An der Börse hatte der Herausforderer zuletzt das Nachsehen gegenüber seinen Dauerrivalen. Die Aktie des kalifornischen Softwareanbieters Workday lag zum Jahresbeginn 2025 rund sechs Prozent im Plus gegenüber dem Vorjahr, während die Anteile von Oracle (+55 Prozent) und SAP (+70 Prozent) deutlich höher im Kurs standen. Zu schwächeln begann die Workday-Aktie bereits im Februar 2024. Christopher Knörr, Managing Director DACH bei Workday, gibt die Kursentwicklung keinen Anlass zur Sorge. Natürlich spüre man in Deutschland angesichts der schwachen Konjunktur eine gewisse Vorsicht in den Unternehmen. Besonders bei den Autobauern und Zulieferern herrsche eine starke Zurückhaltung, was Investitionen angehe. Dagegen sei die Stimmung in der Finanz-, Versicherungs- und Retailbranche deutlich positiver. "Ich schaue positiv auf den DACH-Markt", sagt Knörr. Dort habe Workday die vergangenen zwei Jahre in Folge ein jeweils zweistelliges Wachstum eingefahren, erläutert er.
Kundenliste vom Mittelständler bis zum Dax-Konzern
Software-Analyst und Marktkenner Jens Bender, der für das Personalmagazin das HR-Software-Ranking erstellt, schätzte den Umsatz von Workday im deutschsprachigen Raum auf rund 72,4 Millionen Euro für das Jahr 2023. Damit liegen die Amerikaner auf Rang elf in der Liste der 25 umsatzstärksten HR-Software-Anbieter in der DACH-Region und zählen mit einem Umsatzplus von rund 28 Prozent zu den größten Gewinnern. Knörr kommentiert oder bestätigt diese Zahlen nicht. Als Orientierung bleibt nur das Gesamtergebnis des HR- und Finanz-Software-Anbieters. Das lag im Geschäftsjahr 2024 bei 7,26 Milliarden Euro und rund 17 Prozent höher als noch im Vorjahr. Zum Vergleich: zum Zeitpunkt unseres ersten Marktgesprächs mit Knörr hatte Workday 4,96 Milliarden Euro umgesetzt (Dezember 2022). Die mittelfristige Betrachtung würde somit die optimistische Prognose des DACH-Chefs stützen.
Die Kundenliste des Cloud-Anbieters reicht vom Mittelständler bis zum Dax-Konzern. Vereinzelt finden sich auch kleinere Unternehmen mit mehreren hundert Beschäftigten unter den Nutzern. Die seien dann aber schnellwachsend und legten ihre Systeme bereits für höhere Anforderungen aus, behauptet Knörr. Weltweit hat der Anbieter nach eigenen Angaben rund 70 Millionen Nutzer auf seiner Plattform, die sich auf etwa 10.500 Kunden verteilen.
Technologisch setzt Workday, wie derzeit fast alle Software-Anbieter, darauf, KI-Anwendungen in seine Lösung einzubetten. Aktuell seien rund 50 KI-Szenarien, wie Knörr die Features nennt, nutzbar und stünden allen Kundinnen und Kunden zur Verfügung. Die KI soll auf drei Ebenen wirken: Prozesse beschleunigen, Assistenzaufgaben übernehmen und Veränderungen unterstützen. Das sind große Versprechungen, die in der Praxis eingelöst werden müssen. Knörr nennt als Beispiel die Erstellung von Jobbeschreibungen, was ein naheliegender Anwendungsfall ist. Für Personalerinnen und Personaler werden KI-Anwendungen eine enorme Entlastung bringen, da dadurch zahlreiche Aufgaben automatisiert werden und mehr Zeit für strategische Aufgaben gewonnen wird. Genau das ist das Versprechen des Technologieanbieters.
Eine verantwortungsvolle, autonome KI
Eine weitere Anwendungsebene sind die sogenannten KI-Agenten. Hier soll die Künstliche Intelligenz autonom Aufgaben für Nutzer erledigen, beispielsweise die Reisekostenabrechnung erledigen oder eine Nachfolgeplanung aufstellen. "Wir setzen auf eine verantwortungsvolle KI", sagt Knörr. In letzter Instanz müssten die Vorschläge des Algorithmus deshalb immer vom Menschen abgesegnet werden. Transparenz und Nachvollziehbarkeit seien zentral, betont er mehrfach – wohl auch, um Bedenken seitens der Unternehmen zu begegnen. Auch wenn die Entscheidungsfindung einer generativen künstlichen Intelligenz in letzter Instanz nicht möglich ist, will der Anbieter zumindest bei den Daten, die einfließen, Klarheit schaffen. Dabei steht Workday, wie alle Anbieter, vor einer Herausforderung: nur wenn Menge und Qualität der Daten stimmen, ist das System in der Lage, sinnvolle Vorschläge zu machen. Heißt auch, Mitarbeitende und Führungskräfte müssen einen Mehrwert darin sehen, die Plattform fortlaufend mit Daten zu füttern. Ein Aufwand, der Beschäftigen dadurch schmackhaft gemacht werden soll, so ihre eigene Karriereplanung vorantreiben zu können.
Der "Career Hub" ist eines der Szenarien, auf die der Anbieter große Hoffnungen setzt. Mitarbeitende könnten dort eigene schon vorhandene Fähigkeiten hinterlegen, ebenso wie Karriereambitionen und Fähigkeiten, an denen sie interessiert sind. Ergänzt werden diese Daten durch Personalstammdaten, Zielvereinbarungs- und Feedbackgespräche mit der Führungskraft sowie Feedback und Kenntnisbestätigungen von Kolleginnen und Kollegen. Auf dieser Basis erhalten Mitarbeitende passende Stellenanzeigen, Weiterbildungsangebote oder Entwicklungspfade. Letztere sollen jedoch nicht nur auf Basis von Vergangenheitsdaten, sondern auch unter Einbeziehung sogenannter Future Skills errechnet werden. Umgekehrt könnten auch Führungskräfte ihren Mitarbeitenden Weiterbildungsempfehlungen geben. Wie gut beides in der Praxis bereits funktioniert, darüber macht Workday ebenfalls keine Angaben. Ob der Ansatz eine Karriereplanung auf eigene Faust ermöglichen kann oder doch eher eine Ergänzung zu Entwicklungsgesprächen bietet, muss sich zeigen.
Skeptikern wird mit "maximaler Transparenz" begegnet
Dass die KI-Integration in die Software immer tiefer und dichter wird, daran besteht schon jetzt kein Zweifel mehr. Allein für das Jahr 2025 stehen 30 weitere KI-Szenarien auf der Roadmap des Anbieters - und auch für 2026 hat Workday bereits klare Vorstellungen. Bislang sind die Anwendungen optional. Wer darauf zugreifen möchte, muss eine zusätzliche Vereinbarung unterzeichnen, die im Kern die Datennutzung durch Workday regelt. Viele Unternehmen sind aber noch zurückhaltend. Häufig seien es die Betriebsräte, die einer Nutzung eher kritisch gegenüberstehen, so Knörr. Vorbehalte, die zum Teil auf mangelndes Verständnis für die Technik zurückzuführen sind, würden in gemeinsamen Gesprächen ausgeräumt, sagt er. Man wolle dem mit "maximaler Transparenz" begegnen. So möchte Workday seine Skeptiker überzeugen. Denn so viel ist klar: Wer die volle Leistungsfähigkeit der Software nutzen möchte, wird mittelfristig nicht an den KI-Anwendungen vorbeikommen. Zumindest in dieser Hinsicht dürften sich die Amerikaner vom deutschen Platzhirsch kaum unterscheiden. Dessen Dominanz am heimischen Markt zu durchbrechen, ist aber vermutlich noch ein weiter Weg.
Zur Serie: Im "Marktgespräch HR Tech" spricht die Haufe Online Redaktion in regelmäßigen Abständen mit Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen etablierter Softwarehäuser sowie aufstrebender Startups und beleuchtet dabei die Entwicklungen und Trends im Markt für HR-Software.