Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Testaments

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch bei einer ihrem Wortlaut nach scheinbar eindeutigen Willenserklärung ist der Richter an den Wortlaut nicht gebunden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat.

2. Eine andere Frage ist es, ob der vom Wortlaut abweichende wirkliche Wille des Erblassers formgültig ist. Hierfür genügt, dass der wirkliche Wille des Erblassers in einem formgültigen Testament eine wenn auch noch so geringe Grundlage hat und in diesem irgendwie und sei es auch nur andeutungsweise zum Ausdruck kommt.

 

Normenkette

BGB § 2084

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 wird der Beschluß des Landgerichts … vom 25. März 1987 aufgehoben.

II. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht … zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Am 9.12.1983 verstarb in … die

Erblasserin. Die Beteiligten sind die Kinder aus ihrer Ehe mit dem am 12.1.1958 verstorbenen Landwirt …

Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus einer Eigentumswohnung … mit einem Verkehrswert von rund 169.000 DM sowie aus Bankguthaben in Höhe von rund 49.000 DM.

Die Erblasserin hatte am 26.4.1980 ein handschriftlich verfaßtes Testament errichtet, in dem u. a. folgendes ausgeführt ist:

Meine persönliche Habe soll mein Sohn Karl (= Bet. zu 3) an meine lebenden Kinder Anna Hans und Franz sowie das noch vorhandene Sparkonten Geld und Goldstücke zu je gleichen Teilen verteilen! Meine Tochter Anna … bekommt meine Eigentumswohnung als Aleinerbin. Als Gegenleistung muß aber Anna … meinem Sohn u. ihrem Bruder Franz … die Miete der Wohnung von meinem Ableben an bis 31.12.1982 das Mietgeld von 450.– DM zu überweisen.

In der Nachlaßverhandlung vor dem Amtsgericht … haben die Beteiligten am 14.12.1983 erklärt, sie legten das Testament so aus, daß nach dem Willen der Erblasserin die vier Kinder von sämtlichen persönlichen Gegenständen, Sparkonten, Geld und Goldstücken den gleichen Teil bekommen sollen. Unter Einbeziehung des Werts der Eigentumswohnung ergebe sich hieraus rechnerisch ein Anteil von 4/5 für die Beteiligte Anna … und für die drei anderen Beteiligten ein Anteil von je 1/15. Das Nachlaßgericht bewilligte am 16.12.1983 auf den übereinstimmenden Antrag der Beteiligten einen gemeinschaftlichen Erbschein, demzufolge die Erblasserin von Anna … zu 4/5 und von den anderen Beteiligten zu je 1/15 beerbt worden sei.

Mit Beschluß vom 17.9.1986 lehnte das Nachlaßgericht einen Antrag des Beteiligten Franz … ab, den Erbschein einzuziehen und dem Beteiligten Karl … eine Frist zur Annahme des Testamentsvollstreckeramts zu setzen. Auf Beschwerde des Beteiligten Franz … hat das Landgericht … am 25.3.1987 die Entscheidung des Nachlaßgerichts aufgehoben, den Erbschein vom 16.12.1983 eingezogen und das Nachlaßgericht angewiesen, einen neuen gemeinschaftlichen Erbschein „unter Berücksichtigung der Rechtsansicht des Beschwerdegerichts” zu erteilen. Der Erbschein sei unrichtig, denn bereits aus dem Wortlaut des Testaments vom 26.4.1980 ergebe sich, daß nur die Beteiligten Anna …, Johann … und Franz … als Erben eingesetzt seien. Der Beteiligte Karl hingegen sei zum Testamentsvollstrecker bestimmt worden.

Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte Karl am 10.4.1987 zu Protokoll des Amtsgerichts weitere Beschwerde eingelegt, weil die Testamentsauslegung des Landgerichts unzutreffend sei. Die Beteiligten Anna … und Johann … haben sich der Rechtsansicht ihres Bruders angeschlossen. Der Beteiligte Franz … tritt dem Rechtsmittel entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt:

Bereits aus dem Wortlaut des Testaments vom 26.4.1980 ergebe sich, daß es ausschließliche Aufgabe des Beteiligten Karl … sei, die persönliche Habe der Erblasserin, das Geld auf den Sparkonten und die Goldstücke an seine Geschwister zu verteilen. Er sei damit als Testamentsvollstrecker eingesetzt worden. Zwar sei bei der Auslegung eines Testaments der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen. Dies führe jedoch zu keinem anderen Ergebnis. Allein der Tatsache, daß auch der Name Karl … im Testament unterstrichen sei, könne die Kammer keinen anderen Sinngehalt entnehmen. Entscheidend für die Auslegung sei die in den Akten 1 O 340/86 des Landgerichts … enthaltene Urkunde des Notars …, aus der sich ergebe, daß die Erblasserin ihrem Sohn Karl unter Anrechnung auf den Erb- und Pflichtteil Grundstücke übertragen habe. Diese Tatsache stütze den Wortlaut des Testaments, wonach Karl … gerade nicht als Erbe eingesetzt sei. Somit bestehe nach dem eindeutigen Wortlaut des Testaments in Verbindung mit der Übertragung wesentlicher Vermögensbestandteile zu Lebzeiten der Erblasserin kein Anlaß für eine vom Testamentswortlaut abweichende Auslegung. Der unrichtige Erbschein sei daher einzuziehen. Das Amtsgeri...

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