Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 11.09.1981; Aktenzeichen 61 O 19/81)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 11 für Handelssachen vom 11. September 1981 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß der Beschluß der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 23. Juni 1977 betreffend die Änderung des § 14 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten insoweit nichtig ist, als in die genannte Vertragsbestimmung die Worte aufgenommen sind: „und kann dem Vorsitzenden der Geschäftsführung ein Veto-Recht einräumen”.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahren tragen die Kläger je 5/49 und die Beklagte 2/7. Die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug fallen den Klägern je zu 4/35 und der Beklagten zu 1/5 zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jeder der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils DM 3.000,– abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 14.000,– abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Kläger sind durch das Urteil in Höhe von DM 500.000,– beschwert. Die Beschwer der Beklagten beträgt DM 200.000,–.

 

Tatbestand

Die Kläger sind als Aufsichtsratsmitglieder von den Arbeitnehmern der Beklagten gewählt worden. Diese unterliegt dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) von 1976. Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits sind verschiedene Gesellschafterbeschlüsse, durch die die Satzung der Beklagten in mehrfacher Hinsicht geändert worden ist. Diese Beschlüsse wurden auf der ersten Gesellschafterversammlung nach Inkrafttreten des MitbestG gefaßt. Die Kläger sind der Ansicht, daß diese Beschlüsse im Umfang der nachstehend zitierten Satzungsvorschriften gegen zwingendes Mitbestimmungsrecht verstoßen:

§ 13 Abs. 1 Satz 1: „Die Anzahl der Geschäftsführer wird unter Beachtung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen von der Gesellschafterversammlung bestimmt”.

§ 13 Abs. 2 Satz 2: „Vor der Bestellung (sc. der Geschäftsführer) soll der Aufsichtsrat die Stellungnahme der Gesellschafterversammlung einholen”.

§ 13 Abs. 3: „über die Bezüge eines jeden Geschäftsführers – Grundgehalt und Tantieme – sowie über Vertragsdauer und Pensionszusage an die Geschäftsführer beschließt die Gesellschafterversammlung oder, soweit ein Gesellschafterausschuß gemäß § 23 bestellt ist, dieser Ausschuß”.

§ 14 Abs. 4 2. HS.: „…; die Geschäftsordnung (sc. der Geschäftsführung) … kann dem Vorsitzenden der Geschäftsführung ein Veto-Recht einräumen”.

§ 16 Abs. 1 Satz 2 a.F.: „Vorbehaltlich eines anderen Beschlusses wird diese Sitzung (sc. die konstituierende Aufsichtsratssitzung) von dem bisherigen Vorsitzenden des Aufsichtsrats oder – sollte dieser nicht wiedergewählt sein – von dem an Lebensjahren ältesten Mitglied der Anteilseignerseite geleitet”. – Während des Verfahrens ist diese Vorschrift durch Gesellschafterbeschluß vom 24. Juni 1980 unter Verzicht auf den Passus „der Anteilseignerseite” geändert worden.

Die Kläger haben die Nichtigkeit dieser Gesellschafterbeschlüsse im wesentlichen wie folgt begründet.

Alle zitierten in § 13 des Gesellschaftsvertrages enthaltenen Regelungen seien mit der Vorschrift des § 31 MitbestG unvereinbar. Durch einen ad-hoc-Beschluß über die Anzahl der jeweils zu wählenden Geschäftsführer könne die Gesellschafterversammlung unliebsamen Wahlbeschlüssen des Aufsichtsrats vorbeugen oder sie nachträglich unterlaufen. Es sei zwar richtig, daß in der Satzung der Beklagten die Mindest- bzw. Höchstzahl der Geschäftsführer festgesetzt werden könne. Anders als der nach § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages vorgesehene Gesellschafterbeschluß sei jedoch der für eine Satzungsregelung erforderliche Gesellschafterbeschluß auf Dauer angelegt, wegen des qualifizierten Mehrheitserfordernisses nur unter erschwerten Voraussetzungen abänderbar und deshalb insgesamt von einer wesentlich größeren Stabilität. Auf der Grundlage einer entsprechenden Satzungsvorschrift könne mithin der Aufsichtsrat verläßlich über die Bestellung der von ihm ausgewählten Geschäftsführer entscheiden, ohne befürchten zu müssen, daß die Gesellschafterversammlung durch kurzfristige Änderung der zulässigen Anzahl zu wählender Geschäftsführer seine Entscheidungskompetenz beeinträchtige.

§ 13 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages verstoße deshalb gegen § 31 MitbestG, weil durch die Verpflichtung des Aufsichtsrats, vor der Bestellung der Geschäftsführer die Stellungnahme der Gesellschafterversammlung einzuholen, in unzulässiger Weise seine Entscheidungsautonomie verletzt werde. Der Aufsichtsrat dürfte weder unmittelbar durch Bindung an entsprechende Weisungen der Gesellschafterversammlung noch mittelbar durch Berücksichtigung entsprechender Wahlvorschläge anderer Gesellschaftsorgane in seinen Pers...

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