Vor dem Hintergrund der bisherigen Aufzählungen über Gründe für mögliche "Fehlentscheidungen und Fehlhandlungen, die zu Störungen im Arbeitsprozess, zu Beinahe-Unfällen, zu Unfällen oder gar Katastrophen führen können", werden zwei Beispiele digitaler Assistenzsysteme vorgestellt, die in der Praxis bereits realisiert wurden.

Assistenzsysteme sollen den Menschen bei seiner speziellen Tätigkeit unterstützen und ihm die Arbeit erleichtern. Dabei kann es sich um einfache Assistenztätigkeiten handeln, wie die Bereitstellung von Informationen (z. B. Navigationssystem im Auto) oder ausführliche Handlungsanleitungen (z. B. Datenbrillen, die dem Mitarbeiter visuelle oder akustische Hilfestellung geben oder Warnungen vermelden). Die Bedeutsamkeit von Assistenzsystemen ergibt sich aus den Veränderungen in der Arbeitswelt, die durch Digitalisierung und zunehmende Technologisierung gekennzeichnet ist, sowie dem demografischen Wandel, veränderten Wertschöpfungsprozessen und nicht zuletzt der Forderung nach Inklusion von leistungsbeeinträchtigten Mitarbeitern.

Man verspricht sich von digitalen Assistenzsystemen mehr Flexibilität bei der Personaldisposition, Fehlerreduzierung, schnellere Einarbeitung von neuen Mitarbeitern oder Leiharbeitnehmern und den Erhalt oder Einsatz von Mitarbeitern, die Leistungsminderungen zeigen.

Assistenzsysteme werden bislang v. a. in der Produktion und der Logistik eingesetzt.

Digitale Assistenzsysteme vereinen das Beste aus 2 Welten: die herausragenden Fähigkeiten des Menschen mit den besonderen Eigenschaften von Maschinen. Dabei erstreckt sich das Spektrum möglicher Unterstützung von

  • physischen Assistenzsystemen, die Hilfestellung bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten leisten über
  • sensorische Assistenzsysteme zur Kompensation funktionaler, oft altersbedingter, Veränderungen der Sinnesorgane bis hin zu
  • kognitionsunterstützenden Assistenzsystemen zur echtzeitnahen Informationsbereitstellung.
 
Praxis-Beispiel

Schutzhelm mit Head-up-Display und Sensorik

"Der Datenhelm ist ein hochfunktionales Wearable, das als tragbare Benutzerschnittstelle (Human Machine Interface) fungiert und so eine nahtlose Interaktion von Mensch und Gerät ermöglicht. Dabei verbindet er die Funktionen eines Schutzhelms mit den Eigenschaften moderner Technologien."

Er kommt im produzierenden Gewerbe und im Baugewerbe zum Einsatz und hier in der Montage, in der Produktion, im Hoch- und Tiefbau und im Straßenbau.

"Aufgabenspektrum: Hinter dem großen, typischerweise blauen Visier befinden sich 2 Bildschirme, die Anweisungen und Hinweise zu anstehenden Aufgaben geben können. Sie sind ebenfalls in der Lage, Messstände von Maschinen abzulesen, die sie dann direkt analysieren, um dem Träger passende Handlungsempfehlungen einzublenden. Für die Orientierung im Raum hat der Datenhelm oben einen Trägheitssensor, 2 Kameras vorne am Inneren des Helms, 2 Kameras hinten sowie eine 3D-Kamera. Auf diese Weise kann er dem Helmträger etwa anhand von Richtungsangaben auf den Bildschirmen Informationen über große Baustellen, die richtigen Arbeitsgeräte oder Bauteile anzeigen, die ersetzt oder repariert werden müssen."

 
Praxis-Beispiel

Haptisches Trainingssystem für die Chirurgenausbildung

"Das Trainingssystem soll eine haptische Lernumgebung zur Simulation von chirurgischen Eingriffen bieten und bei der Aus- und Weiterbildung von Ärzten*innen im Rahmen eines ganzheitlichen Trainingskonzeptes zum Einsatz kommen."

"Aufgabenspektrum: Das System dient der Aus- und Weiterbildung von Ärzten*innen in der Chirurgie. Ausgehend von einem Endgerät (z. B. Tablet-Computer) und adaptierten chirurgischen Instrumenten als Eingabemittel soll das System einen Trainingssimulator mit haptischer Feedback-Funktion bieten und als Schnittstelle zwischen der universitären (theoretischen) Ausbildung und der Ausbildung mit komplexen High-Fidelity-Simulationen dienen. Der Einsatz des Systems ist im Rahmen eines ganzheitlichen Trainingskonzeptes unter Einbindung von Lernenden und Lehrenden vorgesehen."

Um Assistenzsysteme nutzbringend für alle Beteiligten einzusetzen, müssen strukturelle Bedingungen und individuelle Voraussetzungen in Einklang gebracht werden. D. h., die Arbeitsorganisation muss ebenso wie der Mensch mit dem jeweiligen Assistenzsystem in Einklang gebracht werden.

[1] Apt/Bovenschulte/Priesack/Weiß/Hartmann (2018): Einsatz von digitalen Assistenzsystemen im Betrieb. Forschungsbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/Forschungsberichte/fb502-einsatz-von-digitalen-assistenzsystemen-im-betrieb.pdf?__blob=publicationFile&v=1. Abrufdatum: 20.4.2020).

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