Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgloser Antrag eines Bundestagsabgeordneten im Organstreitverfahren bzgl seiner Mitgliedschaft im Parlamentarischen Kontrollgremium. Unzulässigkeit mangels Darlegung einer Verletzung von Art 38 Abs 1 GG
Normenkette
GG Art. 38 Abs. 1 S. 2, Art. 45d; BVerfGG §§ 24, 63, 64 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Organstreitverfahren betrifft die Frage des Ausscheidens des Antragstellers aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium (Art. 45d GG) infolge der Auflösung der Bundestagsfraktion DIE LINKE.
I.
Rz. 2
1. Der Antragsteller ist Mitglied der Gruppe DIE LINKE im Deutschen Bundestag. Zuvor war er bis zu deren Auflösung Anfang Dezember 2023 Mitglied der Fraktion DIE LINKE. Im April 2022 wählte der Bundestag auf Vorschlag der Fraktion DIE LINKE den Antragsteller zum Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Seit der Auflösung der Fraktion wurde er nicht mehr zu dessen Sitzungen eingeladen. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums verwies dazu auf den rechtlichen Standpunkt der Bundestagspräsidentin im Rahmen einer Beratung im Ältestenrat des Deutschen Bundestages im November 2023. Danach habe der Antragsteller in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 4 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (nachfolgend: PKGrG) durch Auflösung der Fraktion seine Mitgliedschaft im Parlamentarischen Kontrollgremium verloren. Ausdrücklich bestimmt § 2 Abs. 4 PKGrG den Verlust der Mitgliedschaft im Gremium unter anderem dann, wenn ein Mitglied aus seiner Fraktion ausscheidet.
Rz. 3
2. Mit seinem am 20. Februar 2024 eingegangenen Organklageantrag begehrt der Antragsteller in der Hauptsache die Feststellung, dass er durch diesen "Ausschluss" aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium in seinen Rechten als Abgeordneter des Deutschen Bundestages verletzt worden ist. Er führt aus, warum die vom Vorsitzenden des Kontrollgremiums herangezogene Auslegung des § 2 Abs. 4 PKGrG unzutreffend sei. Die vom Bundestag vertretene Auffassung ermögliche eine "Abwahl durch die Hintertür". Denn aus einer Fraktion könnten vorübergehend so viele Abgeordnete austreten, dass diese ihren Fraktionsstatus verliere, so dass nach dem Ausscheiden des Mitglieds aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium die erneut zustande kommende Fraktion ein anderes Mitglied vorschlagen könne. Bei der Regelung des § 2 Abs. 4 PKGrG sei es immer um das bewusste und selbstbestimmte Ausscheiden eines Mitglieds aus seiner Fraktion gegangen. Dies diene allein dem Schutz der betroffenen Fraktion, die "ihren Platz" nicht verlieren solle, sondern einen Nachfolger vorschlagen könne. Die ursprünglichen Mehrheitsverhältnisse sollten damit gewahrt bleiben. Auch solle der Übertritt eines Mitglieds "zum Beispiel zu einer rechtsextremistischen Partei und/oder Fraktion", dessen Vertreter der Bundestag nicht gewählt hätte, verhindert werden. Er selbst sei jedenfalls weder selbstbestimmt noch freiwillig aus seiner Fraktion ausgetreten. Das hätten andere Abgeordnete getan, worauf er keinerlei Einfluss gehabt habe.
Rz. 4
Der Antrag benennt keine Normen des Grundgesetzes, die die Antragsgegner verletzt haben sollen. Auch die Begründung enthält keinerlei Ausführungen zu den möglicherweise einschlägigen Normen des Grundgesetzes, namentlich Art. 38 Abs. 1 GG und Art. 45d GG.
Rz. 5
3. Den zeitgleich beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Senat durch Beschluss vom 21. Februar 2024 mit folgender Tenorbegründung abgelehnt:
"Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird verworfen. Er ist unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 32 Absatz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz nicht in einer den Anforderungen des § 23 Absatz 1 Satz 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz genügenden Weise dargelegt sind. Es ist nicht hinreichend dargetan, dass der Antrag in der Hauptsache weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet wäre (vgl. BVerfGE 160, 191 ≪203 Rn. 32≫ - 2G+-Regel bei Gedenkstunde des Deutschen Bundestages - eA). Der Antragsteller zeigt die behauptete Rechtsverletzung unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe nicht substantiiert auf. Er legt lediglich die Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und den Antragsgegnern in Bezug auf die Auslegung des § 2 Absatz 4 Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes dar. Hingegen fehlt es an Ausführungen dazu, ob und inwieweit seine Mitgliedschaft in dem Parlamentarischen Kontrollgremium Teil derjenigen Rechte ist, die aus seinem durch Artikel 38 Absatz 1 Grundgesetz gewährleisteten Abgeordnetenstatus fließen (vgl. hierzu nur BVerfGE 160, 368 ≪381 ff. Rn. 43 ff.≫ m.w.N. - Wahl eines Vizepräsidenten des Bundestages)."
II.
Rz. 6
1. Mit Schreiben vom 3. September 2024 hat die Berichterstatterin den Antragsteller darauf hingewiesen, dass sein Antrag in der Hauptsache unzulässig sein dürfte. Es dürfte kein Anlass dafür bestehen, von der Bewertung des Senats im Beschluss vom 21. Februar 2024 zur fehlenden Darlegung einer Verletzung von Art. 38 Abs. 1 GG abzuweichen. Auch nach Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung habe der Antragsteller seinen Antrag nicht weiter begründet. Wegen Ablaufs der sechsmonatigen Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG für die Begründung eines Organstreitantrags dürfte dies auch nicht mehr möglich sein. Sollte er das Verfahren fortführen wollen, könne der Senat den Antrag gemäß § 24 BVerfGG ohne weitere Begründung verwerfen.
Rz. 7
2. Der Antragsteller hat hierauf mit Schreiben vom 12. September 2024 insbesondere erwidert, er habe seinen Antrag hinreichend begründet. Die Verletzung seiner Rechte aus Art. 38 Abs. 1 GG sei "offenkundig", wenn er trotz Wahl mit absoluter Mehrheit an der Ausübung seines Amtes gehindert werde.
III.
Rz. 8
Der Antrag ist unzulässig. Der Senat hält - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Antragstellers auf das Schreiben der Berichterstatterin hin - an seiner Bewertung der fehlenden Darlegung einer Verletzung von Art. 38 Abs. 1 GG im Beschluss vom 21. Februar 2024 fest. Gemäß § 24 Satz 2 BVerfGG wird von einer weiteren Begründung abgesehen.
Fundstellen
Dokument-Index HI16707335 |