Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Unterbrechung eines gerichtlichen Verfahrens gegen eine Gewerbeuntersagung als Folge der Eröffnung eines Insolvenzverfahrensüber das Vermögen eines Gewerbetreibenden. Auswirkungen insolvenzrechtlicher Maßnahmen auf die Rechtmäßigkeit und Vollziehbarkeit einer bei Erlass rechtmäßigen Gewerbeuntersagung wegen wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit. Zulässigkeit einer Androhung unmittelbaren Zwangs durch die Ordnungsbehörde in einer Untersagungsverfügung wegen wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit des Gewerbetreibenden
Leitsatz (amtlich)
1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gewerbetreiben-den führt nicht zur Unterbrechung des gerichtlichen Klageverfahrens gegen eine Gewerbeuntersagung.
2. Eine bei Erlass rechtmäßige Gewerbeuntersagung wegen wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit wird durch nachfolgende insolvenzrechtliche Maßnahmen im Sinne des § 12 GewO nicht rechtswidrig; während der dort genannten Zeitabschnitte darf die Gewerbeuntersagung jedoch nicht vollzogen werden.
3. Bei wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit des Gewerbetreibenden darf die Ordnungsbehörde in der Untersagungsverfügung unmittelbaren Zwang androhen.
Normenkette
GewO §§ 12, 35
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin eröffnete am 1. Oktober 2003 in O. einen Friseurbetrieb („J. T. S. ”), den sie der Beklagten auch anzeigte. Am 31. Januar 2007 leitete die Beklagte aufgrund einer Anregung des Finanzamts O. I ein Gewerbeuntersagungsverfahren ein. Nach Angaben des Finanzamts bestanden am 16. Januar 2007 Zahlungsrückstände in Höhe von 12.889,97 Euro. Weiter eingeholte Auskünfte ergaben Beitragsrückstände bei der B. S1. /I. in Höhe von 1.634,57 Euro (Stand 5. Februar 2007) und bei der Handwerkskammer E. in Höhe von 275 Euro (Stand 20. März 2007). Nach Mitteilung des Amtsgerichts O. hatte die Klägerin am 26. September 2006 die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Am 26. März 2007 betrugen die Steuerrückstände beim Finanzamt O. I 17.299,29 Euro.
Nach vorheriger Anhörung der Handwerkskammer E1. untersagte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 21. Juni 2007 die selbständige Ausübung des Gewerbes „Friseur-Betrieb”, die Ausübung aller anderen Gewerbe und jede Tätigkeit als Vertretungsberechtigte eines Gewerbetreibenden sowie als mit der Leitung eines Betriebes beauftragte Person. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte sie die Anwendung unmittelbaren Zwangs an. Ferner räumte sie der Klägerin eine Abwicklungsfrist von zwei Wochen ab Zustellung ein und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin sei gewerberechtlich unzuverlässig, weil sie ihre steuerlichen Verpflichtungen nachhaltig verletze. Der dem Finanzamt geschuldete Betrag sei zum 21. Juni 2007 auf 21.906,01 Euro angestiegen. Die Steuerrückstände seien ein Zeichen mangelnder Leistungsfähigkeit, die auch durch die abgegebene eidesstattliche Versicherung bewiesen werde. Ferner bestünden Beitragsrückstände bei der B. S2. und der Handwerkskammer E1.. Bei ihren Vorsprachen am 26. März 2007 und 10. Mai 2007 habe die Klägerin keinen Konsolidierungsplan vorlegen können. Die erweiterte Gewerbeuntersagung sei erforderlich, um zu verhindern, dass die Klägerin sich in anderen Gewerben betätige und dadurch die Allgemeinheit erneut schädige. Das angedrohte Zwangsmittel sei geeignet, das Ziel ” den Betrieb geschlossen zu halten ” zu erreichen.
Die Klägerin hat am 19. Juli 2007 Klage erhoben. Im zugleich angestrengten vorläufigen Rechtsschutzverfahren erklärte die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. August 2007, die Steuerrückstände hätten nach fernmündlicher Auskunft des Finanzamtes am 21. Juni 2007 insgesamt 21.906,01 Euro betragen. Das Telefonat sei versehentlich nicht in der Akte vermerkt worden. Zur Wahl des Zwangsmittels führte sie unter anderem aus, ein Zwangsgeld verspreche aufgrund der eidesstattlichen Versicherung der Klägerin keinen Erfolg; das letztmögliche Zwangsmittel, der unmittelbare Zwang, sei jedoch geeignet, die Betriebsschließung zu erreichen.
Mit Beschluss vom 6. September 2007 ” 3 L 1215/07 ” stellte das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Gewerbeuntersagung wieder her und ordnete sie hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung an. Es nahm an, die in der Gewerbeuntersagungsverfügung genannten Rückstände beim Finanzamt könnten nicht zu Grunde gelegt werden, weil die Beklagte ihrer Verpflichtung, die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass des belastenden Verwaltungsaktes nachvollziehbar un...