Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Jeder Reisende kennt wohl die Angst, in einer fremden Unterkunft von einem Feuer überrascht zu werden und womöglich den Weg ins Freie nicht mehr zu finden. Wenn auch eine solche Angstvorstellung glücklicherweise zumeist nicht Realität wird, spiegelt sie doch die wesentlichen Aspekte des Brandrisikos in solchen Einrichtungen wieder.
1.1 Schlafende Nutzer
In Phasen, in denen in einem Beherbergungsbetrieb die Gäste und ggf. auch das anwesende Personal schlafen, ist grundsätzlich mit einer erheblich verzögerten Branderkennung und daraus resultierend mit einer intensiveren Brandausbreitung zu rechnen. Die interne Alarmierung, also das Wecken und Informieren aller im Hause anwesenden Personen, wäre ohne entsprechende technische Einrichtungen zu schwierig und langwierig. Aber auch mit entsprechenden Alarmierungseinrichtungen muss damit gerechnet werden, dass eine Räumung nachts erheblich verzögert abläuft, weil die aus dem Schlaf geschreckten Betroffenen sich der Situation erst bewusst werden müssen und möglicherweise Hemmungen haben, das Zimmer in Nachtwäsche unverzüglich zu verlassen.
1.2 Geringe Ortskenntnis
Unter Beherbergungsstätten werden definitionsgemäß Einrichtungen verstanden, die Gäste "im Reiseverkehr", also nicht dauerhaft aufnehmen. Wenn auch manche Gäste als jahrelange Stammkunden ihr Quartier buchstäblich "im Schlaf" kennen und über Monate hinweg im selben Zimmer wohnen, ist der Normalzustand doch der, dass ein großer Anteil der Gäste mehr oder weniger fremd in der Beherbergungseinrichtung ist. Im Gegensatz zum eigenen Heim, dass man schon zu allen Tageszeiten und Beleuchtungszuständen erlebt hat, kennt ein typischer Übernachtungsgast in Hotels, Pensionen oder Gästehäusern i. d. R. nur die "Normalansicht", also den Hauptzugangsweg, über den er das Gebäude betreten hat, zu "normalen" Betriebszeiten, also bei Tageslicht oder voll beleuchtet. Dazu kommt, dass sich kaum ein Nutzer einer Beherbergungseinrichtung veranlasst sieht, sich den Weg zum Zimmer bzw. zurück ins Freie mit allen Eigenheiten genau einzuprägen. Daher ist damit zu rechnen, dass insbesondere wer nachts aus dem Schlaf aufgeschreckt wurde und Flure und Treppenräume nur schwach beleuchtet oder gar teilweise verqualmt erlebt, große Orientierungsschwierigkeiten hat. Umso wichtiger sind die gut erkennbare Beschilderung und das Freihalten von Fluchtwegen.
1.3 Spezielle betriebliche Risiken
Wenn Beherbergungs- und Gaststättenbetrieb im selben Gebäude stattfinden, bedeuten Küchen und Veranstaltungsräume ein zusätzliches Risiko, z. B.
- Küchenbetrieb mit Heißgeräten,
- Umgang mit Fett usw.,
- Umgang mit offenem Feuer bei Veranstaltungen oder durch Raucher,
- Betrieb von offenen Kaminen usw.
Das gilt auch und gerade für Einrichtungen mit hohem Selbstversorgungsanteil, wie z. B. Gästehäuser, Landschulheime, einfache Tagungshäuser, auch wenn diese in vielen Fällen nicht offiziell unter die Beherbergungsstättenverordnungen fallen.
Besonders das Rauchen stellt ein besonderes Problem dar, obwohl es aus Nichtraucherschutzgründen weitgehend aus Innenräumen verdrängt wurde. Schließlich bieten Beherbergungsbetriebe, die auch ihren rauchenden Gästen eine angenehme Privatsphäre anbieten wollen, weiterhin Raucherzimmer an. Und auch mit "wildem", unerwünschtem Rauchen muss gerechnet werden, was zu einem erhöhten Brandrisiko beitragen kann, z. B. Rauchen im Bett und auf der Toilette, Zigarettenasche oder -kippen auf Bettzeug oder Papierhandtüchern.
1.4 Bausubstanz
Baustruktur und -zustand von Beherbergungseinrichtungen sind so vielfältig wie die Betriebe selbst. Ein neu erstellter Hotelkomplex bietet in seiner Baustruktur sicher keine besonderen Risiken, wenn, wovon mind. im Inland ausgegangen werden darf, gängige Bauvorschriften eingehalten wurden. Andererseits sind auch kleinere Beherbergungsbetriebe in Altbauten typisch, die oft mehrfach verändert, erweitert und umgenutzt wurden und daher von Bauzustand, verwendeten Baumaterialien und Struktur her erheblich problematischer sind. Auch größere Einrichtungen im Altbaubestand haben nicht selten Schwierigkeiten, den aktuellen brandschutztechnischen Standard zu erreichen bzw. zu halten. Das betrifft besonders Schulungs-, Tagungs- oder Freizeiteinrichtungen von Trägern, die damit nicht primär gewerbliche Zwecke verfolgen, sondern Beherbergungseinrichtungen im Rahmen von Bildungs-, Erziehungs- oder anderen sozialen Aufgaben betreiben.
Brandschutzkonzepte im Bestand
Gelegentlich wird in der Branche und in der Gesellschaft beklagt, dass ältere Beherbergungsstätten, die manchmal seit Generationen betrieben wurden, aufgrund von verschärften Brandschutzanforderungen im Bestand gefährdet werden. Grund hierfür sind weniger die Anforderungen der Beherbergungsstättenverordnung als solche, sondern die Tatsache, dass in vielen Bundesländern bzw. Kommunen die praktische Umsetzung der baurechtlichen Vorgaben über Brandschutzkonzepte gesteuert wird. Diese sind vom Betreiber vorzulegen und werden von Brandschutzdienstleistern (Fachplanern) erstellt. Aus haftungsrechtlichen Gründen neigen diese dazu, in Zweifelsfällen das höhere Anf...