Arbeits- bzw. Projektgruppen werden meist zur Lösung von Problemen und komplexen Aufgaben eingesetzt, weil von ihnen ein deutlicher Vorteil gegenüber der Leistung von Einzelpersonen erwartet wird:
- Das Zusammenspiel von individuell unterschiedlichen Fertigkeiten, Kompetenzen und Ideen lässt ein besseres Arbeitsergebnis erwarten.
- Stärken der Gruppe sollen einzelne Schwächen ausgleichen.
- Die Wahrnehmung von Zusammenhalt in einer Gruppe und gegenseitige Unterstützung sollen motivierend wirken. Psychologische Motivationstheoretiker sprechen in diesem Zusammenhang von der Befriedigung eines "Bedürfnisses nach sozialer Eingebundenheit" (Deci & Ryan, 1993, Ryan & Deci, 2000).
Information: Selbstbestimmungstheorie Im Rahmen ihrer humanistisch orientierten "Selbstbestimmungstheorie" gehen Deci und Ryan (1993) davon aus, dass Menschen drei psychische Grundbedürfnisse (Autonomie, Kompetenz, Eingebundenheit) besitzen, die möglichst gut erfüllt sein sollten, weil sie motivationsfördernd sind. Diese drei Bedürfnisse besitzen in Bezug auf das hier behandelte Thema ungefähr folgende Bedeutung:
- Autonomie: Menschen sollten wahrnehmen, dass sie selbst Entscheidungen über ihre Tätigkeit treffen können. Eine Einengung ihres Verhaltensspielraums wird als unangenehm empfunden und wirkt demotivierend.
- Kompetenz: Aufgaben sollten so beschaffen sein, dass sie von einer Person auf Grundlage der eigenen Fähigkeiten bewältigt werden können. Sie dürfen aber auch keinesfalls unterfordernd wirken, da auch bei zu leichten Problemstellungen keine Kompetenzwahrnehmung entstehen kann.
- Eingebundenheit: Die (gute) Zusammenarbeit mit anderen Personen ist für Individuen ebenfalls motivationsfördernd.
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Diese sowie weitere positive Gruppeneffekte werden sowohl von Praktikern als auch in der einschlägigen Ratgeberliteratur oftmals behauptet. Dies spiegelt sich z. B. in der häufigen Zitierung des Ausspruchs von Aristoteles wider, das Ganze sei mehr als die Summe seiner Teile. Für diese angeblichen positiven Gruppeneffekte wird auch der Begriff "Synergie" verwendet. Werden Befunde sozialpsychologischer Studien zur Leistungsfähigkeit von Gruppen als Bewertungskriterium zugrunde gelegt, fehlt allerdings nicht nur der Nachweis von Synergie-Effekten bei Gruppenarbeiten, sondern es muss vielmehr mit erheblichen negativen Effekten - sprich Leistungsverlusten - durch den Einsatz von Gruppen gerechnet werden (Greitemeyer, Schulz-Hardt & Frey, 2003; Stempfle & Badke-Schaub, 2002; Stroebe & Nijstad, 2004). Scherm (1998) zieht nach einer Sichtung einschlägiger Befunde zur Effizienz von Gruppen das Fazit, eine Gruppe sei bei Problemlösungen allenfalls so gut wie ihr zweitbestes individuelles Mitglied, wenn es alleine arbeiten würde (vgl. auch Martin, 1998).
Dass die eine oder andere Gruppenarbeit nicht sehr effektiv verlaufen ist, hat vermutlich jede Leserin und jeder Leser selbst einmal erfahren. Von Lehrkräften wird beispielsweise oftmals berichtet, dass Konferenzen, die im weiteren Sinn auch zu Gruppenarbeiten gezählt werden können, als wenig effizient erlebt werden. Ein möglicher Grund dafür kann wahrgenommener Gruppendruck sein, der dazu führt, dass abweichende Vorstellungen und Ideen nicht mehr geäußert werden. Sozialpsychologen sprechen hier von einem "Konformitätseffekt" (Aronson, Wilson & Akert, 2008), der darauf zurückzuführen ist, dass man sich in einer Gruppe nicht durch abweichende Meinungen unbeliebt machen will. Dies ist ein Phänomen, das sehr häufig zu beobachten und durchaus auch funktional ist, weil Harmonie und Zusammenhalt in der Gruppe nicht gefährdet werden. Auf die Gruppenleistung kann sich dies allerdings negativ auswirken, da nicht mehr alle Ideen und Vorschläge eingebracht werden. Dass solche Situationen und Verhaltensweisen vorkommen, ist den meisten Personen bekannt. Wie häufig diese Verhaltensweisen auftreten und welche immensen negativen Effekte diese auf das Leistungsergebnis von Gruppen haben, ist vielen jedoch nicht bewusst. Nachfolgend wird anhand einiger Beispiele dargelegt, mit welchen Leistungsverlusten in Gruppen zu rechnen ist.
Information: Konformität Als Konformität wird in der sozialpsychologischen Forschung bezeichnet, wenn eine Person ihre Meinungen, Einstellungen oder Verhalten an ihr soziales Umfeld anpasst. Dies kann bewusst oder unbewusst geschehen. Zwei verschiedene Ursachen können für einen solchen Effekt verantwortlich sein:
- "Informationaler Effekt": In bisher unbekannten Situationen sind sich Menschen oft unsicher, welches Verhalten richtig und angemessen ist. Eine häufige Reaktion auf diese Unsicherheit ist die gezielte Beobachtung, wie sich andere Personen verhalten, die mit dieser Situation vertrauter sind. Dieses Verhalten wird dann nachgeahmt.
- "Normativer Effekt": Eine andere Ursache für Konformität liegt in der Wahrnehmung sozialen Drucks in Gruppensituationen. Wenn eine Person erfährt, dass alle anderen Mitglieder einer Gruppe einhellig eine bestimmte Meinung vertreten, kommt es sehr häufig vor, dass sie trotz abwe...
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