Thomas Schlüter, Mirjam Luserke
Rz. 769
Die Generalversammlung der eG kann, wenn man so will, als das "oberste" Gremium einer eG bezeichnet werden. Hiermit ist allerdings noch nicht zum Ausdruck gebracht, in welchem Umfang die Generalversammlung Einfluss auf Vorstand und Aufsichtsrat der eG nehmen kann. Die Generalversammlung ist ein Organ der eG. Sie ist die Versammlung der Eigentümer der eG und stellt das dar, was bei anderen Gesellschaftsformen aus dem Kreis der juristischen Personen "Mitgliederversammlung" (e. V.), "Gesellschafterversammlung" (GmbH) oder "Hauptversammlung" (AG) genannt wird.
Generalversammlungen und die Erfahrungen der Corona-Pandemie der Jahre 2020 bis 2022
Der vormalige Ansatz für die Durchführung von Generalversammlungen bestand in allgemeiner Übung der Praxis darin, dass die Versammlung in persönlicher Anwesenheit der Mitglieder, die daran teilnehmen wollen, in einem Versammlungsraum durchzuführen ist. Die Corona-Pandemie hatte dies aufgrund der Versammlungsbeschränkungen zeitweise unmöglich gemacht. Um dennoch eine Durchführung der Versammlungen zu ermöglichen, hatte der Bundesgesetzgeber mit dem "Covid-Maßnahmengesetz (COVMG)" im Frühjahr 2020 die Möglichkeit von alternativen Versammlungsformen geschaffen, bei denen ein Zusammenkommen mehrerer Personen in einem Raum nicht erforderlich ist – ohne dass es einer Satzungsregelung bedurfte. Dieses Gesetz ist zum 31.8.2022 ausgelaufen. Um den Genossenschaften aber auch weiterhin die alternative Durchführung von Versammlungen zu ermöglichen, wurde im Sommer 2022 eine neue Rechtsgrundlage hierfür in das Genossenschaftsgesetz aufgenommen. Es handelt sich um den § 43b GenG. Auf dieser Grundlage kann eine eG auch ohne entsprechende Satzungsregelung eine alternative Versammlungsform wählen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen ergeben sich aus der neuen gesetzlichen Vorschrift. Die im Jahr 2022 überarbeiteten Mustersatzungen des GdW sehen hierzu umfangreiche Regelungen vor.
Schon in § 43 Abs. 7 GenG a. F. war vorgesehen, dass die "Beschlüsse" der Mitglieder – durch Satzungsregelung eröffnet – schriftlich oder in elektronischer Form gefasst werden können. Das Nähere habe die Satzung zu regeln, so die bisherige Vorschrift. Dieser Regelungsinhalt ist nun in § 43b Abs. 2 Satz 1 GenG zu finden, da jetzt dort die Varianten einer rechtlich zulässigen Versammlungsdurchführung aufgefächert werden. Der bisherige Absatz 7 in § 43 GenG a. F. ist dort entfallen. Die gesetzliche Neuregelung hat dies übernommen. "Beschlüsse" der Generalversammlung können auch weiterhin "schriftlich" oder "im Wege der elektronischen Kommunikation" gefasst werden (jetzt: § 43b Abs. 2 Satz 1 GenG). Das Nähere hierzu habe die Satzung zu regeln.
Gleichfalls findet sich im neuen § 43b Abs. 2 Satz 2 GenG die ebenfalls schon bisher vorhandene Regelung, dass – durch Satzungsregelung – bestimmt werden kann, Mitglieder des Aufsichtsrats im Wege der Bild- und Tonübertragung an der Generalversammlung teilnehmen zu lassen. Ebenfalls, bei entsprechender Satzungsregelung, dass die Generalversammlung "in Bild und Ton übertragen" werden darf.
Durchführung einer kompletten Versammlung in alternativer Form
Im Zuge der juristischen Diskussionen im Schrifttum und auch aufgrund einiger unzutreffender Entscheidungen der Gerichtsbarkeiten zu den Einzelheiten der Ausgestaltung eines alternativen Verfahrens hatte sich für die "Jetzt-Zeit" herauskristallisiert, dass man gedanklich zwischen dem "Versammlungsverlauf" einerseits und der "Willensbildung" (Beschlussfassung) in der Versammlung andererseits unterscheiden muss. Im Versammlungsverlauf vollzieht sich die Berichterstattung der Gremien und die Diskussion hierzu. Im Abschnitt der Willensbildung wird abgestimmt. Die Neuregelung des Genossenschaftsgesetzes zur Durchführung einer "kompletten" Versammlung in alternativer Form ist durch alle Verfahrenswege hindurch durch diesen Dualismus gekennzeichnet. Macht man sich dies klar, so sind die Neuregelungen im Gesetz und auch die Vorschläge der Mustersatzung aus dem Jahr 2022 besser zu verstehen.
Durchgehend wichtig ist, dass die Mitglieder bei den alternativen Verfahrensgestaltungen ihre Mitgliederrechte ohne Einschränkung ausüben können, auch wenn sie sich nicht in einem "tatsächlichen" oder "realen" Versammlungsraum befinden. Umfasst von diesem schützenden Grundsatz sind alle Rechte der Mitglieder, die im weiteren Fortgang dieser Darstellung weiter unten genannt werden. Die bloße Übertragung der Generalversammlung "in Bild und Ton" (§ 43 Abs. 7 GenG a. F., jetzt: § 43b Abs. 2 Satz GenG) gewährt somit keine Teilhabe der Zusehenden am Versammlungsverlauf. Sie hat nur informativen Charakter. Sehr wichtig in diesem Zusammenhang ist der Aspekt, dass die Situation der Teilnehmer im Falle einer alternativen Durchführung der Versammlung "im Ergebnis" so sein muss, als wenn sie an einer Präsenzversammlung teilnähmen. Das bedeutet auch, dass es für den Teilnehmer möglich sein muss, Fragen zu stellen, dass er eine Antwort hierauf erhalten können muss u...