Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
1.1 Wer kann als Betriebsarzt tätig werden?
In Deutschland können Mediziner als Betriebsarzt tätig werden, wenn sie eine der beiden folgenden Qualifikationen haben:
Facharzt für Arbeitsmedizin:
Fünfjährige vollzeitige ärztliche Weiterbildung, von der 2 Jahre im Gebiet der Inneren Medizin oder in Allgemeinmedizin absolviert werden und in der Regel 3 Jahre im Gebiet der Arbeitsmedizin. In dieser Zeit wird der Weiterbildungsassistent durch einen weiterbildungsermächtigten Facharzt für Arbeitsmedizin bei seiner Arbeit begleitet und sammelt umfassende praktische Erfahrungen. Ergänzend wird ein Weiterbildungskurs von 360 Stunden besucht.
Betriebsmediziner:
Einjährige vollzeitige Weiterbildung auf dem Gebiet der Arbeitsmedizin, wenn eine Facharztanerkennung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung bereits vorhanden ist; außerdem Weiterbildungskurs wie oben.
Themen der ärztlichen Weiterbildung auf dem Gebiet der Arbeitsmedizin sind:
- der Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsstörungen und Berufskrankheiten,
- Arbeitsplatzbeurteilung/Gefährdungsbeurteilung,
- Epidemiologie, Statistik und Dokumentation,
- Gesundheitsberatung,
- betriebliche Gesundheitsförderung, einschließlich der individuellen und gruppenbezogenen Schulung,
- Beratung und Planung in Fragen des technischen, organisatorischen und personenbezogenen Arbeits- und Gesundheitsschutzes,
- Unfallverhütung und Arbeitssicherheit,
- Organisation und Sicherstellung der Ersten Hilfe und notfallmedizinischen Versorgung am Arbeitsplatz,
- Mitwirkung bei medizinischer, beruflicher und sozialer Rehabilitation,
- betriebliche Wiedereingliederung und Einsatz chronisch Kranker und schutzbedürftiger Personen am Arbeitsplatz
- Bewertung von Leistungsfähigkeit, Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit, Belastbarkeit und Einsatzfähigkeit, einschließlich der Arbeitsphysiologie und Ergonomie,
- Arbeits- und Umwelthygiene, einschließlich der arbeitsmedizinischen und umweltmedizinischen Toxikologie,
- Arbeits- und Organisationspsychologie, einschließlich psychosozialer Aspekte,
- arbeitsmedizinische Bewertung psychischer Belastung und Beanspruchung,
- arbeitsmedizinische Vorsorge-, Tauglichkeits- und Eignungsuntersuchungen, einschließlich verkehrsmedizinischer Fragestellungen,
- ärztliche Begutachtung bei arbeitsbedingten Erkrankungen und Berufskrankheiten, Beurteilung von Arbeits-, Berufs- und Erwerbsfähigkeit, einschließlich Fragen eines Arbeitsplatzwechsels.
1.2 Wie kann arbeitsmedizinische Beratung organisiert werden?
Nur in verhältnismäßig wenigen Großbetrieben werden Betriebsärzte in eigenen Abteilungen oder Zentren angestellt beschäftigt. Die große Mehrheit mittlerer und kleiner Betriebe benötigt nach DGUV-V 2 betriebsärztliche Betreuungszeiten von einigen hundert bis hin zu wenigen Stunden im Jahr. Diese werden i. d. R. über einen Beratungsvertrag mit einem überbetrieblich tätigen Betriebsarzt abgedeckt.
Das kann entweder ein niedergelassener Betriebsarzt sein, der seine Dienste direkt den Unternehmen anbietet, oder der Vertrag wird mit einem Beratungsdienstleiter aus dem Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz geschlossen. Diese sog. überbetrieblichen Dienste beschäftigen häufig neben Betriebsärzten/Arbeitsmedizinern auch Berater anderer Berufsgruppen, wie arbeitsmedizinische Assistentinnen, BGM-Experten, Arbeitspsychologen, Sicherheitsfachkräfte und andere, die in der Beratung interdisziplinär zusammenarbeiten können.
1.3 Berechnung der Einsatzzeiten
Die Einsatzzeitenberechnung für Betriebsärzte erfolgt rechtskonform nach den Vorgaben der DGUV-V 2. Die recht komplexen Vorgaben lassen sich kurz so zusammenfassen:
Die Gesamteinsatzzeit für Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit setzt sich zusammen aus:
Grundbetreuungszeit
Diese wird branchenabhängig ermittelt. Dafür greift die DGUV-V 2 auf die Branchen-zugeordneten WZ-Kodes zurück, die in der deutschen amtlichen Statistik gebräuchliche "Klassifikation der Wirtschaftszweige". Diese sind in der DGUV-V 2 jeweils einer von 3 Betreuungsgruppen zugeordnet, nach denen gefährdungsabhängig pro Jahr und Beschäftigtem zwischen 0,5 und 2,5 Einsatzstunden vorgesehen sind. Die so ermittelten Grundbetreuungszeiten können nach Bedarf zwischen den beiden Professionen aufgeteilt werden, wobei jede Profession mindestens 20 % der Einsatzzeit bzw. mind. 0,2 Stunden pro Beschäftigtem und Jahr leisten muss. In der Grundbetreuungszeit sind fortlaufend bzw. regelmäßig wiederkehrende Aufgaben abzuarbeiten. Bezogen auf den Betriebsarzt sind das z. B.:
- Beratung zur Gefährdungsbeurteilung,
- Teilnahme an Begehungen und Unterweisungen,
- Teilnahme an ASA-Sitzungen,
- Beratung von Führungskräften bei deren Wahrnehmung von Arbeitsschutzpflichten,
- Beratung von Mitarbeitern bei arbeitsplatzbezogenen Gesundheitsfragen,
- Analyse zur Prävention von Unfällen und Berufskrankheiten.
Betriebsspezifische Betreuung
Hier werden ergänzende Einsatzzeiten im Einzelfall und nach Bedarf ermittelt, abhängig davon, was die betriebliche Situation erfordert. Beratungsbedarf wird z. B. ausgelöst durch:
- besondere, komplexe Arbeitsschutzrisiken, wie z. B. Strahlenschutz oder Auslandseinsätze,
- arbeitsmedizinische Vorsorgen,
- (Weiter-)Entwicklung ...