Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung wegen Fundunterschlagung aufgrund von Indizien
Leitsatz (amtlich)
1. Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen - deren Richtigkeit unterstellt - von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Dabei ist das Gericht grundsätzlich frei darin, welche Beweiskraft es den behaupteten Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau beimisst.
2. Ist die Sachverhaltsvariante des Klägers von Widersprüchlichkeiten und Zufällen geprägt, ist diese nicht geeignet, die Überzeugung des Gerichts im Einzelfall zu erschüttern.
Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung wegen Fundunterschlagung aufgrund von Indizien
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 08.12.2023; Aktenzeichen 1 Ca 3627/23) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.12.2023 - 1 Ca 3627/23 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer hilfsweisen ordentlichen, arbeitgeberseitigen Beendigungskündigung.
Der am 1963 geborene, verheiratete und mit einem Grad von 50 schwerbehinderte Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen seit dem 01.12.1993 als Servicemitarbeiter am Standort K beschäftigt. Sein durchschnittlicher Bruttomonatsverdienst betrug seinen Angaben nach zuletzt 3.828,00 € brutto.
Zu den Aufgaben des Klägers als Mitarbeiter im Bahnhofservice gehörte die Entgegennahme von Fundsachen. Ein Mitarbeiter, der eine Fundsache ausgehändigt bekommt, hat diese gem. 7.6.3.2. des Produkthandbuchs Service im Bahnhof "unverzüglich, d.h. ohne schuldhafte Verzögerung, zur Fundannahmestelle oder Fundstelle zu bringen".
Bei einer Durchsuchung durch das Polizeipräsidium Köln am 24.05.2023 auf Grund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Köln vom 04.05.2023 wurde im Spind des Klägers eine Geldbörse nebst Personalausweis und Fundsachenanhänger aufgefunden. Wegen des Durchsuchungs-/Sicherstellungsprotokolls wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie (Bl. 58 GA) verwiesen. Der Fundsachenanhänger gibt sowohl als Übergabedatum als auch als Gefunden - am - Datum den 23.04.2022 an. Im Übrigen weist er einen Bargeldbetrag von 69,07 EUR aus. Eine Unterschrift eines Mitarbeiters oder die Finderdaten sind nicht aufgenommen. Wegen der Einzelheiten des Fundsachenanhängers mit der Nummer XXX wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie (Bl. 91 GA) verwiesen.
In dem Dienstbuch vom 05.05.2023 befindet sich ein Eintrag unter der Überschrift "Mitteilungen und Besonderheiten", in dem ein Fund eines Portemonnaies genannt ist, auf den sich der Kläger beruft, nicht jedoch in der verpflichtend zu nutzenden Fundsachenliste vom 05.05.2023 (Bl. 58 GA). Im System "Verloren & Gefunden" in dem die Fundsachenanhänger erfasst werden, findet sich kein Eintrag für diesen Anhänger.
Der Kläger war vom 05.05 - 18.05. im Dienst und dann vom 22. -25.05.2023 arbeitsunfähig.
Am 02.06.2023 wurde der Kläger zu der aufgefundenen Fundsache telefonisch befragt, da er zu diesem Zeitpunkt erneut arbeitsunfähig krank war. Der Kläger gab an, dass er die Fundsache in seiner Hosentasche vergessen und deshalb nicht abgegeben habe. Er habe die Geldbörse daraufhin in seinem Spind abgelegt, wobei er angab das Geld separat in einem Safe-Bag verwahrt zu haben.
Unter dem 07.06.2023 wurde der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung angehört (Bl. 65 GA). In einer außerordentlich einberufenen Betriebsratssitzung am 12.06.2023 hat der Betriebsrat der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung zugestimmt. Gleiches gilt für die Schwerbehindertenvertretung (Bl. 72 und 80 GA).
Mit Schreiben vom 07.06.2023 beantragte die Beklagte beim zuständigen Inklusionsamt die Zustimmung zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers (Bl. 92 GA). Eine Entscheidung hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung wurde nicht getroffen.
Mit zwei gleichlautende Schreiben vom 22.06.2023 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos.
Mit Entscheidung vom 03.08.2023 hat das LVR-Inklusionsamt der ordentlichen Kündigung des Klägers zugestimmt (Bl. 60 GA).
Nach dieser Entscheidung wurde der Betriebsrat noch einmal zur ordentlichen Kündigung angehört. Der Schwerbehindertenvertretung wurde ein inhaltsgleiches Schreiben zugeleitet und auch sie erneut angehört. Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat haben jeweils erneut zugestimmt.
Mit Schreiben vom 28.08.2023 erklärte die Beklagte vorsorglich eine ordentliche, fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2023, höchst hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Der Kläger ist der Ansicht, die Voraussetzungen für eine Tat- oder Verdachtsk...