Zusammenfassung

 
Überblick

Der Arbeitgeber muss seine Beschäftigten hinsichtlich des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes bei der Arbeit unterweisen – so will es § 12 ArbSchG. Doch dies geht nicht ohne die Berücksichtigung der Erkenntnisse einer Gefährdungsbeurteilung. Die in § 5 Abs. 1 ArbSchG vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung ist ein wichtiges Mittel der Prävention. Die gewonnenen Erkenntnisse müssen bei den Unterweisungen (vgl. § 12 ArbSchG, § 4 Abs. 1 DGUV-V 1) Berücksichtigung finden.

Arbeitsplatzbezogene Unterweisungen müssen regelmäßig erfolgen. Sie dürfen sich nicht in allgemeinen Ausführungen erschöpfen, sondern müssen die Gefährdungspotenziale des Arbeitsplatzes konkret aufgreifen. Das wiederum ist nur möglich, wenn eine Gefährdungsbeurteilung stattgefunden hat. Dieser logische Zusammenhang wird in der betrieblichen Praxis zuweilen unterlaufen. Das und der Umstand, dass Gefährdungsbeurteilungen auch Gegenstand der betrieblichen Mitbestimmung sind, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in letzter Zeit mehrfach beschäftigt.

1 Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung

Eine Gefährdungsbeurteilung ist durchzuführen als

  • Erstbeurteilung an bestehenden Arbeitsplätzen,
  • Änderungsbeurteilung (z. B. bei der Änderung von Arbeitsstoffen, bei der Neubeschaffung von Maschinen),
  • Nachuntersuchung (z. B. bei Arbeitsunfällen).

Eine Gefährdungsbeurteilung kann nach dem folgenden Schema ablaufen:

  • systematische Untergliederung des Betriebs durch Festlegung von Betrachtungsbereichen (z. B. Arbeitsplatz, Tätigkeit, Person),
  • Beurteilung der Gefährdungen durch vorausschauende bzw. zurückschauende Untersuchungen in den Betrachtungsbereichen (z. B. durch Fragebögen, Gespräche am Arbeitsplatz, Beobachtung von Abläufen),
  • Festlegung erforderlicher Arbeitsschutzmaßnahmen,
  • Durchführung und Überprüfung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen (z. B. Festlegung von Zuständigkeiten, Umsetzung der Maßnahmen in die Praxis).

Gefährdungsbeurteilungen müssen gemäß § 6 Abs. 1 ArbSchG dokumentiert werden.

Das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung muss in die regelmäßigen Sicherheitsunterweisungen einfließen. Sicherheitsunterweisungen sind Unterweisungen im Arbeitsschutz. Man unterscheidet

  • allgemeine Unterweisungen,
  • arbeitsplatzbezogene Unterweisungen und
  • Unterweisungen aufgrund persönlichen Fehlverhaltens.

Damit die Beschäftigten Sicherheits- und Gesundheitsgefährdungen erkennen und entsprechend den vorgesehenen Maßnahmen handeln können, sollen sie auf ihre individuelle Arbeits- und Tätigkeitssituation zugeschnittene Informationen, Erläuterungen und Anweisungen bekommen. Diese konkrete Ausbildung erfordert, dass die Gefährdungspotenziale des Arbeitsplatzes erkannt worden sind – was nur möglich ist, wenn eine Gefährdungsbeurteilung erfolgt ist.

Die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen ist – abhängig vom Arbeitsumfeld – aufwendig und kann mit erheblichen Kosten verbunden sein. Der Versuch, sich diesen Aufwand zu ersparen, liegt also nahe: Sicherheitsunterweisungen finden gar nicht oder nur sehr allgemein gehalten statt und werden unter Umständen durch die Verteilung von Broschüren "ersetzt".

Manche Arbeitgeber vertreten die Auffassung, dass Unterweisungen ohne vorherige Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt werden können. Diese Auffassung ist falsch, wie das BAG (Beschluss v. 11.1.2011, 1 ABR 104/09) bestätigt hat. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Erkenntnisse einer Gefährdungsbeurteilung bei der Unterweisung Berücksichtigung finden müssen. Folgende Leit- bzw. Orientierungssätze des Gerichtes sind hier von Bedeutung:

Zitat

1. Beschließt die Einigungsstelle Regelungen über Art und Inhalt der Unterweisung nach § 12 ArbSchG, hat sie die Erkenntnisse einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG zu berücksichtigen und die konkrete arbeitsplatz- oder aufgabenbezogene Unterweisung daran auszurichten. Sie kann sich nicht darauf beschränken, allgemeine Bestimmungen über die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz zu beschließen.

(Leitsatz des Gerichtes)

Zitat

3. Die Einigungsstelle hat die Erkenntnisse einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG zu berücksichtigen und die konkrete arbeitsplatz- oder aufgabenbezogene Unterweisung daran auszurichten. Sie kann deshalb ihren Regelungsauftrag nur vollständig erfüllen, wenn sie die konkreten Gefahren am Arbeitsplatz in den Blick nimmt und hierauf aufbauend konkrete, arbeitsplatzbezogene Bestimmungen beschließt.

(Orientierungssatz des Gerichtes)

Die Vorschriften im Arbeitsschutzgesetz sind nach Ansicht des Gerichtes so gestaltet, dass Regelungen über eine Unterweisung erst getroffen werden können, wenn zuvor eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wurde.

Die Unterweisung muss gemäß § 12 Abs. 1 Satz 4 ArbSchG an die Gefährdungsentwicklung angepasst sein. Das hat das BAG bereits in seinem Urteil v. 12.8.2008 (9 AZR 1117/06) bestätigt: Die Unterweisung setzt eine Gefährdungsbeurteilung voraus. Vor einer Unterweisung muss festgestellt werden, worin die möglichen Gefahren und Belastungen des konkreten Arbeitsplatzes bestehen, woraus sie sich ergeben und welche Maßnahmen des Arbe...

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