Prof. Dr.-Ing. habil. Manfred Rentzsch
Barrierefreie Gestaltungslösungen für Verkehrs- und Freiräume und die darin enthaltenen Gestaltungsräume sind auf alle Personen auszurichten, die das Bedürfnis zu ihrer Nutzung haben bzw. aus diversen Gründen dazu veranlasst werden, sie zu nutzen. Alle Arten von Freiräumen sind deshalb so zu gestalten, dass sie selbsterklärend sind und auch von allen mobilitätseingeschränkten Personen mit reduzierten motorischen, sensorischen und kognitiven Funktionen befahren, begangen und allseitig genutzt werden können. Dies trifft auf den Landschaftspark, den Rad- oder Fußweg genauso zu wie auf die Haltestelle einer Straßenbahn oder die Toilette in einem Friedhof. Im Hinblick darauf, dass Verkehrs- und Freiräume i. d. R. einen Bezug zu Gebäuden bzw. Verkehrstraßen haben, ist auch die Interaktion zwischen beiden Komponenten einzubeziehen. Folgende Mobilitätseinschränkungen sind zu berücksichtigen und mit Gestaltungslösungen zu untersetzen:
1.1 Freizeitanlagen
Folgende Mobilitätseinschränkungen sind in Freizeitanlagen (Parks, Gärten) denkbar:
Motorische Funktionen
- Gehbehinderungen verbunden mit Schwierigkeiten beim Begehen unebener Bodenflächen und Schwellen beim Betreten von Sehenswürdigkeiten (z. B. Brunnenanlagen, Umkleidekabinen),
- Behinderungen beim Befahren der Freizeitanlagen durch Nutzer von Rollstühlen und Rollatoren bei feuchter Witterung infolge eines unbefestigten zu weichen Bodens bzw. bei unzureichender Breite der Haupt- und Nebenwege und nicht vorhandenen Bewegungsflächen zum Wenden,
- ungenügende Möglichkeiten zum Ausruhen in angemessenen Abständen für körperlich geschwächte Personen,
- Einschränkung der Informationsaufnahme durch kleinwüchsige Menschen bei zu hoch angebrachten Hinweis- bzw. Informationstafeln.
Sensorische Funktionen
- Schlechte Orientierung sehbeeinträchtigter, blinder Personen wegen unzureichender Markierung von Gehwegbegrenzungen, unterschiedlicher Oberflächen-Strukturen und unzureichender Lesbarkeit von Informationstafeln,
- Schwierigkeiten beim Auffinden von Ruheplätzen für körperlich beeinträchtigte und kleinwüchsige Menschen (Ruhebänke).
Kognitive Funktionen
Komplizierte und damit für Personen mit eingeschränkten kognitiven Funktionen unverständliche Textfassungen zur Information und besseren Orientierung in der entsprechenden Anlage.
1.2 Fußgängerbereiche und Gehwege
Folgende Mobilitätseinschränkungen können in Fußgängerbereichen und auf Gehwegen auftreten:
Motorische Funktionen
- Gehbehinderungen durch Abstufungen im Fußgängerbereich bzw. durch Rutschgefahr bei feuchten Oberflächen,
- Gefahr des Rutschens von Rollstuhl- und Rollator-Nutzern infolge ungenügender Bodenhaftung bei feuchtem Boden im Sommer und Winter,
- schwieriges Manövrieren bei gegenläufigem Verkehr von Rollstuhl- und Rollator-Nutzern und ungenügender Breite des Fußgängerbereichs sowie Nichtbeachtung der Anforderungen an Breite, Längs- und Querneigung von Gehwegen.
Sensorische Funktionen
- Höheres Sicherheitsrisiko sehbeeinträchtigter, blinder Personen bei Ignorierung der Anforderungen an Kopffreiheit sowie an visuelle und taktile Führung (fehlende Leitstreifen),
- Gefährdung bei unzureichender Markierung von Überquerungsstellen an Straßeneinmündungen,
- Farbenfehlsichtigkeit und Farbenblindheit mit Schwierigkeiten des Erkennens farbiger Markierungen und des Orientierens in Fußgängerbereichen.
Kognitive Funktionen
Nicht eindeutig gekennzeichnete Überquerungsstellen für Fußgänger mit eingeschränkten kognitiven Funktionen, insbesondere Anfang und Ende betreffend.
1.3 Halte- und Überquerungsstellen
Folgende Mobilitätseinschränkungen sind an Halte- und Überquerungsstellen möglich:
Motorische Funktionen
- Gefährdung an gemeinsamen Überquerungsstellen für körperlich stark eingeschränkte Rollstuhl- und Rollator-Nutzer (z. B. mit Muskelschwäche) mit einer Bordabsenkung von 30 mm und nicht ausreichender Kraft zu deren Überwindung,
- Gefahr durch ungenügende Sicherungsmaßnahmen vor der Nullabsenkung auf Fahrbahnniveau bei getrennten Überquerungsstellen,
- schwieriges Manövrieren bei gegenläufigem Verkehr von Rollstuhl- und Rollator-Nutzern und ungenügender Breite des Fußgängerbereichs sowie Nichtbeachtung der Anforderungen an Längs- und Querneigung,
- Behinderungen beim Aussteigen aus Niederflur-Straßenbahnen oder -Bussen bei nicht angepassten Bordhöhen der Haltestellen,
- keine ausreichende Barrierefreiheit von Warteflächen und Zugangswegen an Haltestellen.
Sensorische Funktionen
- Höheres Sicherheitsrisiko sehbeeinträchtigter, blinder Personen bei sog. gemeinsamen Überquerungsstellen und nicht genügender Wahrnehmung von Niveau-Unterschieden,
- ungenügender visueller Kontrast, fehlende Aufmerksamkeitsfelder bei Bordabsenkungen < 30 mm und fehlende akustische Signale bei Nullabsenkung an gemeinsamen Überquerungsstellen,
- unzureichend wahrnehmbare visuelle und akustische Orientierungssignale sowie Bodenindikatoren an Überquerungsstellen.
Kognitive Funktionen
Nicht eindeutig gekennzeichnete Überquerungsstellen für Fußgänger mit eingeschränkten kognitiven Funktionen, insbesondere Anfang und Ende betreffend.