5.1 Schnittstellen zwischen Gesundheitswesen und Betriebsärzten müssen überprüft werden
Die Verankerung der Arbeitsmedizin im Arbeitsschutzrecht des Bundesarbeitsministeriums (SGB VII) bei gleichzeitiger Stärkung der Präventionsbemühungen durch das Gesundheitsministerium des Bundes über Kassenärzte, Krankenkassen und Rehabilitationsträger (SGB V und IX) führt an den Schnittstellen zwischen Unternehmen und Gesellschaft zu vielen tradierten Zuständigkeiten. Diese verhindern, dass Prävention und Gesundheitsförderung einerseits und die medizinische Versorgung andererseits zum Wohle des Einzelnen und der Gesellschaft optimal zusammenzuwirken.
Politischer Handlungsbedarf besteht hier in folgenden Bereichen:
- Zugang der Betriebsärzte zur Telematik-Infrastruktur mit Nutzung der Daten der elektronischen Patientenakte für die arbeitsmedizinische Beratung,
- Vernetzung der präventiven und kurativen Medizin durch verstärkte Zusammenarbeit und gegenseitigen Austausch zwischen Betriebsärzten und Haus-/Fachärzten,
- Zusammenarbeit der Betriebsärzte/Krankenkassen bei der Schließung von Impflücken von Erwachsenen bei den empfohlenen Standardimpfungen,
- Zusammenarbeit der Haus- und Betriebsärzte bei Check-ups und Heilmittelversorgung,
- enge Zusammenarbeit der Betriebsärzte mit den Trägern der medizinischen und beruflichen Rehabilitation,
- Überprüfung der unterschiedlichen Zuständigkeiten für arbeitsbedingte und arbeitsunabhängige Gesundheitsstörungen der Beschäftigten hinsichtlich ihrer Behandlung und Beschäftigungsfähigkeit,
- Zusammenarbeit von Krankenkassen, Rentenversicherern und Arbeitsagenturen zur Verhinderung dauerhafter Erwerbslosigkeit bei chronischen Erkrankungen.
5.2 Versorgungssituation und Nachwuchsentwicklung
Während die betriebsärztliche Betreuung größerer Betriebe überwiegend gewährleistet ist, haben insbesondere Klein- und Kleinstbetriebe bisher keine Betriebsärzte bestellt. Als Ursachen hierfür werden u. a. eine mangelnde Kenntnis der Regelungen und die lückenhafte Überwachung, aber auch eine mangelnde Akzeptanz der Angebote durch die Geschäftsführung angeführt.
Idealerweise sollten die Medizinstudenten das Fach im Überblick während ihres Studiums kennenlernen. Doch leider fehlt derzeit an 15 deutschen Universitäten ein arbeitsmedizinischer Lehrstuhl und in 2 Bundesländern ist auch der gewerbeärztliche Dienst vollständig abgebaut worden. Hier können nur gemeinsame Anstrengungen von Politik, Wirtschaft, Forschung und Lehre sowie der Interessenverbände zu einer optimierten Ausgangssituation beitragen und die Bekanntheit des Fachs schrittweise verbessern.
Eine von der Bundesärztekammer 2021 eingesetzte Kommission kam zu dem Ergebnis, dass Ende 2019 ca. 8.100 Ärztinnen und Ärzte die arbeits- oder betriebsmedizinische Qualifikation besaßen und zusätzlich ca. 1.000 Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung zur Verfügung stehen. Die steigende Zahl von Kursteilnehmern in den arbeitsmedizinischen Akademien, die alle Weiterbildungswilligen besuchen müssen, und der gleichzeitig seit 2011 kontinuierliche Anstieg der Facharztanerkennungen bei den Landesärztekammern belegen die positive Bewertung des ärztlichen Nachwuchses, die die Beschäftigungsbedingungen, Entwicklungsmöglichkeiten, aber auch die Attraktivität und Sinnhaftigkeit arbeitsmedizinischer Tätigkeiten heute positiv bewerten.