Die Idee der Entwicklung einer internationalen Norm für Arbeitsschutz-Managementsysteme entstand bereits in den 1980er-Jahren. Auslöser waren insbesondere Untersuchungen großer Havarien, die organisatorische Missstände und Managementfehler als entscheidende Unfallursachen aufzeigten und Organisationsverschulden leitender Personen nahelegen, sowie die steigende praktische Relevanz normorientierter Managementsysteme, wie v. a. das Qualitätsmanagement gem. der QM-Norm ISO 9001. Befürworter einer AMS-Norm, wie einige internationale Großbetriebe, einige Normungsinstitute (z. B. BSI) und einige international tätige Zertifizierungsgesellschaften, konnten sich lange Zeit nicht durchsetzen. Die "Gegner" befürchteten einen Bedeutungsverlust der nationalen, gesetzlichen Vorgaben (in Deutschland auch der Vorgaben der Unfallversicherungen), Konflikte bzw. eine Konkurrenz zwischen Forderungen aus Gesetzen und Verordnungen und einer AMS-Norm, eine Harmonisierung auf einem tieferen Sicherheitsniveau sowie einen steigenden Zertifizierungsdruck, verbunden mit nicht unerheblichen Kosten. Ganz unbegründet waren und sind diese Bedenken und Vorbehalte nicht und sie wurden auch nicht durch die Informationspolitik der Befürworter und von der ISO ausgeräumt.
Wesentliche Meilensteine auf dem Weg zur ISO 45.001
1. Organisationsverschulden führt zu Organisationshaftung
Unternehmen sind sich zunehmend über den Zusammenhang zwischen Organisationsverschulden und Organisationshaftung bewusst. Sie schließen daraus, dass sie sich verstärkt um die Wirksamkeit des Arbeitsschutzes in ihren Unternehmen sowie die Organisation der Ermittlung der Wirksamkeit kümmern müssen. Die verstärkte Fokussierung auf die Wirksamkeit des Arbeitsschutzes sowie dessen Organisation und Maßnahmen geht einher mit einem Paradigmenwechsel bei Anwendung des Arbeitsschutzes: Weg vom "bloßen" Abhaken von Forderungen und hin zu einem zielorientierten Verbesserungsprozess, der die Kompetenzen und das "Wollen" und "Sollen" fördert und damit den Reifegrad des "Betreibens" (Managen) des betrieblichen Arbeitsschutzes steigert. Beigetragen haben hierzu auch die weitgehend positiven Erfahrungen mit der Anwendung der bereits vorhandenen AMS-Standards, wie der Nationale Leitfaden für AMS, der Grundlage für die AMS-Handlungshilfen der Unfallversicherungsträger ist, sowie die v. a. auf Baustellen weit verbreiteten AMS-Standards SCC/SCP (seit 2021: SCC-VAZ).
2. Entwicklung des internationalen AMS-Standards OHSAS "Occupational Health and Safety Assessment Series"
In Kürze: Angeregt insbesondere durch das britische Normungsinstitut (BSI) startete die International Organization for Standardization (ISO) 1996 den 1. Versuch, eine AMS-Norm zu entwickeln. Die Mehrheit der Mitglieder der ISO lehnte dieses Vorhaben jedoch ab. Als Folge entwickelten interessierte Gruppen (die spätere OHSAS-Projektgruppe, bestehend aus nationalen Normungsorganisationen, Zertifizierungs- und Akkreditierungsorganisationen, Institutionen für Sicherheit und Gesundheit, Industrieverbänden, Beratungsunternehmen und Regierungsbehörden) unter der Leitung der BSI-Group den AMS-Standard OHSAS 18.001:1999 "Occupational Health and Safety Assessment Series" und 2000 die OHSAS 18.002:2000 "Arbeits- und Gesundheitsschutz-Managementsysteme – Leitfaden für die Implementierung von OHSAS 18.001".
Der AMS-Standard OHSAS 18.001 erlangte relativ schnell eine weltweit hohe Akzeptanz – insbesondere in Asien. Dazu beigetragen haben auch die erneuten Versuche (2000 und 2010), auf der ISO-Ebene die Erarbeitung der angedachten internationalen AMS-Norm zu vereinbaren. 2007 legte die OHSAS-Projektgruppe die Revision des AMS-Standards OHSAS, die OHSAS 18.001:2007 und ein Jahr später die Revision der OHSAS 18.002 vor. Diese sollten auch aufzeigen, wie eine solche internationale Norm aussehen könnte.
2007 veröffentlichte BSI Group den AMS-Standard OHSAS 18.001:2007 als britische Norm BS OHSAS 18.001:2007. Weitere nationale Normungsorganisationen folgten diesem Beispiel. OHSAS wurde zum international anerkannten AMS-Standard – aber weiterhin keine internationale Norm.
3. Ablösung der OHSAS 18.001 durch eine ISO-Norm für Arbeitsschutz-Managementsysteme
Die weltweit hohe Reputation der OHSAS 18.001 nutzt die OHSAS-Projektgruppe 2012 für einen neuen Vorschlag zur Entwicklung einer ISO-Norm für Arbeitsschutz-Managementsysteme. Diesmal im Sinne einer Weiterentwicklung der OHSAS 18.001:2007 zu einer Norm. Mitte 2013 nahm ISO diesen Antrag an und beauftragte eine Arbeitsgruppe, das Project Committee PC 283 "Occupational Health and Safety Management Systems", unter britischer Leitung mit der Erarbeitung einer entsprechenden ISO-AMS-Norm. Beteiligt waren 69 aktiv mitwirkende Normungsorganisationen, 15 beobachtende Normungsorganisationen und 22 Liaison-Mitglieder. In Deutschland wurde im Herbst 2013 ein nationales Spiegelgremium zur Begleitung der Entwicklung der ISO 45.001 eingerichtet.
Relativ schnell (Oktober 2013) wurde klar, dass eine "einfache" Überarbeitu...