Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Betriebsweg. analoge Anwendung des § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 7. Verbringung eines Kindes in fremde Obhut
Orientierungssatz
1. Auf das Zurücklegen eines Betriebsweges iS von § 8 Abs 1 SGB 7 ist § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 7 analog anwendbar.
2. Für den Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 7 reicht es aus, dass wegen der Berufstätigkeit auch nur eines Ehegatten oder Lebenspartners ein Kind fremder Obhut anvertraut wird, weil der nicht berufstätige Elternteil oder Lebenspartner zB wegen Krankheit an der Betreuung des Kindes verhindert ist.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13.12.2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Unfallereignis vom 28.01.2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.
Der 1967 geborene Kläger ist als Vertriebsmanager beschäftigt. Am 28.01.2005 befand er sich auf dem Weg von einem Kundenbesuch zu seinem Wohnort, um dort in einem häuslichen Home-Office seine Tätigkeit fortzusetzen. Er unterbrach die Fahrt, um seinen 27 Monate alten Sohn von einer privaten Spielgruppe (musikalische Früherziehung) abzuholen. Hierbei stürzte der Kläger auf der Außentreppe des Gebäudes, in dem sich die Spielgruppe aufhielt. Er zog sich eine Trimalleolarfraktur rechts zu.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger mit, dass die Spielgruppe dienstags und freitags in der Zeit von 9.00 bis 11.30 Uhr stattfinde. Außerhalb dieser Zeit werde der Sohn von seiner Ehefrau beaufsichtigt, die sich in Elternzeit befinde.
Mit Bescheid vom 10.08.2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Gesetzlich unfallversichert sei nach § 8 Abs 2 Nr 2a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um Kinder, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen einer beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen. Zum Unfallzeitpunkt sei keine Unterbringung des Kindes wegen der beruflichen Tätigkeit des Klägers erforderlich gewesen. Einerseits sei die Teilnahme an der musikalischen Früherziehung keine Betreuung, um eine Berufstätigkeit zu ermöglichen, andererseits sei die Ehefrau nicht berufstätig und damit nicht obhutsverhindert gewesen.
Mit seinem Widerspruch brachte der Kläger vor, dass der Versicherungsschutz nicht die Berufstätigkeit beider Elternteile voraussetze. Seine Ehefrau sei am Unfalltag außerstande gewesen, den Sohn in der betreffenden Zeit zu betreuen. Bedingt durch eine erneute Schwangerschaft (fünfter Monat) sei sie unpässlich gewesen.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2006 zurück. Der Kläger habe sich auf dem Weg zu dem Home-Office auf einem Betriebsweg befunden. Versicherungsschutz hinsichtlich des Anvertrauens von Kindern in fremder Obhut komme jedoch nach § 8 Abs 2 Nr 2a SGB VII nur bei der Unterbrechung eines Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit und nicht bei der Unterbrechung eines Betriebsweges in Betracht. Für eine analoge Anwendung der Regelung auch auf Betriebswege im Sinne des Absatzes 1 dieser Vorschrift sei kein Raum, da sich der Gesetzgeber in dieser Vorschrift ausschließlich mit der Regelung befasst habe, Kinder in fremde Obhut zu bringen, um dem Versicherten die Ausübung der beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen. Im Übrigen sei es Zweck der Vorschrift, beiden Eltern - vor allem den Müttern - zu ermöglichen, am Berufsleben teilzunehmen. Unter Umständen könne der Versicherungsschutz eingreifen, wenn der nicht berufstätige Teil z.B. aufgrund Krankheit gehindert sei, die Obhut selbst zu übernehmen. Allerdings habe die Betreuung des Kindes in der Spielgruppe regelmäßig stattgefunden und sei daher nicht ausschließlich wegen des Unwohlseins der Ehefrau des Klägers notwendig gewesen.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Das Kind habe sich aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in fremder Obhut befunden. Seine Ehefrau sei zum Zeitpunkt des Unfalls aufgrund ihrer zweiten Schwangerschaft nicht in der Lage gewesen, die Obhut zu übernehmen. Es komme nicht darauf an, ob eine Betreuung regelmäßig oder nur einmalig stattfinde.
Das SG hat mit Urteil vom 13.12.2006 den Bescheid vom 10.08.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2006 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Unfall vom 28.01.2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Grunde nach zu entschädigen. Die Vorschrift des § 8 Abs 2 Nr 2a SGB VII sei analog auf das Zurücklegen eines Betriebsweges im Sinne von § 8 Abs 1 SGB VII anwendbar. Die Regelung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII erweitere den Versicherungsschutz des § 8 Abs 1 SGB VII, da das Zurücklegen des Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit an sich in de...