Robert Engert, Winfried Simon
Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung, die einem Ehepaar zu einem gemeinsamen Kind verhelfen soll, das wegen Empfängnisunfähigkeit der Ehefrau sonst von ihrem Ehemann nicht gezeugt werden könnte (homologe künstliche Befruchtung), können nach dem BFH-Urteil vom 18.6.1997, BStBl II S. 805 außergewöhnliche Belastungen sein. Dies gilt auch für ein nicht verheiratetes Paar, wenn die empfängnisunfähige Frau in einer festen Partnerschaft lebt, der Mann die Vaterschaft anerkennt und die Maßnahmen in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen durchgeführt werden (BFH-Urteil vom 10.5.2007, BStBl II S. 871).
Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung im Ausland können nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, wenn die Behandlung nach inländischen Maßstäben nicht mit dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) oder anderen Gesetzen vereinbar ist (BFH-Urteil vom 17.5.2017, BStBl 2018 II S. 344). Im Einzelfall bedarf dies aber nach Ansicht des BFH einer näheren Prüfung, ggf. mithilfe eines Sachverständigengutachtens. Die Finanzverwaltung erkennt bei einer im Ausland durchgeführten künstlichen Befruchtung von bis zu fünf eigenen Eizellen und Einsetzung von nicht mehr als zwei Embryonen entsprechende Aufwendungen auch ohne Sachverständigengutachten als außergewöhnliche Belastungen an. Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung unter Verwendung von gespendeten Eizellen im Ausland können jedoch nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, wenn diese Behandlung nicht mit dem deutschen ESchG vereinbar ist. Diese Beurteilung verstößt nach Ansicht des BFH weder gegen verfassungsrechtliche noch gegen europarechtliche Vorgaben (BFH-Urteile vom 25.1.2022, VI R 34/19, BFH/NV 2022 S. 585 und VI R 36/19, BFH/NV 2022 S. 593). Dementsprechend sind auch die Aufwendungen für eine im Ausland durchgeführte Leihmutterschaft, die ebenfalls nach innerstaatlichem Recht verboten ist, nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig (BFH-Urteil vom 10.8.2023, BStBl II S. 1110).
Aufwendungen eines Ehepaars für eine medizinisch angezeigte künstliche Befruchtung mit dem Samen eines Dritten (sog. heterologe künstliche Befruchtung) erkennt der BFH im Hinblick auf die krankheitsbedingte Zeugungsunfähigkeit des Ehemannes als Krankheitskosten und damit ebenfalls als außergewöhnliche Belastung an (Urteil vom 16.12.2010, BStBl 2011 II S. 414). Das Gleiche gilt für eine heterologe künstliche Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation einer in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebenden unfruchtbaren Frau (BFH-Urteil vom 5.10.2017, BStBl 2018 II S. 350). Das FG Münster erkennt auch die krankheitsbedingten Kosten für die künstliche Befruchtung einer alleinstehenden Frau als außergewöhnliche Belastungen an (Urteil vom 24.6.2020, 1 K 3722/18 E, EFG 2020 S. 1420); auf den Beziehungsstatus der Frau komme es nicht an. Nach Ansicht des BFH sind die Aufwendungen einer gesunden Steuerpflichtigen für eine Präimplantationsdiagnostik (PID) mit nachfolgender künstlicher Befruchtung aufgrund einer Krankheit ihres Partners als außergewöhnliche Belastungen abziehbar (BFH-Urteil vom 29.2.2024, BStBl II S. 514). Der Abziehbarkeit steht es in diesem Fall nicht entgegen, dass die Partner nicht miteinander verheiratet sind.
Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung nach vorangegangener freiwilliger Sterilisation sind weiter keine außergewöhnlichen Belastungen (BFH-Urteil vom 3.3.2005, BStBl II S. 566). Das Gleiche gilt nach Ansicht des FG Berlin-Brandenburg für die Kosten einer Kinderwunschbehandlung bei ausschließlich altersbedingter Kinderlosigkeit (Urteil vom 18.10.2018, 9 K 11390/16, EFG 2019 S. 106).