Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Psychische Belastungen für Lehrkräfte werden allgemein als hoch angesehen und als Ursache hoher Ausfall- und verkürzter Lebensarbeitszeiten. In der DGUV-R 102-601 wird das Thema unter dem Schlagwort "gute gesunde Schule" ganzheitlich und in Zusammenhang mit einer lernförderlichen Umgebung für Schüler und einer effektiven Struktur und Gestaltung aller inneren Schulangelegenheiten gesehen. Neben der Unterrichtstätigkeit werden auch Konferenzgestaltung, Verwaltungstätigkeit, Elternarbeit und Stundenplangestaltung als Themenfelder angesprochen, in denen viel für die psychische Gesunderhaltung von Lehrkräften getan werden kann. Dem stehen in der Praxis leider auch sehr komplexe Rahmenbedingungen gegenüber, die die Umsetzung guter Ansätze schwierig machen.
Persönliche Präsenz, Kommunikation und Motivation
Lehrkräfte müssen während ihrer Arbeitszeit in hohem Maße präsent sein. In kaum einem anderen Beruf gibt es pro Schicht so viele Kontaktaufnahmen wie im Lehrerberuf, nimmt man das Unterrichtsgeschehen und die Gespräche in Pausen sowie bei Besprechungen, Konferenzen usw. zusammen. Lehrerarbeit ist außerdem selten ein Selbstläufer – i. d. R. ist es die Lehrkraft, die mit ihrem Einsatz und ihrer Ausstrahlung versuchen muss, Schüler zu motivieren und die Unterrichtseinheit zum Erfolg zu führen.
Gleichzeitig gibt es vergleichsweise wenig Zeiten, in denen völlig selbstbestimmte oder automatisierte Tätigkeiten ausgeführt werden können, bei denen eine gewisse Entspannung möglich ist.
Gerade Lehrkräfte, die fachlich und/oder pädagogisch sehr interessiert sind, erleben häufig, dass sie auf Dauer oder in bestimmten Lebensphasen dieses hohe Anstrengungsniveau nicht durchhalten können.
Arbeitsdruck
Gute pädagogische Qualität, die mit individueller Förderung, neuen kreativen Ideen und allgemein einem hohen Anspruch an sich selber einhergeht, kostet Zeit. Da die Zeitressourcen aber begrenzt sind, kommt es leicht zu erheblichen Arbeitsspitzen, die oft eng mit dem Schuljahresverlauf, erforderlichen Verwaltungsprozessen und nicht zuletzt dem Krankenstand im Kollegium verknüpft sind. Auch häufige Veränderungen in der Schulorganisation oder der Unterrichtsgestaltung können zu einer mindestens partiellen Überforderung von Lehrkräften führen.
Arbeitszeitgestaltung
Ein Halbtagsjob ist die Lehrertätigkeit schon lange nicht mehr. Immer mehr Schulen erteilen auch nachmittags Unterricht, und durch Nachmittagsbetreuung, Teambesprechungen, Verwaltungstätigkeiten und Konferenzen nähern sich die Lehrerarbeitszeiten denen eines normalen Angestelltenjobs an. Zwar haben Lehrkräfte über den Tag verteilt unterrichtsfreie Zeiten, die sich aber oft nur schwer für Korrekturen und Unterrichtsvorbereitungen nutzen lassen. Daraus folgt häufig, dass Lehrkräfte mit der üblichen "Lehrerheimarbeit" in den Abendstunden erheblich Mehrarbeit leisten. Auch regelmäßige, planbare Pausen, die nach Arbeitszeitgesetz frei von arbeitsbezogenen Störungen sein sollen, sind im Schulalltag nicht sichergestellt.
Konflikte/Umgang mit Aggression und Gewalt
Schon der in Schulen unvermeidlich hohe Kommunikations- und Abstimmungsbedarf und die damit verbundene Beanspruchung führen zu einem hohen Konfliktpotenzial. Davon sind grundsätzlich alle Ebenen zwischen Schülern, Eltern, Lehrern und anderen Beschäftigten der Schule betroffen. Dabei trägt die gesamte Schulsituation, also das Umfeld, die Organisations- und Führungsstruktur, erheblich das Konfliktpotenzial. Spitzenbelastungen ergeben sich durch verbale und körperliche Gewalt, die vielen Einschätzungen zufolge unter Schülern und durch Schüler den Lehrern gegenüber zunimmt.