Kindergeld für verheiratete Kinder

Hintergrund
Bis 2011 wurde ein volljähriges Kind beim Kindergeld nur berücksichtigt, wenn seine Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag von 8004 EUR (bis 2009: 7.834 EUR) nicht überstiegen. Zu den schädlichen Bezügen eines verheirateten Kindes gehörten auch die Unterhaltsleistungen seines Ehegatten. Ab 2012 ist die Einkünfte- und Bezügegrenze weggefallen. Streitig war daher, ob gleichwohl noch auf die Unterhaltsansprüche gegen den Ehepartner abgestellt werden kann.
V ist Vater einer volljährigen, aber noch nicht 25 Jahre alten verheirateten Tochter T, die sich im Streitjahr 2012 in einem Ausbildungsverhältnis befand. Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag mit der Begründung ab, T könne sich mit ihrem eigenen Einkommen und dem Unterhaltsbeitrag ihres Ehemannes selbst unterhalten. Nach der Berechnung der Familienkasse hatte T (eigene) Einkünfte von mehr als 8.300 EUR.
Das FG gab V Recht und entschied, da es ab 2012 nicht mehr auf die Höhe der Einkünfte und Bezüge eines Kindes ankomme, sei ein etwaiger Unterhaltsanspruch der T gegen ihren Ehemann unerheblich.
Entscheidung
Auch der BFH ist der Auffassung, dass die Verheiratung eines Kindes dem Kindergeldanspruch nicht entgegen steht. Die Revision der Familienkasse wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die frühere Rechtsprechung, nach der für ein verheiratetes Kind grundsätzlich kein Kindergeldanspruch besteht, beruhte auf der Annahme, dass das Kindergeld für über 18 Jahre alte Kinder eine "typische Unterhaltssituation" seitens der Eltern voraussetzt, an der es fehlt, wenn das Kind verheiratet ist oder während einer Übergangs- oder Wartezeit einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht. Der Anspruch blieb jedoch erhalten, wenn - z.B. in einer Studentenehe - die Einkünfte des Ehepartners für den vollständigen Unterhalt des Kindes nicht ausreichten und das Kind selbst ebenfalls nicht über ausreichende Mittel verfügte (sog. Mangelfall).
Bereits in 2010 hat sich der BFH jedoch mehr am Gesetzeswortlaut (§ 32 Abs. 4 EStG) orientiert und das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der "typischen Unterhaltssituation" aufgegeben (Urteil v. 17.6.2010, III R 34/09, BStBl II 2010, 982). Allerdings hatte der BFH auch danach noch für verheiratete Kinder wegen der vorrangigen Unterhaltsverpflichtung des Ehegatten den Kindergeldanspruch grundsätzlich verneint. Diese Rechtsprechung hat der BFH jetzt aufgegeben. Die Fortführung einer Einkünfte- und Bezügegrenze, die sich allein auf verheiratete Kinder beschränkt, stände in Widerspruch zu der mit der Abschaffung der Grenzbetragsregelung bezweckten Verwaltungsvereinfachung.
Hinweis
Der Gesetzgeber unterstellte typisierend, dass die Eltern nicht mehr mit Unterhaltsverpflichtungen belastet sind, wenn die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag überschreiten. Mit dem Wegfall des Grenzbetrags ab 2012 kann jedoch auch für ein einkommensstarkes Kind Kindergeld beansprucht werden. Die Unterhaltssituation spielt keine Rolle mehr. Deshalb kann es auch auf die Unterhaltsleistungen des Ehepartners eines verheirateten Kindes nicht mehr ankommen.
Im Streitfall hatte T erhebliche eigene Einkünfte (über 8.300 EUR). Die Entlastung der Eltern beruht daher nicht auf der Heirat und dadurch erlangten Unterhaltsansprüchen, sondern lediglich auf den Einkünften des Kindes. Diese sind jedoch ab 2012 nicht mehr zu berücksichtigen. Es ließe sich nicht rechtfertigen, in einem solchen Fall gleichwohl den Kindergeldanspruch allein wegen der Heirat des Kindes zu versagen. An der entgegen stehenden Verwaltungsregelung in DA-FamEStG 2013 Abschn. 31.2.2 Abs. 1, H 32.3 EStH ist nicht festzuhalten.
Urteil v. 17.10.2013, III R 22/13, veröffentlicht am 22.1.2014
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