Dipl.-Chem. Matthias Plog
1.1 Bedeutung der Sicherheitsfachkraft (Sifa)
Die Gefährdungsbeurteilung von Asbest fordert neben der Fachkunde zur Gefährdungsbeurteilung, die jede Sifa besitzt, die Sachkunde nach TRGS 519 sowie eine der Tätigkeit entsprechende Ausbildung (die eine Sifa normalerweise auch hat).
Im Gegensatz zu den Anforderungen bei fast allen anderen Stoffen benötigt eine Sifa mit der Sachkunde also eine Zusatzqualifikation.
1.2 Arbeitsmedizin
Bei Tätigkeiten mit Asbest handelt es sich um Tätigkeiten mit einem nachgewiesenen Humankanzerogen. Daher ist die Beteiligung des Betriebsarztes an der Gefährdungsbeurteilung notwendig. Dieser hat insbesondere sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer nicht unverhältnismäßig durch das Tragen von Persönlicher Schutzausrüstung belastet werden. Es obliegt dem Betriebsarzt, über die chronischen Risiken zu informieren. Zudem muss er sicherstellen, dass die Arbeitnehmer verstehen, dass die festgelegten Schutzmaßnahmen, inklusive der hygienischen Regeln und der Persönlichen Schutzausrüstung, essenziell sind, um die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen.
1.3 Technische Regel zu Gefahrstoffen 519
Die TRGS 519 legt die Gefahrstoffverordnung für Tätigkeiten mit Asbest aus und enthält alle generellen Regeln zum Umgang mit Asbest. Neben der TRGS 519 enthält die TRGS 517 weitere Regeln für Tätigkeiten mit mineralischen Produkten, die Asbest enthalten können. Diese sind aber nicht das Thema dieses Beitrags.
1.4 Gefahren von Asbest
Asbest ist ein hoch potentes Humankanzerogen. Es ist legal als Carc. 1A eingestuft und verursacht Lungen- und Rippenfellkrebs bei inhalativer Aufnahme. Die Latenzzeit bis zur Erkrankung beträgt üblicherweise 20–35 Jahre. Asbestfasern sind sehr fein und extrem lungengängig. Für Asbest existiert eine Exposition-Risiko-Beziehung (ERB) und in der TRGS 910 ist eine Akzeptanzkonzentration von 10.000 Fasern/m3 und eine Toleranzkonzentration von 100.000 Fasern/m3 festgelegt. Schon bei normalen Handwerkstätigkeiten ohne passende Schutzmaßnahmen können Luftkonzentrationen weit jenseits der Toleranzkonzentration auftreten.
Die Reaktionen auf den Fund von asbesthaltigen Materialien sind konträr. Die eine Seite verfällt sofort in Panik und sieht sich selbst und alle Personen in der Umgebung in tödlicher Gefahr, während die andere Seite mit den Achseln zuckt und das Problem ignoriert. Beide Reaktionen sind falsch: Asbest ist ein großes Risiko, wenn Fasern freigesetzt werden, aber eine Freisetzung und somit ein Risiko liegt nur bei mechanischer Beanspruchung vor. Der reine Aufenthalt in einem mit Asbest belasteten Gebäude führt somit nicht zu einer Gefährdung. Andererseits ist ein Ignorieren bei mechanischer Bearbeitung fatal und mitverantwortlich für die hohe Anzahl an Erkrankungen und Todesfällen.
1.5 Identifizieren von Asbest
Der wichtigste Schritt, um asbestbezogene Risiken eindämmen zu können, ist, das Vorhandensein von Asbest festzustellen. Dabei erfordert das Identifizieren von asbesthaltigen Produkten Erfahrung und einen Grundverdacht. Der Grundverdacht sollte zunächst bei allen Häusern bestehen, die vor 1993 gebaut (Baubeginn) bzw. saniert wurden. In diesen Häusern gilt es, Vorsicht walten zu lassen und erst einmal die Historie der Sanierungen zu erfragen. Potenziell riskante Bereiche sind dann zu inspizieren und im Verdachtsfall ist entweder von einem Vorhandensein von Asbest auszugehen oder ein Sachverständiger zur Beprobung hinzuzuziehen.
Verschiedene Rechtsbereiche
Der Umgang sowie die erlaubten Tätigkeiten mit Asbest sind sowohl im Bau- als auch im Gefahrstoffrecht geregelt. Leider sind die verwendeten Begrifflichkeiten nicht immer einheitlich und es existieren auch Differenzen in den Anforderungen. Diese Zusammenfassung befasst sich nur mit den Anforderungen aus dem Gefahrstoffrecht an die Tätigkeiten mit Asbest im Bau. Für den Rückbau von Schiffen oder technischen Geräten, die Asbest enthalten, gelten die identischen Anforderungen, basierend auf der Höhe der Belastung der Beschäftigten.