Entscheidungsstichwort (Thema)
Einziehung eines Erbscheins über die Erbfolge nach der am … verstorbenen … zuletzt wohnhaft in …. Testament
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage der Wirksamkeit eines Testaments, wenn der Erblasser die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll sowie die Bestimmung des Gegenstandes der Zuwendung einem anderen überlässt.
Normenkette
BGB § 2065 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 03.02.1988; Aktenzeichen 1 T 483/87) |
AG Ludwigshafen (Aktenzeichen 8 a VI 320/86) |
Tenor
1. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zu weiteren Ermittlungen und zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind Brüder der Erblasserin. Die Beteiligte zu 3) hat mit der Erblasserin über mehrere Jahre hinweg bis zum Erbfall in einem gemeinsamen Hausstand gelebt. Vermutlich unmittelbar vor ihrem Tode hat die Erblasserin folgendes an die Beteiligte zu 3) gerichtetes Schreiben verfaßt:
„Liebe Mucki.
Du bist so lieb, aber die Welt draußen verkrafte ich nicht, ich komme nicht zurecht auch wenn es schon besser war. Es ist alles Theater. Jetzt kann ich immer bei Dir sein. Du mußt nicht vor mir erschrecken.
Deine Gittebill
Dir gehört alles, was Du willst. Ich bin Dir gegenüber gemein, aber ich bin wirklich nur eine Last, Deine B.”
Auf entsprechenden Antrag der Beteiligten zu 3) hat das Nachlaßgericht ihr einen Erbschein erteilt, der sie als Alleinerbin ausweist. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat das Landgericht das Nachlaßgericht angewiesen, den der Beteiligten zu 3) erteilten Erbschein einzuziehen. Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 3) weitere Beschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel führt zu einem vorläufigen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG) und kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist zu weiteren Ermittlungen und zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Das Landgericht hat ausgeführt, es sei bereits zweifelhaft, ob die Erblasserin in dem Brief an die Beteiligte zu 3) rechtsverbindliche Anordnungen über ihr Vermögen nach dem Tode habe treffen wollen, also mit Testierwillen gehandelt habe. Im Ergebnis hat es diese Frage dann offen gelassen, weil zumindest wegen der Vorschrift des § 2065 Abs. 2 BGB kein wirksames Testament zustande gekommen sei. Mit der Formulierung „Dir gehört alles, was Du willst” habe die Erblasserin nämlich die Bestimmung dessen, was aus ihrem Nachlaß der Beteiligten zu 3) zufließen soll, der uneingeschränkten Entscheidung der vermeintlich Bedachten überlassen. Diese Ansicht hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Nach § 2065 Abs. 1 BGB kann der Erblasser eine letztwillige Verfügung nicht in der Weise treffen, daß ein anderer zu bestimmen hat, ob sie gelten soll oder nicht; ebensowenig darf der Erblasser nach § 2065 Abs. 2 BGB die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll sowie die Bestimmung des Gegenstandes der Zuwendung einem anderen überlassen. Der Grundgedanke dieser Vorschrift geht dahin, daß die gesetzliche Erbfolge nur hinter einer vom Erblasser selbst bestimmten zurücktreten, keinesfalls aber durch die Willkür eines anderen beseitigt werden soll und daß deshalb der Erblasser sich niemals, weder zu seinen Lebzeiten noch nach seinem Tode, hierbei durch einen anderen im Willen soll vertreten lassen können. Der Erblasser muß über das Schicksal seines Vermögens selbst entscheiden; er soll die Entscheidung nicht aus Unentschlossenheit oder Verantwortungsscheu einem Dritten überlassen (vgl. BGHZ 15, 199, 201; RGZ 159, 296, 299).
Ausgehend von diesem Gesetzeszweck wird im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten, der Wille des Bedachten könne ohne jede Einschränkung Bedingung einer Zuwendung sein. Handele es sich um das Wollen des Bedachten selbst und nicht um das Wollen eines Dritten, so werde der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit des Erblassers nicht verletzt. Da der Erbe die Erbschaft ausschlagen könne, hänge die Wirksamkeit einer Erbeinsetzung praktisch immer von der Zustimmung des Eingesetzten ab (grundlegend Raape AcP 140, 233, 234, 236; ebenso Brox, Erbrecht, 10. Aufl., Rdnr. 103; Soergel/Damrau, BGB, 11. Aufl., § 2065 Rdnr. 2; a.A. Münchner Komm-Leipold. BGB, § 2065 Rdnr. 8; Frank, MittBayNot 1987, 231, 233; Stiegeler BWNotZ 1986, 25, 26). Nach dieser Ansicht stünde die Vorschrift des § 2065 BGB der Wirksamkeit des Testaments nicht entgegen. Ob ihr uneingeschränkt zu folgen ist, bedarf jedoch keiner Entscheidung, denn der angefochtene Beschluß kann schon aus einem anderen Grund keinen Bestand haben.
Das Landgericht geht ohne weiteres davon aus, daß mit der Formulierung „Dir gehört alles, was Du willst” der Gegenstand der Zuwendung von der Erblasserin offen gelassen worden und damit ein Fall des § 2065 Abs. 2 BGB gegeben ist. Es hat damit die letztwillige Verfügung ausschließlich anhand des Wortlau...