – BVerwG 1 D 27.97 –); denn die Höchstmaßnahme dient nicht der Pflichtenmahnung, sondern der Wahrung der Integrität des Berufsbeamtentums und der Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Steht – wie hier – eine Ruhegehaltskürzung in Rede, kann diese jedoch geringer ausfallen als eine Gehaltskürzung bei einem aktiven Beamten (Urteil vom 8. Dezember 1999 – BVerwG 1 D 28.98 –), da bei Ruhestandsbeamten die pflichtenmahnende Funktion von Disziplinarmaßnahmen entfällt. Auch im vorliegenden Fall besteht aufgrund der zwischenzeitlichen Zurruhesetzung des Beamten ein gemindertes Bedürfnis für eine Maßregelung.
Nach Abwägung der Erschwerungs- und Milderungsgründe und unter Berücksichtigung bisheriger Entscheidungen zur Hinterziehung von Eingangsabgaben (vgl. Urteil vom 24. November 1998, a.a.O.; Urteil vom 25. Juni 1998 – BVerwG 1 D 32.97 –; Urteil vom 26. November 1997, a.a.O.; Urteil vom 25. August 1987 – BVerwG 1 D 132.86 – ≪BVerwG DokBer B 1987, 273≫; Urteil vom 1. September 1981 – BVerwG 1 D 90.80 –, BVerwGE 73, 252) erscheint eine Ruhegehaltskürzung auf die Dauer von 30 Monaten angemessen.
Eine weitere Verkürzung der Laufzeit aufgrund der vom Beamten zusätzlich geltend gemachten Gründe kommt nicht in Betracht. Kein Milderungsgrund ist der Umstand, dass der Beamte die hinterzogenen Abgaben nachgezahlt hat; denn hierzu war er ohnehin rechtlich verpflichtet (Urteil vom 9. November 1994 – BVerwG 1 D 57.93 –). Nach § 71 AO haftet, wer eine Steuerhinterziehung begeht, für die verkürzten Steuern sowie für die Zinsen. Unerheblich ist ebenfalls, dass der Beamte nicht vorläufig des Dienstes enthoben worden ist. Dieser Gesichtspunkt stellt nach ständiger Rechtsprechung des Senats keinen Milderungsgrund dar, da die Weiterbeschäftigung auf Gründen (z.B. betriebswirtschaftlicher Art) beruhen kann, die disziplinarrechtlich nicht von Bedeutung sind (Urteil vom 1. September 1998, a.a.O.). So liegt es auch hier. Die vorläufige Suspendierung des Beamten vom Dienst ist u.a. aus fiskalischen Erwägungen unterblieben. Ohne Belang ist ferner, dass die Einzelbeträge der hinterzogenen Abgaben relativ gering waren. Entscheidend ist der Gesamtbetrag (Urteil vom 9. August 1995 – BVerwG 1 D 7.95 –), der mit 2 482,59 DM jenseits jeder denkbaren Bagatellgrenze liegt. Des Weiteren wirkt es sich nicht mildernd aus, dass der Beamte durch die Selbstanzeige seine soziale Ächtung in der Dienststelle in Kauf genommen hat. Die Selbstanzeige wird bereits als Tatsache mildernd berücksichtigt. Eine weitere Milderung wegen ihrer Auswirkungen ist nicht angezeigt. Ein tatsächlicher oder möglicher Ansehensverlust im Kollegenkreis ist Folge eines jeden Dienstvergehens und vom Beamten als selbst verursachte, voraussehbare oder denkbare Konsequenz hinzunehmen.
Der Beamte kann sich auch nicht zu seinen Gunsten darauf berufen, unter dem Disziplinarverfahren und der deshalb erfolgten Umsetzung vom Zollamt D… an das Hauptzollamt L…, die mit langen Fahrtzeiten verbunden waren, gesundheitlich so schwer gelitten zu haben, dass er in den Ruhestand habe versetzt werden müssen. Zwar hat der Senat die mit einem Dienstvergehen verbundenen Folgen für die Gesundheit und das Vermögen zu Gunsten eines Beamten in der Vergangenheit berücksichtigt (vgl. Urteil vom 18. April 1979 – BVerwG 1 D 60.78 – ≪BVerwGE 63, 222≫). Die krankheitsbedingte Versetzung in den Ruhestand wird jedoch bereits unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Bedürfnisses für eine Pflichtenmahnung mildernd in Rechnung gestellt und kann dem Beamten nicht doppelt zugute kommen. Im Übrigen hat der Senat Zweifel an der Kausalität zwischen Disziplinarverfahren und krankheitsbedingter Zurruhesetzung des Beamten. Es spricht Überwiegendes dafür, dass es an einer solchen Kausalität fehlt. Das die Zurruhesetzung auslösende amtsärztliche Gesundheitszeugnis vom 18. Oktober 1996 begründet die dauernde Dienstunfähigkeit des Beamten mit einer Funktionseinschränkung der Wirbelsäule und der Hüften. Zum Zeitpunkt der Untersuchung bestand das Wirbelsäulenleiden bereits seit 20 Jahren; die eingeschränkte Hüftgelenksbeweglichkeit beruht auf Abnutzungserscheinungen.
Ohne Relevanz ist schließlich der Vortrag des Beamten, er habe ausschließlich zur Befriedigung seiner Sammelleidenschaft gehandelt, die bei ihm zu einem Realitätsverlust geführt habe. Auch von einem passionierten Sammler muss erwartet werden, dass er sich bei der Ausübung seines Hobbys gesetzestreu verhält. Für die behauptete Beschränkung der Einsichtsfähigkeit mit der Folge eingeschränkter Schuldfähigkeit, die sich u.U. maßnahmemildernd auswirken könnte (Urteil vom 10. Juli 1996 – BVerwG 1 D 98.95 –), gibt es keine Anhaltspunkte.
Mit dem vom Bundesdisziplinargericht festgesetzten Kürzungsbruchteil von einem Zwanzigstel hat es sein Bewenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 2 und § 115 Abs. 5 Satz 1 BDO.
Unterschriften
Mayer, Müller, Gatz
Fundstellen
NJW 2001, 1151 |
ZBR 2000, 394 |
DÖD 2000, 290 |
PersV 2001, 91 |