Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Aufgrund des § 2259 Abs. 1 BGB ist der Besitzer eines nicht in besondere amtliche Verwahrung gebrachten Testaments verpflichtet, dieses unverzüglich an das Nachlassgericht abzuliefern, sobald er vom Tode des Erblassers Kenntnis erlangt hat. Die Ablieferungspflicht betrifft alle Schriftstücke, die sich äußerlich odern nach ihrem Inhalt als letztwillige Verfügung des Erblassers darstellen ohne Rücksicht darauf, ob sie sachlich und formell gültig, offen oder verschlossen sind.
Normenkette
BGB § 2259 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Passau (Beschluss vom 09.09.1987; Aktenzeichen 2 T 160/87) |
AG Passau (Beschluss vom 16.07.1987; Aktenzeichen 3 VI 22/83) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 werden aufgehoben:
- Der Beschluß des Landgerichts Passau vom 9. September 1987 in seiner Nr. II sowie in Nr. I insoweit, als darin die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen die Nr. II des amtsgerichtlichen Beschlusses zurückgewiesen wird;
- der Beschluß des Amtsgerichts Passau – Zweigstelle Vilshofen – vom 16. Juli 1987 in Nr. II, soweit die Entscheidung den beim Notar hinterlegten Koffer betrifft.
II. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Passau vom 9. September 1987 wird im übrigen, die des Beteiligten zu 3 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß seine Beschwerde verworfen wird, soweit sie sich gegen die Nr. II des amtsgerichtlichen Beschlusses richtet.
III. Der Beteiligte zu 2 hat ein Viertel, der Beteiligte zu 3 die Hälfte derjenigen Kosten zu erstatten, die der Beteiligten zu 1 durch die Beschwerden und die weiteren Beschwerden entstanden sind.
IV. Der Geschäftswert wird auf 5.000,– DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Am 13.1.1983 verstarb … der … … Erblasser. Er hatte seinen letzten Wohnsitz in O.. Die Beteiligte zu 1 ist seine Witwe. Mit ihr war er in zweiter Ehe verheiratet. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind seine Söhne aus erster Ehe.
Am 21.4.1983 erteilte das Nachlaßgericht der Witwe einen Erbschein als Alleinerbin auf Grund eines gemeinschaftlichen Testaments vom 29.12.1982. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben danach das Testament erfolglos angefochten. Das Nachlaßgericht hat die Einziehung des Erbscheins abgelehnt. Die dagegen eingelegten Beschwerden wurden zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sowie die Firma M. … hatten am 19.2.1983 schriftlich vereinbart, daß der Koffer mit Schriftstücken bei Notar Dr.H. … mit der Anweisung hinterlegt wird, den Koffer nur im Einvernehmen aller Beteiligten an einen von ihnen oder an einen Dritten auszuhändigen. Anstelle der Weisung solle die Vorlage eines rechtskräftigen Urteils auf Herausgabe des Koffers treten. Diese Vereinbarung wurde am selben Tage, nachdem der Koffer gemeinsam geöffnet und die Sichtung des Inhalts unterbrochen worden war, ebenfalls schriftlich dahingehend ergänzt, daß die „Entnahme von weiteren Schriftstücken eingestellt” und der Koffer vom Notar entsprechend der Anweisung verwahrt werden solle. Dieser Koffer befindet sich seitdem beim Notar.
Die Beteiligten zu 2 und 3 haben beim Nachlaßgericht beantragt, den Koffer, der bei Notar Dr. … H. hinterlegt ist, beizuziehen, zu öffnen und den Inhalt den Beteiligten bekanntzugeben. Diesen Antrag haben sie auf einen weiteren Koffer erstreckt, den die Beteiligte zu 1 in ihrer Wohnung verwahrt. Die Beteiligte zu 1 ist diesen Anträgen entgegengetreten.
Mit Beschluß vom 16.7.1987 hat das Nachlaßgericht in Nr. I die Anträge als unbegründet zurückgewiesen. Außerdem hat es unter Nr. II entschieden:
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben,
den Inhalt
- des beim Notar Dr. H. hinterlegten sowie
- jenen in ihrem Besitz befindlichen Koffers durchzusehen und
zu erklären,
ob die Koffer Schriftstücke des Erblassers enthalten und gegebenenfalls welcher Art. diese Schriftstücke sind (mit grober Klassifizierung wie etwa Geschäftspapiere, Briefwechsel, Kontoauszüge, Verträge …) sowie ob sie Schriftstücke enthalten, in denen (evtl.u. a.) der Erblasser Regelungen für den Todesfall oder damit zusammenhängende Umstände getroffen hat.
Gegen diesen Beschluß haben die Beteiligten zu 2 und 3 Beschwerde eingelegt, mit der sie auch beanstanden, daß die Beteiligte zu 1 „mit der Prüfung des Kofferinhalts beauftragt” wurde, nicht aber der Beteiligte zu 2 und die Firma M. …, die „dinglich Berechtigte” seien. Die Beschwerden hat das Landgericht mit Beschluß vom 9.9.1987 in Nr. I zurückgewiesen und in Nr. II den Beteiligten zu 2 und 3 gesamtschuldnerisch die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Beteiligten zu 1 auferlegt. Hiergegen richten sich die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3. Sie beantragen, die Beschlüsse des Landgerichts und des Amtsgerichts aufzuheben und den bei Notar Dr. H. hinterlegten Koffer mit Inhalt durch das Nachlaßgericht beiziehen, öffnen und den Inhalt den Beteiligten bekanntgeben zu lassen.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist zum Teil begründet, die des Beteiligte...