Verfahrensgang
AGH Berlin (Entscheidung vom 28.02.2024; Aktenzeichen II AGH 5/23) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 28. Februar 2024 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 12.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger ist seit dem Jahr 1991 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Schreiben vom 27. Juni 2021 beantragte er, ihm die Befugnis zur Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Erbrecht" zu verleihen. Zum Nachweis seiner besonderen praktischen Erfahrungen reichte er eine Fallliste ein und versicherte anwaltlich die weisungsfreie und eigenverantwortliche Bearbeitung der dort aufgeführten Fälle. Der Aufforderung des Berichterstatters des zuständigen Fachanwaltsausschusses der Beklagten vom 18. September 2021, Arbeitsproben u.a. zu mehreren von ihm als rechtsförmlich angegebenen Fällen vorzulegen, kam der Kläger nicht nach und ließ auch die ihm vom Fachanwaltsausschuss gesetzte Ausschlussfrist (§ 24 Abs. 4 FAO) fruchtlos verstreichen. Am 2. März 2022 beschloss der Fachanwaltsausschuss, die Ablehnung des Antrags zu empfehlen.
Rz. 2
Mit Bescheid vom 11. Januar 2023 lehnte die Beklagte den Antrag nach Gewährung rechtlichen Gehörs in Übereinstimmung mit der Empfehlung des Fachanwaltsausschusses und unter Bezugnahme auf die Voten des dortigen Berichterstatters (vom 1. März 2022 und vom 1. August 2022) mit der Begründung ab, dass der Kläger den ihm obliegenden Nachweis praktischer Erfahrungen auf dem Fachgebiet "Erbrecht" nicht erbracht habe. Von seinen dafür benannten Fällen seien nur 10 rechtsförmliche Verfahren und insgesamt nur 72 Fälle anerkennungsfähig, so dass sowohl die erforderliche Mindestfallzahl als auch das qualifizierende Quorum gemäß § 43c Abs. 1 BRAO, § 2 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Buchst. m, § 6 FAO nicht erreicht sei. Bei etlichen Fällen sei der erbrechtliche Bezug nicht hinreichend vorhanden gewesen, eine recht hohe Zahl der als gerichtlich angegebenen Fälle sei nicht als rechtsförmlich zu qualifizieren und teilweise seien auch angeforderte Arbeitsproben nicht eingereicht worden.
Rz. 3
Der Anwaltsgerichtshof hat die dagegen erhobene Klage auf Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheids die Befugnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung "Fachanwalt für Erbrecht" zu verleihen, abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Kläger habe das nach § 43c Abs. 1, § 59a Abs. 2 Nr. 2 BRAO, § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Buchst. m FAO erforderliche qualifizierende Quorum von 20 rechtsförmlichen Verfahren mit erbrechtlichem Bezug nicht nachgewiesen. Von den 23 vom Kläger als rechtsförmlich bezeichneten Verfahren könnten jedenfalls die Fälle 1, 2, 3, 6, 7/7neu und 17 nicht berücksichtigt werden, weil es an dem dafür erforderlichen erbrechtlichen Bezug fehle. Darüber hinaus neige der Senat dazu, auch in den Fällen 4, 9, 13 und 24 einen erbrechtlichen Bezug zu verneinen. Dies könne im Ergebnis aber offenbleiben, weil der Kläger auch bei Berücksichtigung dieser Fälle und den von der Beklagten anerkannten Fällen das erforderliche Quorum von 20 rechtsförmlichen Verfahren nicht erreicht habe. Damit könne auch dahinstehen, ob die nach § 5 Abs. 1 Buchst. m FAO erforderliche Gesamtzahl von 80 Fällen erreicht sei.
Rz. 4
Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Rz. 5
Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
Rz. 6
1. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 27. April 2016 - AnwZ (Brfg) 3/16, BRAK-Mitt. 2016, 299 Rn. 3, vom 16. März 2015 - AnwZ (Brfg) 47/14, juris Rn. 3 und vom 19. April 2022- AnwZ (Brfg) 1/22, NJW-RR 2022, 1218 Rn. 3). Entsprechende Zweifel hat der Kläger mit seiner Antragsbegründung nicht dargetan.
Rz. 7
Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag des Klägers zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger den nach 43c Abs. 1, § 59a Abs. 2 Nr. 2 BRAO, § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Buchst. m, § 6 Abs. 1 und 3 FAO erforderlichen Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen im Fachgebiet "Erbrecht" durch mindestens 20 rechtsförmliche erbrechtliche Verfahren nicht erbracht hat. Die dagegen erhobenen Einwände des Klägers greifen nicht durch.
Rz. 8
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein Fall "erbrechtlich" im Sinn von § 5 Abs. 1 Buchst. m FAO, wenn er sich auf die in § 14f Nr. 1 bis 5 FAO bestimmten Bereiche des Erbrechts bezieht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ein Schwerpunkt der Bearbeitung in dem in § 14f FAO näher umschriebenen Fachgebiet Erbrecht liegt (vgl. Senat, Beschluss vom 20. April 2009 - AnwZ (B) 48/08, BRAK-Mitt. 2009, 177 Rn. 8).
Rz. 9
Entgegen der Ansicht des Klägers ist ein solcher erbrechtlicher Schwerpunkt allerdings nicht immer schon dann zu bejahen, wenn sich in einem Fall eine erbrechtliche Frage stellt oder auch nur stellen könnte. Der Kläger übersieht, dass nach der Rechtsprechung des Senats für die Beurteilung, ob eine Fallbearbeitung ausreichende praktische Erfahrungen auf dem betreffenden Fachgebiet vermittelt, danach zu unterscheiden ist, ob der Fall originär diesem Gebiet zuzurechnen ist oder ob er thematisch einem anderen Rechtsbereich unterfällt und lediglich Berührungspunkte zum relevanten Fachgebiet aufweist (vgl. Senat, Urteile vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 58/12, NJW-RR 2014, 752 Rn. 13 bis 18 [zum Fachgebiet "Arbeitsrecht"] und vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 54/13, NJW-RR 2015, 745 Rn. 10, 37 [zum Fachgebiet "Urheber- und Medienrecht"]; jeweils mwN).
Rz. 10
Ein thematisch dem Gebiet des Erbrechts zuzuordnender Fall ist schon dann als erbrechtlicher Fall im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. m FAO anzuerkennen, wenn eine Frage aus den in § 14f FAO bestimmten Bereichen des Erbrechts zumindest erheblich werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 20. April 2009- AnwZ (Brfg) 48/08, BRAK-Mitt. 2009, 177 Rn. 8; Urteil vom 10. März 2014- AnwZ (Brfg) 58/12, NJW-RR 2014, 752 Rn. 14 [zum Fachgebiet "Arbeitsrecht"]; jeweils mwN).
Rz. 11
Bei Fällen, die dem relevanten Fachgebiet nicht originär zuzuordnen sind, weil sie nicht schon von sich aus grundsätzlich einen erbrechtlichen Schwerpunkt aufweisen, ist dagegen der erforderliche inhaltliche Bezug zum Erbrecht nur gegeben, wenn im konkreten Fall erbrechtliche Fragen für die argumentative Auseinandersetzung tatsächlich eine Rolle spielen (vgl. Senat, Beschluss vom20. April 2009 - AnwZ (Brfg) 48/08, BRAK-Mitt. 2009, 177 Rn. 9 sowie Urteile vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 58/12, NJW-RR 2014, 752 Rn. 14 bis 18 [zum Fachgebiet "Arbeitsrecht"] und vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 54/13,NJW-RR 2015, 745 Rn. 10, 37 [zum Fachgebiet "Urheber- und Medienrecht"]; jeweils mwN). Dafür genügt nicht jeder beliebige erbrechtliche Gesichtspunkt; vielmehr muss auch ein verschiedene Rechtsgebiete berührender Fall einen Bearbeitungsschwerpunkt im Erbrecht enthalten (vgl. Senat, Beschluss vom20. April 2009 - AnwZ (Brfg) 48/08, BRAK-Mitt. 2009, 177 Rn. 9). Insoweit ist zwar nicht erforderlich, dass die erbrechtliche Problemstellung einen wesentlichen Anteil an der Fallbearbeitung hat oder gar den Mittelpunkt des Falles bildet. Es muss aber im Rahmen des Falles im maßgeblichen Referenzzeitraum eine für die juristische Bearbeitung relevante erbrechtliche Frage tatsächlich aufgeworfen werden (vgl. Senat, Urteil vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 58/12,NJW-RR 2014, 752 Rn. 15 [zum Fachgebiet "Arbeitsrecht"]). Dass bei der Prüfung eines originär einem anderen Fachgebiet zuzuordnenden Falls nebenbei erbrechtliche Aspekte zu berücksichtigen sind, die keiner näheren Befassung bedürfen, weil sie sich als unproblematisch darstellen, reicht nicht aus. So wird ein Fall, dessen Schwerpunkt in einem anderen Fachgebiet liegt, nicht bereits dadurch zu einem (auch) erbrechtlichen Fall, dass einem Anspruch eine unstreitige Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB zugrunde liegt (vgl. Senat, Beschluss vom 20. April 2009 - AnwZ (B) 48/08, BRAK-Mitt. 2009, 177 Rn. 9 sowie Urteile vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 58/12, NJW-RR 2014, 752 Rn. 15, 20 [zum Fachgebiet "Arbeitsrecht"] und vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 54/13, NJW-RR 2015, 745 Rn. 37 [zum Fachgebiet "Urheber- und Medienrecht"]).
Rz. 12
Die Feststellung dieser Voraussetzungen bei nicht originär erbrechtlichen Fällen erfordert eine wertende Beurteilung des Gewichts, das dem erbrechtlichen Gesichtspunkt für die juristische Ausarbeitung dieses Falles zukommt, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. Senat, Beschluss vom20. April 2009 - AnwZ (Brfg) 48/08, BRAK-Mitt. 2009, 177 Rn. 10; Urteil vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 58/12, NJW-RR 2014, 752 Rn. 20 [zum Fachgebiet "Arbeitsrecht"]). Dabei obliegt dem Bewerber um den Fachanwaltstitel die Darlegung, welche erbrechtlichen Fragestellungen in welcher Form eine Rolle gespielt haben, um die gebotene Überprüfung zu ermöglichen (vgl. Senat, Urteil vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 58/12, NJW-RR 2014, 752 Rn. 20 [zum Fachgebiet "Arbeitsrecht"]), wozu er ggf. gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 FAO auch anonymisierte Arbeitsproben vorzulegen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 23. September 2002- AnwZ (B) 40/01, BRAK-Mitt. 2003, 25, 27). Kommt er dieser Mitwirkungspflicht nicht nach, geht das zu seinen Lasten (vgl. etwa BGH, Urteil vom 5. Mai 2014- AnwZ (Brfg) 51/12, juris Rn. 10).
Rz. 13
b) Ausgehend davon hat der Anwaltsgerichtshof zu Recht den Nachweis praktischer Erfahrungen im Fachgebiet "Erbrecht" als nicht erbracht angesehen, weil der Kläger die erforderliche Anzahl von 20 rechtsförmlichen erbrechtlichen Verfahren gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. m FAO nicht dargetan und belegt hat.
Rz. 14
aa) Der Kläger hat mit der Klage zuletzt noch 23 Fälle als rechtsförmliche erbrechtliche Verfahren geltend gemacht, von denen die Beklagte in ihrem Ablehnungsbescheid 10 Fälle als rechtsförmlich anerkannt hat. Die erforderliche Fallzahl von 20 rechtsförmlichen Verfahren wäre demnach nur erreicht, wenn von den übrigen 13 vom Kläger geltend gemachten Fällen (1 bis 4, 6, 7/7neu, 9, 12, 13, 17, 24, 24a, 24b) mindestens 10 Fälle ebenfalls als rechtsförmliche erbrechtliche Verfahren anzuerkennen wären.
Rz. 15
bb) Das hat der Anwaltsgerichtshof indes für jedenfalls 6 dieser Fälle (1, 2, 3, 6, 7/7neu und 17) zu Recht verneint. Die dagegen erhobenen Einwände des Klägers geben zu Zweifeln an der Beurteilung des Anwaltsgerichtshofs keinen Anlass.
Rz. 16
(1) Hinsichtlich des vom Kläger als Fall 1 genannten vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens in den USA kann dahinstehen, ob ein förmliches Verfahren im Ausland überhaupt als rechtsförmliches Verfahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. m FAO anzuerkennen wäre. Auch dann handelte es sich um kein originär dem Fachgebiet "Erbrecht" sondern dem "Familienrecht" (§ 5 Abs. 1 Buchst. e, § 12 FAO) zuzuordnendes Verfahren (vgl. Weyland/Vossebürger, BRAO, 11. Aufl., § 12 FAO Rn. 1). Nicht jedes vormundschaftliche Verfahren betrifft automatisch auch erbrechtliche Fragen, so dass es des Nachweises eines erbrechtlichen Bearbeitungsschwerpunkts bedurfte.
Rz. 17
Diesen Nachweis hat der Kläger nicht erbracht. Seine Angaben in der Fallliste und seine weiteren schriftsätzlichen und mündlichen Erläuterungen hat der Anwaltsgerichtshof zu Recht für nicht ausreichend erachtet. Der Kläger hat vorgetragen, er sei von dem (durch den Bruder als Vormund vertretenen) dementen Mandanten, der in Deutschland belegene Immobilien von einem deutschen Staatsbürger geerbt habe, als eine Art Sachverständiger beauftragt worden, im Rahmen des Vormundschaftsverfahrens die Besonderheiten des deutschen Erbrechts zu erläutern. Insbesondere sei zu klären gewesen, ob überhaupt ein Erbfall in Deutschland eingetreten sei, weswegen selbstverständlich erbrechtlich habe argumentiert werden müssen. Diesem pauschalen Vorbringen ist nicht zu entnehmen, welche erbrechtlichen Fragen tatsächlich konkret in dem Verfahren eine Rolle spielten und einer argumentativen erbrechtlichen Auseinandersetzung bedurften. Auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung des Anwaltsgerichtshofs konnte der Kläger nicht angeben, welche Bedeutung das deutsche Erbrecht für das amerikanische Vormundschaftsverfahren gehabt habe.
Rz. 18
Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof insoweit auch darauf verwiesen, dass der Kläger die zu diesem Fall angeforderte Arbeitsprobe nicht vorgelegt hat. Dabei kann dahinstehen, ob eine Anforderung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 FAO, wie der Kläger meint, nur dann gestattet ist, wenn die nach § 6 Abs. 3 Satz 1 FAO erfolgten Angaben in der Fallliste ausnahmsweise keine zweifelsfreie Feststellung der Voraussetzungen des § 5 FAO ermöglichen, und keine "regelmäßige" Anforderung ohne konkreten Anlass zur "stichprobenartigen Überprüfung" erlaubt, da Ersteres - wie oben ausgeführt - hier gerade der Fall war. Das war für den Kläger schon nach Erhalt des ersten Votums des Berichterstatters des Fachanwaltsausschusses vom 1. März 2022 ersichtlich, jedenfalls aber nach Erhalt des zweiten Votums vom 1. August 2022 und der von der Beklagten erstinstanzlich zur Akte gereichten weiteren Stellungnahme des Berichterstatters vom 19. April 2023, in denen ausdrücklich auch darauf abgestellt wurde, dass eine nähere Überprüfung des Schwerpunkts mangels Vorlage einer Arbeitsprobe nicht möglich sei. Jedenfalls dann hätte es dem Kläger im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht oblegen, den von ihm behaupteten erbrechtlichen Schwerpunkt durch die Vorlage einer Arbeitsprobe zu belegen. Das hat er aber weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof getan; auch mit dem Zulassungsantrag hat er keine Arbeitsprobe vorgelegt, so dass auch dem Senat eine Überprüfung nicht möglich ist.
Rz. 19
(2) Fall 2 betraf nach den Angaben des Klägers die Gründung einer Gesellschaft in den USA, bei der zur Anmeldung der Gesellschaft zum dortigen Unternehmensregister regelmäßig auch ein Gesellschaftsvertrag eingereicht werden müsse, den er für den Mandanten erarbeitet, dabei auch mögliche Gefahren für dessen Erben in Deutschland mit ihm erörtert und aus Gründen des gewünschten Erbenschutzes entsprechende Nachfolgeklauseln in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen habe.
Rz. 20
Danach wäre als rechtsförmliches Verfahren - wenn überhaupt - nur das in den USA geführte registerrechtliche Anmeldeverfahren anzusehen, das als solches wiederum kein originär erbrechtliches sondern ein handels-/gesellschaftsrechtliches Verfahren im Sinn von § 5 Abs. 1 Buchst. p, § 14i FAO wäre. Den somit erforderlichen Nachweis eines erbrechtlichen Bearbeitungsschwerpunkts, d.h. eine nähere Befassung mit erbrechtlichen Fragen in diesem (förmlichen) Registerverfahren, hat der Kläger nicht erbracht. Die Erörterung und evtl. auch vertiefte Ausarbeitung erbrechtlicher Fragen bei Erarbeitung des Gesellschaftsvertrags kann einen erbrechtlichen Bezug der außergerichtlichen Beratung begründen, besagt aber nichts darüber, dass die erbrechtlichen Regelungen des Gesellschaftsvertrags auch im Rahmen des amerikanischen Registerverfahrens tatsächlich eine Rolle spielten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof vermochte der Kläger auf Nachfrage keine Angaben dazu zu machen, ob und in welcher Hinsicht es für die dortige Eintragung der Gesellschaft auf die gesellschaftsvertraglichen Nachfolgeklauseln und etwaige erbrechtliche Fragestellungen angekommen sei. Die angeforderte Arbeitsprobe hat er auch hier trotz Hinweises auf deren Erforderlichkeit zur Überprüfung des erbrechtlichen Schwerpunkts in den Voten und der weiteren Stellungnahme des Berichterstatters des Fachanwaltsausschusses weder im erstinstanzlichen Verfahren noch mit seinem Zulassungsantrag vorgelegt.
Rz. 21
(3) Fall 3, in dem der Kläger einen Mandanten in einem Verfahren zur Erlangung der amerikanischen Staatsbürgerschaft vertreten und für diesen zugleich einen Antrag bei dem deutschen Generalkonsulat in Chicago auf Beibehaltung der deutschen Staatsbürgerschaft nach § 25 Abs. 2 Satz 4 StAG aF gestellt hat, betraf ein originär ggf. dem Fachgebiet "Migrationsrecht" (§ 5 Abs. 1 Buchst. w, § 14p Nr. 1 FAO) zuzuordnendes Verfahren (vgl. BeckOK FAO/Zimmermann, § 14p FAO Rn. 2 [Stand: 1. Mai 2024]; Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 8. Aufl., § 14p FAO Rn. 11), aber kein dem Erbrecht zuzuordnendes Verfahren.
Rz. 22
Dass der Kläger nach seinen Angaben zur Glaubhaftmachung der nach § 25 Abs. 2 Satz 4 StAG aF erforderlichen fortbestehenden engen Bindungen seines Mandanten an Deutschland neben dessen familiären Bindungen aufgrund seiner großen Familie in Deutschland speziell tragend auch dessen erst kürzlich mit seinen zahlreichen Geschwistern von seinem Vater geerbten Immobilienbesitz in Deutschland angeführt hat, der sich noch nicht aus dem Grundbuch ergeben habe, lässt noch keinen erbrechtlichen Bearbeitungsschwerpunkt im Sinne einer konkreten näheren Befassung mit erbrechtlichen Fragen erkennen. Auch die pauschale Behauptung des Klägers, die Eigentümerstellung des Mandanten sei wegen des Erbfalls "nicht unproblematisch" gewesen, reicht dafür nicht aus. Eine Arbeitsprobe zum Beleg einer speziell erbrechtlichen Argumentation hat der Kläger trotz Anforderung im Schreiben des Berichterstatters des Fachanwaltsausschusses vom 18. September 2021 und wiederholter Hinweise auf deren Notwendigkeit für eine Überprüfung in den Voten und der weiteren Stellungnahme des Berichterstatters weder im erstinstanzlichen Verfahren noch mit seinem Zulassungsantrag eingereicht.
Rz. 23
(4) Entsprechendes gilt für Fall 6, der die Führung eines landgerichtlichen Rechtsstreits um die von der Mandantin des Klägers begehrte Rückabwicklung eines Immobiliengeschäfts zum Gegenstand hatte, mithin wiederum kein Verfahren mit originär erbrechtlichem Inhalt.
Rz. 24
Dass der alleinerziehenden und schwer erkrankten Mandantin bei der Prozessführung aufgrund des Umstands, dass es sich bei der Immobilie um das von ihr und ihren noch minderjährigen Kindern bewohnte Familienheim und ihren nahezu einzigen Vermögensgegenstand handelte, besonders auch die Rechtsposition ihrer Kinder als ihre potentielle gesetzliche Erben wichtig war und der Kläger die Mandantin deswegen laufend auch zu allen erbrechtlichen Fragestellungen beraten haben mag, kann wiederum die Annahme eines erbrechtlichen (außergerichtlichen) Verfahrens im Sinn von § 5 Abs. 1 Buchst. m FAO rechtfertigen, besagt aber noch nichts über einen entsprechenden erbrechtlichen Schwerpunkt in der rechtsförmlichen Auseinandersetzung vor Gericht. Auch hier lässt sich allein aufgrund der pauschalen Angabe des Klägers, er habe die erbrechtliche Situation auch bei der Prozessführung berücksichtigt und als einen "der maßgeblichen Bestandteile der Argumentation vor Gericht" verwendet, keine konkret erbrechtliche Argumentation im Sinne einer näheren Befassung mit erbrechtlichen Fragen feststellen. Die aus diesem Grund für eine nähere Überprüfung erforderlichen und angeforderten Arbeitsproben hat der Kläger wiederum nicht vorgelegt.
Rz. 25
(5) In Fall 7 hat der Kläger die Mandantin nach seinen eigenen Angaben zunächst lediglich außergerichtlich erbrechtlich wegen der Anfechtung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Testaments durch einen Dritten beraten, nicht aber auch im diesbezüglichen Erbscheinsverfahren vertreten, in dem die Mandantin eine andere Rechtsanwaltskanzlei mandatiert habe. Damit handelt es sich zwar um einen erbrechtlichen Fall im Sinn von § 5 Abs. 1 Buchst. m FAO, aber keine Vertretung in einem rechtsförmlichen Verfahren (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 51/12, juris Rn. 7).
Rz. 26
Soweit der Kläger (Fall 7 neu) weiter geltend macht, er habe die Mandantin anschließend in einem amtsgerichtlichen Honorarrechtsstreit mit der anderen Rechtsanwaltskanzlei wegen deren Vergütung für die Vertretung in dem erbrechtlichen Verfahren vertreten, liegt kein originär erbrechtliches Verfahren vor. Ein Rechtsstreit über anwaltliche Vergütungen hat nicht automatisch einen erbrechtlichen Schwerpunkt, so dass es der Feststellung bedurfte, dass in diesem Rechtsstreit tatsächlich erbrechtliche Fragen eine Rolle spielten und näherer Befassung bedurften.
Rz. 27
Das wäre zwar nicht von vorneherein auszuschließen, etwa wenn der Honorarforderung ein Schadensersatzanspruch wegen Schlechtleistung entgegengehalten und dazu eine nähere Ausarbeitung der von dem abgerechneten Mandat umfassten erbrechtlichen Fragen notwendig gewesen wäre. Entsprechendes ist dem Vortrag des Klägers aber bereits nicht zu entnehmen, geschweige denn belegt. Nach den eigenen Angaben des Klägers war maßgeblicher Gegenstand der Verteidigung gegen die Honorarforderung die "vollständige Untätigkeit" der anderen Rechtsanwälte im Erbscheinsverfahren und im Zusammenhang mit dem Erbfall. Vollständige Untätigkeit erfordert keine spezifische erbrechtliche Argumentation, auch nicht - wie der Kläger geltend macht - durch "Auseinandersetzung zwischen dem Verhalten des Voranwalts und dem erteilten erbrechtlichen Mandat". Auch dafür genügt grundsätzlich eine schlichte Darstellung des Sachverhalts. Anhaltspunkte oder eine Begründung dafür, dass dies im konkreten Fall anders gewesen sein könnte, hat der Kläger nicht dargetan. Seine pauschalen Erklärungen in der mündlichen Verhandlung, für die Klage sei es "auf Erläuterungen zur erbrechtlichen Situation" angekommen und in der Begründung des Zulassungsantrags, in dem Rechtsstreit habe "der gesamte Erbfall nach dem Vater der Mandantin aufgearbeitet werden müssen", reichen dafür nicht aus. Arbeitsproben, auf deren Notwendigkeit zur Überprüfung eines etwaigen erbrechtlichen Schwerpunkts bereits der Berichterstatter im Votum vom 1. August 2022 und in seiner Stellungnahme vom 19. April 2023 hingewiesen hatte, hat der Kläger nicht vorgelegt.
Rz. 28
(6) In Fall 17 hat der Kläger einen Mandaten in einem Rechtsstreit mit dessen geschiedener Ehefrau wegen Ansprüchen aus der Verwaltung einer gemeinsamen Immobilie vertreten und im Rahmen einer Widerklage Rückzahlungsansprüche des Mandanten als Erbe seiner verstorbenen Eltern geltend gemacht, weil seine geschiedene Ehefrau eine ihr von seinen Eltern erteilte Kontovollmacht (über den Tod hinaus) unberechtigt für Abhebungen größeren Umfangs zu eigenen Zwecken ausgenutzt habe. Der Rückforderungsanspruch der Eltern des Mandanten sei mit deren Tod zu einer Nachlassforderung geworden, die er für seinen Mandanten als Erben geltend gemacht habe.
Rz. 29
Ein originär zu dem Fachgebiet "Erbrecht" zählender Verfahrensgegenstand liegt ersichtlich nicht vor. Dass die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs eine nähere Befassung mit erbrechtlichen Fragen erforderlich gemacht hätte, ist dem Vorbringen des Klägers wiederum nicht zu entnehmen. Allein der Umstand, dass sein Mandant eine Rückforderung aufgrund seiner Erbenstellung nach § 1922 BGB geltend gemacht hat, reicht dafür nicht aus (vgl. Senat, Beschluss vom 20. April 2009 - AnwZ (B) 48/08, BRAK-Mitt. 2009, 177 Rn. 9). Dass die Erbenstellung des Mandanten problematisch und deswegen eine nähere Auseinandersetzung mit erbrechtlichen Fragen erforderlich gewesen wäre, hat der Kläger nicht behauptet, geschweige denn belegt. Die Notwendigkeit einer spezifisch erbrechtlichen Argumentation ergibt sich auch nicht aus seinen weiteren Erläuterungen, es sei "um die Abgrenzung von gemeinsamem Vermögen der Ehegatten und ererbtem Vermögen des Mandanten" gegangen, problematisch sei "unter anderem" gewesen, "ob der Zugriff auf das Geld […] im Rahmen der treuhänderischen Verwaltung oder aus dem Nachlass erfolgte" und es seit streitig gewesen, ob Vermögensverfügungen, die die zwischenzeitlich geschiedene Ehefrau in der Vergangenheit über das Vermögen der Eltern getätigt habe, "zu Lebzeiten der Eltern […], oder nach ihrem Tod und damit (unberechtigterweise) aus dem Nachlass erfolgt" seien. Streitig war danach offenbar vielmehr, ob sich die Kontoverfügungen der geschiedenen Ehefrau des Mandanten noch im Rahmen der ihr erteilten Kontovollmacht bewegten oder nicht. Auch hier hat der Kläger die angeforderten Arbeitsproben, die eine nähere Überprüfung ermöglicht hätten, nicht vorgelegt.
Rz. 30
cc) Da damit selbst bei Anerkennung der übrigen 7 vom Kläger als rechtsförmliche Verfahren geltend gemachten Fälle (4, 9, 12, 13, 24, 24a, 24b) insgesamt nur 17 rechtsförmliche erbrechtliche Verfahren nachgewiesen wären, kann, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend angenommen hat, dahinstehen, ob diese übrigen Fälle die Voraussetzungen rechtsförmlicher Verfahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. m FAO erfüllten.
Rz. 31
2. Der Rechtsstreit hat auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Rz. 32
Dieser Zulassungsgrund ist erfüllt, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 5. April 2019- AnwZ (Brfg) 3/19, ZInsO 2019, 1368 Rn. 18 mwN). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Rz. 33
a) Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Verneinung einer Anerkennung als rechtsförmliches Verfahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. m FAO mangels feststellbaren erbrechtlichen Bezugs gerechtfertigt ist, wenn die Fallbearbeitung zwar die Lösung einer erbrechtlichen Frage umfasst, diese aber nach der Einschätzung des Fachanwaltsausschusses und des Anwaltsgerichtshofs "keine tiefgreifende argumentative Auseinandersetzung" erfordert, ist mit der oben dargelegten Rechtsprechung des Senats hinreichend geklärt. Dass die vom Senat darin entwickelten Grundsätze in der Rechtsprechung der Anwaltsgerichtshöfe und/oder im Schrifttum umstritten wären, zeigt der Kläger nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Rz. 34
b) Ohne Erfolg macht der Kläger auch geltend, jedenfalls bedürfe es einer höchstrichterlichen Entscheidung, mit der dem Fachanwaltsausschuss und dem antragstellenden Rechtsanwalt konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer "argumentativen erbrechtlichen Auseinandersetzung" an die Hand gegeben würden, weil der Antragsteller sonst der Willkür des Fachanwaltsausschusses ausgesetzt und die Nichtanerkennung eines Falls als rechtsförmliches Verfahren rechtswidrig wäre. Ob die Voraussetzungen eines rechtsförmlichen Verfahrens im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. m FAO im konkreten Fall erfüllt sind, lässt sich anhand der vom Senat bereits entwickelten Grundsätze und ergangenen Entscheidungen hinreichend beurteilen. In Anbetracht der möglichen Vielfalt der anwaltlichen Fallbearbeitung ist eine weitergehende abstrakt-generelle Präzisierung des erforderlichen "Bearbeitungsschwerpunkts" auch nicht möglich, sondern lässt sich nur anhand einer Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilen. Der Kläger hat auch nicht dargetan, dass insoweit in der Rechtsprechung der Anwaltsgerichtshöfe oder bei den Rechtsanwaltskammern Unsicherheiten bestünden, die eine weitere Präzisierung erforderten und zudem in seinem Fall auch entscheidungserheblich wären. Vielmehr wendet er sich letztlich nur gegen die Anwendung der bereits existierenden Grundsätze in seinem konkreten Einzelfall.
Rz. 35
c) Die Frage, "ob der Antragsteller nach § 6 Abs. 3 BRAO [richtig: FAO] verpflichtet ist, dem Fachausschuss Arbeitsproben vorzulegen, wenn diese "flächendeckend" und ohne Angabe des konkreten Anlasses […] angefordert werden und ob die Unterlassung der Vorlage einer Arbeitsprobe in diesen Fällen automatisch zur Ablehnung des Falles als rechtsförmliches Verfahren führen kann", ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Wie oben ausgeführt bestand in den 6 Fällen, die der Anwaltsgerichtshof zu Recht nicht als rechtsförmliche Verfahren anerkannt hat, jeweils ein konkreter Anlass für die Anforderung der Arbeitsproben, da der erforderliche erbrechtliche Bearbeitungsschwerpunkt allein mit den Angaben des Klägers in der Fallliste und seinen ergänzenden Erläuterungen nicht hinreichend dargetan und überprüfbar war. Eine "flächendeckende" oder anlasslose Anforderung lag damit nicht vor.
Rz. 36
d) Auch die Frage, "ob ein förmliches Verfahren im Ausland als ein rechtsförmliches Verfahren im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. m FAO anerkannt werden kann", stellt sich im Fall des Klägers nicht. Wie dargelegt scheidet die Anerkennung als rechtsförmliches Verfahren in den Fällen 1, 2 und 3, die ein im Ausland geführtes Verfahren zum Gegenstand hatten, unabhängig davon bereits mangels Nachweises des erforderlichen erbrechtlichen Schwerpunkts der jeweiligen Fallbearbeitung aus.
III.
Rz. 37
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2022 - AnwZ (Brfg) 1/22, juris Rn. 31 mwN).
Schoppmeyer Grüneberg Ettl
Kau Geßner
Fundstellen
Dokument-Index HI16707277 |