Verfahrensgang
AG Siegen (Aktenzeichen 5 C 1848/82) |
LG Siegen (Aktenzeichen 3 S 83/84) |
Tenor
Der Mieter von Wohnraum kann ein mit dem Vermieter eingegangenes längerfristiges Mietverhältnis nicht vorzeitig, d.h. vor Ablauf der Zeit, für die das Vertragsverhältnis eingegangen ist, unter Berufung auf § 570 BGB kündigen, weil er (hier: zur Ableistung des Referendardienstes) in ein erstmalig zu begründendes Beamtenverhältnis außerhalb seines Wohnortes (hier: auf Widerruf) berufen wird. § 570 BGB findet auf den Fall, daß der längerfristig gebundene Mieter erstmalig in ein Beamtenverhältnis berufen wird und wegen eines dadurch angezeigten Wohnsitzwechsels eine vorzeitige Entlassung aus dem Mietvertrag durch Kündigung anstrebt, keine Anwendung.
Tatbestand
I. Der Vorlagefrage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Durch Mietvertrag vom 25.2.1981 mietete die Beklagte, die seinerzeit die erste Staatsprüfung für das Lehramt abgelegt hatte und darauf wartete, in den Vorbereitungsdienst eingestellt zu werden, von der Klägerin eine Wohnung in …. Auf Veranlassung der Beklagten – diese erteilte damals aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages im Rahmen eines „Pilotprojekts” der … Unterricht und gab sich offenbar im Hinblick darauf als Lehrerin aus – wurde das Mietverhältnis zunächst auf die Dauer von zwei Jahren (beginnend zum 1.3.1981 und endend am 28.2.1983) befristet. Bereits im Juli 1981 unternahm die Beklagte den – allerdings erfolglos gebliebenen – Versuch, sich durch Kündigung vorzeitig aus dem eingegangenen Mietverhältnis zu lösen. Mit Schreiben vom 29.12.1981 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis erneut zum 1.2.1982, nunmehr allerdings unter Berufung auf eine ihr zunächst nur fernmündlich zugegangene Mitteilung des Schulkollegiums beim Regierungspräsidenten … dahin, zum 1.2.1982 unter Ernennung zur Studienreferendarin zur Ableistung des Vorbereitungsdienstes eingestellt zu werden. Unter dem 26.1.1982 wies die Klägerin die so ausgesprochene Kündigung der Beklagten zurück. Dabei zeigte sie sich davon überrascht, daß die Beklagte erst noch zur Studienreferendarin ernannt werden würde, also ihres Erachtens noch gar nicht Lehrerin sei. Mit Schreiben vom 9.1.1982 übersandte die Beklagte der Klägerin dann eine Ablichtung ihres Einstellungsbescheides vom 15.12.1981, der ihr inzwischen schriftlich vorlag.
Unter dem 9.2.1982 bat die Klägerin die Beklagte, ihr die Möglichkeit einzuräumen, die Wohnung mit Mietinteressenten, die sich die Klägerin selbst inzwischen gesucht hatte, zu besichtigen. Daraufhin übersandte die Beklagte der Klägerin am 17.2.1983 die Wohnungsschlüssel.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Beklagte über den rechtlich relevanten Kündigungstermin hinaus den Gebrauch der Mietsache fortgesetzt hat oder nicht.
Jedenfalls bot die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 31.3.1982 mehrere Nachmieter an, die bereit waren, in den zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag einzutreten. Von diesem Angebot machte die Klägerin jedoch keinen Gebrauch.
Mit Wirkung vom 1.4.1983 hat die Klägerin die Wohnung nun anderweitig vermietet. In dem der Vorlagefrage zugrunde liegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von Mietzins bzw. Nutzungsentschädigung für die Zeit von Februar 1982 bis Februar 1983 in Höhe von zuletzt noch 4.492,23 DM in Anspruch.
Das Amtsgericht hat der Klägerin Mietzins für die Monate Februar, März und April 1982 unter Abweisung der Klage im übrigen zuerkannt. Das Amtsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Beklagte habe das zeitlich länger befristete Mietverhältnis unter Berufung auf § 570 BGB vorzeitig kündigen dürfen, da § 570 BGB auch auf die erstmalige Berufung des Mieters in ein Beamtenverhältnis mit einem damit verbundenen Wohnsitzwechsel entsprechend anzuwenden sei.
Mit der Berufung erstrebt die Klägerin die antragsgemäße Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Mietzinses auch für die Monate Mai 1982 bis Februar 1983.
Das Landgericht ist der Auffassung, daß die Kündigung der Beklagten vom 29.12.1981 das Mietverhältnis zum 31.3.1982 wirksam hätte beenden können, wenn § 570 auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung finde. Es hat deshalb dem Senat durch Vorlagebeschluß vom 7. August 1984, ergänzt durch Beschluß vom 2.1.1985, folgende Rechtsfrage zum Rechtsentscheid vorgelegt:
Findet § 570 BGB auch dann Anwendung, wenn der Mieter das Mietverhältnis kündigen möchte, weil er erstmals in ein Amt im Sinne dieser Bestimmung berufen wird, wenn es ich also um eine sog. Neueinstellung handelt?
Entscheidungsgründe
II. Die Vorlagefrage ist gemäß Artikel III Abs. 1 Satz 1 des dritten Mietrechtsänderungsgesetzes zulässig.
Zum einen will nämlich das Landgericht – wie in dem Vorlagebeschluß näher ausgeführt – von einer Entscheidung eines Oberlandesgerichts (hier der Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 9.10.1935, JW 1935, 3400) abweichen. Daß es sich bei der oberlandesgerichtlichen Entscheidung, von der abgewichen werden soll, nicht um einen R...