Sind Beratungskosten für eine Selbstanzeige als Werbungskosten abziehbar?
Der immer engmaschigere internationale Datenaustausch, der Ankauf von Steuer-CDs und nicht zuletzt der „Hoeneß-Effekt“ haben dazu beigetragen, dass deutsche Finanzämter derzeit regelrecht mit einer Flut von Selbstanzeigen überschwemmt werden. Aus den Bundesländern werden immer neue Rekordzahlen veröffentlicht, NRW-Finanzminister Norbert Walter-Bojans vermeldete kürzlich eine Verfünffachung der Selbstanzeigen gegenüber dem Vorjahresquartal.
Sind Beratungskosten als Werbungskosten abziehbar?
Da immer mehr Steuerhinterzieher die Flucht nach vorne antreten, rückt die Frage in den Fokus, ob Rechtsanwalts- und Steuerberatungskosten für die Erstellung einer Selbstanzeige als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden dürfen. Ein Urteil des FG Köln ist hier von besonderem Interesse.
Rechtlicher Rahmen
Mit Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 hat der Gesetzgeber geregelt, dass bei der Ermittlung der Kapitaleinkünfte nur noch der Sparer-Pauschbetrag i. H. v. 801 EUR pro Person (1.602 EUR bei Ehegatten) abgezogen werden darf; ein Ansatz der tatsächlich entstandenen Kosten ist seither nicht mehr zulässig (Abzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG). Nach der entsprechenden Anwendungsvorschrift ist das Abzugsverbot erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden (§ 52a Abs. 10 Satz 10 EStG).
Entscheidung des FG Köln
Das FG Köln hat mit Urteil vom 17.4.2013 seine Lesart zur Anwendbarkeit des Abzugsverbots veröffentlicht und erklärt, dass Beratungskosten für Selbstanzeigen ungeachtet ihres Zahlungszeitpunkts weiterhin als Werbungskosten bei den Kapitaleinkünften abgezogen werden können, wenn und soweit sich die Selbstanzeige auf nacherklärte Kapitalerträge aus Jahren bis 2008 bezieht. Die Entscheidung hat somit besondere Relevanz für aktuelle Selbstanzeigen, die sich auf Altjahre bis 2008 beziehen.
Blick in die Urteilsgründe
Das FG begründet seine Auffassung wie folgt:
- Wortlaut: Die Anwendungsvorschrift bestimmt bereits in ihrem Wortlaut, dass das Abzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden ist. Sie wählt als zeitlichen Anknüpfungspunkt also ausdrücklich den Zufluss der Kapitalerträge, nicht aber den Abfluss der Werbungskosten. Da der Zahlungszeitpunkt der betreffenden Aufwendungen somit irrelevant ist, können auch ab 2009 gezahlte Beraterhonorare abgezogen werden, soweit sie sich auf Kapitalerträge aus Altjahren bis 2008 beziehen.
- Gesetzeszweck: Das FG sieht keinen Anlass, die Anwendungsvorschrift zum Abzugsverbot entgegen ihres Wortlauts steuerverschärfend auszulegen. Denn auch aus der Gesetzesbegründung entnahm das FG, dass der Gesetzgeber das Verbot erst für nach dem 31.12.2008 zugeflossene Kapitalerträge eintreten lassen wollte.
Blick in den Urteilsfall
Im Urteilsfall hatten Eheleute in ihrer Selbstanzeige Kapitalerträge für die Jahre 2002 bis 2008 nacherklärt. Hierfür waren ihnen in 2010 Rechtsanwalts- und Steuerberatungskosten von insgesamt 13.856 EUR entstanden. Das FG entschied, dass von den Beratungskosten unstreitig 12.000 EUR ausschließlich auf die Ermittlung der nacherklärten Einkünfte entfielen und dieser Teil als Werbungskosten in der Einkommensteuererklärung 2010 abgerechnet werden kann.
Hinweis: Wie bei anderen Steuerberatungskosten auch, sind nur die Aufwendungen für die Ermittlung der Einkünfte abziehbar (z. B. Kosten der Buchführungsarbeiten, Überwachung der Buchführung, Ermittlung von Ausgaben oder Einnahmen, Anfertigung von Zusammenstellungen, Aufstellung von Bilanzen oder Einnahmen-Überschussrechnungen). Im Fall einer Selbstanzeige sind also z. B. die Arbeitsschritte begünstigt, mit denen der Berater die Erträge aus den Kontoauszügen zusammengestellt. Nicht abziehbar sind demgegenüber die Kosten für das Übertragen der Ergebnisse in die Erklärungsvordrucke und das übrige Ausfüllen der Einkommensteuererklärung (z. B. zu außergewöhnlichen Belastungen, Sonderausgaben). Zu den nicht abzugsfähigen Aufwendungen zählen auch die Kosten der Selbstanzeige, die zur Geltendmachung und Durchsetzung der strafbefreienden Wirkung anfallen. |
Kostenabzug neben Sparer-Pauschbetrag möglich
Das FG erklärte zudem, dass die Eheleute die tatsächlichen Werbungskosten neben dem Sparer-Pauschbetrag von 1.602 EUR geltend machen können. Ein gleichzeitiger Abzug von tatsächlichen Kosten und Pauschbetrag war nach Ansicht des Gerichts gerechtfertigt, da der Pauschbetrag auf die Kapitalerträge des Veranlagungszeitraums 2010 entfiel (für die das Abzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG galt) und die tatsächlichen Werbungskosten für Kapitalerträge der Jahre 2002 bis 2008 angefallen waren.
Standpunkt der Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass ab 2009 abgeflossene Ausgaben auch dann unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG fallen, wenn sie mit Kapitalerträgen der Vorjahre in Zusammenhang stehen (BMF, Schreiben v. 9.10.2012, IV C 1-S 2252/10/10013, 2011/0948384, Rz. 322).
Auswirkungen auf aktuelle Steuererklärungen
Wer Beratungskosten für eine Selbstanzeige in seiner aktuellen Einkommensteuererklärung nach den Grundsätzen des FG Köln abrechnen will, muss also zunächst einmal den abziehbaren Kostenteil ermitteln, der auf die Ermittlung der Einkünfte entfällt; hierbei hilft eine Kostenaufschlüsselung des Beraters. In einem weiteren Schritt müssen die Kosten dann auf die Veranlagungszeiträume der nacherklärten Kapitaleinkünfte aufgeteilt werden. Der Kostenteil, der auf Kapitalerträge bis einschließlich 2008 entfällt, ist nach der Entscheidung des FG Köln abziehbar.
Revisionsverfahren beim BFH
Gegen die Entscheidung des FG Köln ist ein Revisionsverfahren beim BFH anhängig (Az. VIII R 34/13). Sofern sich Steuerpflichtige mit einem Einspruch gegen die Aberkennung der Beratungskosten wenden, können sie daher ein Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BFH erreichen (sog. Zwangsruhen des § 363 Abs. 2 Satz 2 AO).
Fazit: Ob Werbungskosten dem Abzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG unterfallen, richtet sich nach Auffassung des FG Köln also maßgeblich nach dem Zuflusszeitpunkt der nacherklärten Kapitalerträge. Viele Stimmen in der Literatur kommen zu demselben Ergebnis. Abzuwarten bleibt nun, welchen Weg der BFH einschlagen wird. |
FG Köln, Urteil v. 17.4.2013, 7 K 244/12; Revision anhängig, Az. beim BFH: VIII R 34/13
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