Verfahrensgang

LG Trier (Entscheidung vom 04.12.1981; Aktenzeichen 11 O 191/81)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 4. Dezember 1981 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Der Streithelfer hat die durch seine Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung dadurch abwenden, daß sie Sicherheit in Höhe von 17.000,- DM leistet oder einen gleich hohen Betrag hinterlegt, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung im selben Umfang Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte und ihr Bruder, der Streithelfer, sind die Erben des am 3. August 1954 verstorbenen Kaufmanns N. W., der ihr Großvater war. Ihre Stellung als Erben gründet sich auf das Testament vom 3. März 1954. Seine drei Kinder, die Söhne W. und A. sowie die Tochter M. - die Mutter der Beklagten und des Streithelfers -, hatte der Erblasser von der Erbfolge ausgeschlossen. Auch seine Ehefrau hatte er nicht als Erbin eingesetzt, sondern ihr den lebenslangen Nießbrauch an dem Haus mit den beiden Geschäften zugewendet. Sie ist am 21. August 1979 gestorben. Der Sohn A., der im Krieg vermißt war, ist wegen Verschollenheit für tot erklärt worden. Die beiden anderen Kinder des Erblassers haben bisher keinen Anspruch auf ihren Pflichtteil erhoben. Auch die Ehefrau des Erblassers hatte ihren Pflichtteil nicht verlangt. Demzufolge haben die Beklagte und der Streithelfer keine Leistungen zur Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen erbracht.

In seinem Testament hat der Erblasser bestimmt, daß der Kläger, bei dem es sich ebenfalls um einen Enkel handelt, mit Vollendung seines 25. Lebensjahres 10.000,- DM, zu seinem 30. Geburtstag weitere 15.000,- DM und 10 Jahre später nochmals 10.000,- DM erhalten soll. Als der Kläger am 5. Februar 1976 sein 25. Lebensjahr vollendete, zahlte die Beklagte ihm in Erfüllung des Vermächtnisses 10.000,- DM. Einige Tage später schrieben ihm die Anwälte der Erben, in Anbetracht der auf dem Nachlaß ruhenden Pflichtteilslasten stünden ihm die vermachten Geldbeträge jeweils nur zur Hälfte zu. Dementsprechend zahlte die Beklagte an den Kläger zu seinem 30. Geburtstag nur einen Betrag von 2.500,- DM aus. Dieser verlangt mit der Klage den sich aus dem Vermächtnis ergebenden, am 5. Februar 1981 fälligen restlichen Teilbetrag von 12.500,- DM und Verzugszinsen hiervon. Er meint, da die Erben tatsächlich keine Pflichtteilslasten zu tragen hätten, brauche er eine Kürzung des Vermächtnisses nicht hinzunehmen.

Das Landgericht hat diese Auffassung im wesentlichen gebilligt und der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Im zweiten Rechtszug beruft sich die Beklagte auch weiterhin gegenüber der Klageforderung auf ein Leistungsverweigerungsrecht, das ihr, so meint sie, wegen der Pflichtteilsansprüche zustehe.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien einschließlich der vorgelegten Urkunden und auf die Begründung des angefochtenen Urteils verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat die Vorschrift des § 2318 Abs. 1 S. 1 BGB rechtlich zutreffend ausgelegt. Die hiergegen mit der Berufung vorgetragenen Angriffe gehen fehl. Sie beruhen auf einem falschen Verständnis von Sinn und Zweck dieser Vorschrift.

Durch § 2318 Abs. 1 S. 1 BGB wird dem Erben die Möglichkeit gegeben, die ihm auferlegte Pflichtteilslast zum Teil auf den Vermächtnisnehmer abzuwälzen. Der Anspruch auf den Pflichtteil, der einem von der Erbfolge ausgeschlossenen Ehegatten oder Abkömmling des Erblassers von Gesetzes wegen zusteht (vgl. § 2303 BGB), richtet sich allein gegen, den Erben, während der Vermächtnisnehmer gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten keinerlei Verpflichtung hat, obwohl er gleich dem Erben am Nachlaßvermögen teilhat. Darüber hinaus entsteht dem Erben im Vergleich zum Vermächtnisnehmer zunächst dadurch ein Nachteil, daß bei der Berechnung des Pflichtteils der Wert des Vermächtnisses unberücksichtigt bleibt. Gäbe es die Vorschrift des § 2318 Abs. 1 S. 1 BGB nicht, könnte die Verpflichtung des Erben, den Pflichtteil zu zahlen und außerdem das ihm auferlegte Vermächtnis zu erfüllen, eine Belastung zur Folge haben, die seine Erbschaft in einem vom Erblasser nicht gewollten Ausmaße schmälern würde. Das Gesetz beruht auf der Annahme, daß der Wille des Erblassers regelmäßig dahin geht, die Pflichtteilslast zwischen dem Erben und dem Vermächtnisnehmer verhältnismäßig zu verteilen (vgl. Staudinger/Ferid/Cieslar, BGB 12. Aufl. § 2318 Rz. 14). In § 70 Abs. 1 LAG, der erkennbar in Anlehnung an § 2318 Abs. 1 BGB geschaffen worden ist, hat der Gesetzgeber dieser Erwägung für einen vergleichbaren Fall einen sinnfälligen Ausdruck verliehen, wonach in gleicher Weise die öffentliche Last zwischen dem Erben und Vermächtnisnehmer aufzuteilen war.

Da der Wille des Erlassers nur gemutmaßt wird, gestattet es ihm das Gesetz, durch Verfügung von Tod...

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