Leitsatz (amtlich)
1. Das Recht der Beschwerde nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht den Angehörigen im Interesse des Betroffenen nur dann zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. März 2023 - XII ZB 283/22, FamRZ 2023, 1154).
2. Für die auch konkludent mögliche Hinzuziehung zu einem Betreuungsverfahren ist erforderlich, dass das Gericht dem Beteiligten eine Einflussnahme auf das laufende Verfahren ermöglichen will und dies zum Ausdruck bringt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. März 2023 - XII ZB 283/22, FamRZ 2023, 1154).
3. Die Aufnahme in das Rubrum als Beteiligter des amtsgerichtlichen Beschlusses genügt nicht für eine Hinzuziehung (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17. Juni 2020 - XII ZB 574/19, FamRZ 2020, 1590).
Normenkette
FamFG §§ 7, 59 Abs. 1, §§ 274, 303 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Entscheidung vom 25.01.2024; Aktenzeichen 5 T 230/23) |
AG Rockenhausen (Entscheidung vom 30.10.2023; Aktenzeichen 1 XVII 153/23) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 25. Januar 2024 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass ihre Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rockenhausen vom 30. Oktober 2023 verworfen wird.
Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Eine Festsetzung des Beschwerdewerts (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.
Gründe
I.
Rz. 1
Die im Jahr 1941 geborene Betroffene erteilte ihrer Tochter, der Beteiligten zu 1, im Juli 2020 eine Vorsorgevollmacht. Sie leidet inzwischen an einer altersbedingten Demenz vom Alzheimertyp sowie den neurologischen Folgen eines Schlaganfalls und lebt seit Ende März 2023 in einem Seniorenheim.
Rz. 2
Auf Anregung einer Angehörigen hat das Amtsgericht der Betroffenen den Beteiligten zu 2 als Berufsbetreuer mit umfassendem Aufgabenkreis bestellt. Auf die dagegen von der Beteiligten zu 1 „namens meiner Mutter und in meinem Namen“, eingelegte Beschwerde hat das Landgericht „die Beschwerde der Betreuten“ zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 3
Die von der Beteiligten zu 1 im eigenen Namen eingelegte Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet und mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts verworfen wird.
Rz. 4
1. Die Beteiligte zu 1 hat die Rechtsbeschwerde ausschließlich im eigenen Namen und nicht auch im Namen der Betroffenen eingelegt.
Rz. 5
a) Allerdings kann ein bei einer falschen oder ungenauen Bezeichnung des Rechtsmittelführers in der Rechtsmittelschrift im Hinblick auf dessen Identifizierbarkeit bestehender Mangel behoben werden, wenn der richtige Rechtsmittelführer aufgrund weiterer Erkenntnismöglichkeiten innerhalb der Rechtsmittelfrist zweifelsfrei erkennbar wird, beispielsweise im Wege der Auslegung der Rechtsmittelschrift sowie der etwa sonst im Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist vorliegenden Unterlagen und Umstände. Dabei darf ein Beteiligter nicht am buchstäblichen Sinn seiner Wortwahl festgehalten werden. Denn Verfahrenserklärungen sind im Zweifel so auszulegen, dass dasjenige gewollt ist, was aus Sicht des Beteiligten nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht. Gleichwohl darf einer eindeutigen Verfahrenserklärung nicht nachträglich ein Sinn gegeben werden, der dem klaren Wortlaut der Erklärung widerspricht (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2020 - XII ZB 91/20 - FamRZ 2021, 228 Rn. 7 f. mwN).
Rz. 6
b) Danach kommt vorliegend eine Auslegung der Rechtsbeschwerdeschrift dahin, dass das Rechtsmittel von der Beteiligten zu 1 auch im Namen der Betroffenen eingelegt wurde, nicht in Betracht. Der klare Wortlaut der anwaltlichen Rechtsmittelschrift steht einem solchen Verständnis entgegen, weil darin nur die Beteiligte zu 1 als Rechtsbeschwerdeführerin bezeichnet und zudem ausgeführt ist, es werde „hiermit namens der Bevollmächtigten/Rechtsbeschwerdeführerin […] Rechtsbeschwerde“ eingelegt. Die Betroffene wird demgegenüber - unter zutreffender Bezugnahme auf ihre Verfahrensrolle im Beschwerdeverfahren - als „Betreute und Beschwerdeführerin“ und gerade nicht als Rechtsbeschwerdeführerin bezeichnet. Schließlich hat die Beteiligte zu 1 auch auf den vom Senat am 6. Mai 2024 erteilten Hinweis auf die zweifelhafte Zulässigkeit der Erstbeschwerde nicht geltend gemacht, dass die Rechtsbeschwerde (auch) als Rechtsmittel der Betroffenen zu verstehen sei.
Rz. 7
2. Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 ist zulässig. Insbesondere folgt die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1 für das Verfahren der Rechtsbeschwerde bereits daraus, dass ihre Erstbeschwerde zurückgewiesen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 8. März 2023 - XII ZB 283/22 - FamRZ 2023, 1154 Rn. 7 mwN).
Rz. 8
Zwar bezieht sich die Beschwerdeentscheidung ihrem Wortlaut nach nur auf die von der Beteiligten zu 1 im Namen der Betroffenen eingelegte Beschwerde. Die von der Beteiligten zu 1 im eigenen Namen eingelegte Beschwerde hat das Beschwerdegericht dagegen lediglich in den Gründen der Entscheidung erwähnt und nicht ausdrücklich beschieden. Aus der Beschwerdeentscheidung ergeben sich indes keine Anhaltspunkte dafür, dass das Beschwerdegericht nicht abschließend über die von der Beteiligten zu 1 geführten Rechtsmittel hätte entscheiden, sondern die von der Beteiligten zu 1 im eigenen Namen eingelegte Beschwerde einer gesonderten Entscheidung in einem weiteren Beschluss vorbehalten wollen. Im Gegenteil ergibt sich aus dem Einleitungssatz „Auf die Beschwerde vom 24. November 2024 […] in Form der Nichtabhilfeentscheidung […]“, dass mit der angefochtenen Beschwerdeentscheidung über die im Beschwerdeschreiben der Beteiligten zu 1 gestellten Anträge abschließend entschieden werden sollte, weil sich der Nichtabhilfebeschluss ausdrücklich auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 bezieht.
Rz. 9
3. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Sie ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die von der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts im eigenen Namen eingelegte Beschwerde verworfen wird. Diese Beschwerde ist unzulässig, weil der Beteiligten zu 1 die Beschwerdeberechtigung für eine Beschwerde im eigenen Namen gefehlt hat. Insbesondere lässt sich eine Beschwerdeberechtigung für die Beteiligte zu 1 hinsichtlich der im eigenen Namen eingelegten Beschwerde weder aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG noch aus § 59 Abs. 1 FamFG herleiten.
Rz. 10
a) Das Recht zur Beschwerde im eigenen Namen steht einem Angehörigen nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG im Interesse des Betroffenen nur dann zu, wenn der Angehörige - wenngleich nicht zwingend in eben dieser Funktion - im ersten Rechtszug beteiligt worden ist. Fehlt es hingegen an einer erstinstanzlichen Beteiligung, ist nach dieser Vorschrift ein Beschwerderecht unabhängig davon zu verneinen, aus welchen Gründen die Beteiligung unterblieben ist. Auch bei Muss-Beteiligten nach § 274 Abs. 1 FamFG (hier Nr. 3) bedarf es dabei eines - auch konkludent möglichen - Hinzuziehungsaktes des Gerichts (vgl. Senatsbeschluss vom 8. März 2023 - XII ZB 283/22 - FamRZ 2023, 1154 Rn. 11 f. mwN).
Rz. 11
Gemessen hieran fehlt es an einer Beteiligung der Tochter der Betroffenen im erstinstanzlichen Verfahren und damit an deren Beschwerdeberechtigung nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Sie wurde bereits nicht über das Betreuungsverfahren in Kenntnis gesetzt. Insbesondere wurden ihr weder Schriftstücke übersendet noch wurde sie angehört oder zur Anhörung der Betroffenen hinzugezogen. Der Beschluss des Amtsgerichts über die Anordnung der Betreuung ist ihr auch nicht bekannt gemacht worden, wobei hierin ohnedies keine Beteiligung im Sinne des § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG läge. Dass die Beteiligte zu 1 im Rubrum des amtsgerichtlichen Beschlusses als Bevollmächtigte aufgeführt ist, genügt für sich betrachtet nicht für eine Hinzuziehung, weil ihr hierdurch nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Juni 2020 - XII ZB 574/19 - FamRZ 2020, 1590 Rn. 16 mwN).
Rz. 12
b) Die Beschwerdeberechtigung folgt auch nicht aus § 59 Abs. 1 FamFG, weil die Beteiligte zu 1 durch die Einrichtung einer Betreuung und Bestellung eines Berufsbetreuers für die Betroffene nicht in eigenen Rechten betroffen ist. Eine Betroffenheit in eigenen Rechten resultiert insbesondere nicht aus der ihr eingeräumten Vorsorgevollmacht (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 117/14 - FamRZ 2015, 249 Rn. 16 f. mwN).
Rz. 13
c) Schließlich räumt § 303 Abs. 4 FamFG dem Vorsorgebevollmächtigten zwar das Recht ein, im Namen des Betroffenen (Erst-)Beschwerde einzulegen. Bei diesem Rechtsmittel handelt es sich indes um ein solches des Betroffenen. Die aus § 303 Abs. 4 FamFG folgende Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1 vermag die Zulässigkeit der von ihr im eigenen Namen eingelegten Erstbeschwerde mithin nicht zu begründen, sondern gibt ihr als Vorsorgebevollmächtigter lediglich die Möglichkeit, im Namen der Betroffenen Erstbeschwerde einzulegen und dann gegen deren Zurückweisung im Namen der Betroffenen Rechtsbeschwerde einzulegen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. August 2019 - XII ZB 156/19 - FamRZ 2019, 1890 Rn. 8 ff.), was hier nicht geschehen ist.
Rz. 14
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
Guhling Klinkhammer Günter
Botur Pernice
Fundstellen
Dokument-Index HI16707337 |