Leitsatz
Die Fahrten eines Linienbusfahrers zwischen seiner Wohnung und unterschiedlichen Busdepots, an denen er das zu führende Fahrzeug in wechselndem Turnus zu übernehmen hat und die er mit einer gewissen Nachhaltigkeit fortdauernd und immer wieder aufsucht, sind Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.
Sachverhalt
Ein bei Stadtwerken auf wechselnden Linien beschäftigter Busfahrer hatte das jeweilige Fahrzeug an unterschiedlichen Busdepots zu übernehmen. Er ging deswegen von einer Einsatzwechseltätigkeit aus und machte im Streitjahr 1998 die Aufwendungen für die Fahrten mit dem eigenen Kfz von der Wohnung zu den Depots und zurück in tatsächlicher Höhe geltend. Das Finanzamt erkannte dagegen nur die Pauschbeträge des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als Werbungskosten an. Die Klage hatte keinen Erfolg. Dabei ging das FG vom Aufsuchen von insgesamt sechs Depots aus, die dem Fahrer bekannt gewesen seien und auf die er sich habe einstellen können. Die Übernahme von Notdiensten im Schienenersatzverkehr habe er jedenfalls nicht für das Streitjahr behauptet, noch habe er deren Häufigkeit angegeben. Danach hätten Notdienste der Tätigkeit nicht – wie bei einem Springer – das Gepräge gegeben. Auch die Revision des Busfahrers hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH sieht die Fahrten von der Wohnung zu den Busdepots als solche zu Arbeitsstätten i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG an. Obwohl die Entscheidung zum Jahr 1998, also vor Einführung der Entfernungspauschale ergangen ist, dürfte sich das Ergebnis ab 2001 nicht ändern, weil der BFH den Begriff der Arbeitsstätte dort ebenso definiert. Danach ist Arbeitsstätte der Betriebssitz oder eine betriebliche Einrichtung, die nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder aufgesucht wird. Dieser Begriff, der weder quantitativ noch qualitativ eine Arbeit von einer gewissen Mindestdauer oder von erheblichem Gewicht voraussetzt, stimme mit dem für die Annahme von Dienstreisen maßgebenden Begriff des Berufsmittelpunkts in § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 EStG überein. Für Busdepots bejaht der BFH die für die Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte erforderliche Nachhaltigkeit. Das sei aber anders, wenn die Übernahme und Rückgabe des Fahrzeugs nicht an festen Busdepots, sondern an wechselnden Orten auf freier Strecke erfolgt. In solchen Fällen fehle den Fahrten der Bezug zu betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers. Es könnte dann nicht mehr typisierend unterstellt werden, dass sich der Arbeitnehmer auf die ihm dadurch entstehenden berufsbedingten Mehraufwendungen einstellen und die Fahrtkosten durch geeignete Maßnahmen gering halten könne.
Praxishinweis
Die Besonderheit des Falls besteht darin, dass der Arbeitnehmer im Lauf des Jahres nicht jeweils die nämliche, sondern wechselnde betriebliche Einrichtungen aufgesucht hat. Wenn dies nicht hindert, für jedes Depot eine regelmäßige Arbeitsstätte anzunehmen, müsste entsprechendes eigentlich auch bei Springern, Auszubildenden oder Leiharbeitnehmern gelten, sofern sie jeweils nur in betrieblichen Einrichtungen ihres Arbeitgebers tätig sind. Da der BFH der Ansicht ist, dass der Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte und der des Berufsmittelpunktes übereinstimmen, würden die genannten Personen keine Auswärtstätigkeit, also entgegen den LStR insbesondere keine Einsatzwechseltätigkeit ausüben, da sie sich stets nur am jeweiligen Berufsmittelpunkt befinden. Damit würde die Einsatzwechseltätigkeit auf Arbeitsstätten ohne betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers begrenzt, also in großem Umfang abgeschafft. Selbst bei Bauausführungen und Montagen, die länger als sechs Monate dauern, müsste entschieden werden, ob sie nicht zur betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zählen. Im Streitfall wäre sogar eine Fahrtätigkeit zu verneinen, da mit der Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte im Depot die Zeit auf dem Fahrzeug als Dienstreise zu sehen wäre. Entgegen der bisherigen Praxis wären dann für die Verpflegungspauschalen nicht mehr die Abwesenheitszeiten von der Wohnung, sondern die vom Depot maßgebend.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 11.5.2005 VI R 15/04